Machtkämpfe und ein wahnwitziger Plan

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Am nächsten Morgen wurde Jocelyn unsanft von Pansy geweckt, die mies gelaunt durch den Schlafraum polterte. Müde richtete sie sich auf und rieb sich die Augen. Bullstrode kam aus dem Badezimmer und sah, dass sie wach war. „Jetzt sag doch mal, Fortescue, was läuft zwischen dir und Malfoy?", fragte sie mit einem spöttischen Grinsen, worauf Pansy in der Bewegung innehielt und sie mit schmalen Augen musterte. Die anderen Slytherin - Mädchen stellten ihre Gespräche ein und schauten nun ebenfalls zu ihr.
„Ich wüsste nicht, warum ich gerade mit dir darüber reden sollte, Bullstrode.", erwiderte Jocelyn und stand auf.
Während sie ihre Schuluniform zusammensuchte, spürte sie die feindseligen Blicke der Slytherins auf sich. „Du machst dich lächerlich, wenn du annimmst, dass Draco es ernst mit dir meint.", zischte Pansy.
Jocelyn wandte sich mit ihren Klamotten in den Armen zu ihr um und entgegnete kühl: „Und du machst dich lächerlich, wenn du ihm wie ein liebeskranker Volltrottel hinterherläufst, Parkinson."
Pansys pausbackiges Gesicht wurde rot vor Wut. Sie zog ihren Zauberstab und richtete ihn auf sie. „Wie kannst du es wagen!"
Jocelyn zuckte mit keiner Wimper und sah sie ruhig an, bis sie wutschnaubend ihren Zauberstab sinken ließ. Jocelyn lief an ihr vorbei ins Badezimmer und hörte wie Pansy ihr zornig hinterherrief: „Das wirst du noch bereuen!"
Sie drückte die Tür hinter sich ins Schloss und rieb sich seufzend die Schläfen. Sie griff nach einem der Kämme, die in einer Schale auf einer Ablage über dem Waschbecken lagen, und bürstete ihre langen dunkelroten Locken durch. Währenddessen fiel ihr auf, wie bleich sie wirkte. Ihre blassblauen Augen wirkten riesig in ihrem schmalen Gesicht und um ihre Mundwinkel lag ein besorgter Blick. Jocelyn legte den Kamm zurück und strich sich das Haar hinter die Ohren. Sie wandte vorsichtig den Kopf und nahm die Wunde in Augenschein, die Greyback ihr zugefügt hatte. Für einige Sekunden stand ihr der Moment wieder so klar vor Augen, dass sie zusammenzuckte. Greybacks heißer, widerlich stinkender Atem auf ihrer Haut, seine krallenbewehrten Hände, die sie in einem schmerzhaft starken Griff gefangen hielten, und seine scharfen Zähne, die sich in ihren Hals schlugen...Sie schüttelte ruckartig den Kopf, um die Erinnerung abzuschütteln. Zwar war die Wunde inzwischen verheilt, aber eine Narbe würde wohl immer zurück bleiben. Jocelyn drehte sich um und kehrte ihrem Spiegelbild den Rücken zu. Als sie zurück in den Schlafsaal kam, waren Pansy und Bullstrode zum Glück schon zum Frühstück gegangen, sodass sie unbehelligt ihre Tasche packen und aus dem Raum gehen konnte.
Im Gemeinschaftsraum lungerten nur noch Montague und einige andere Siebtklässler herum, die aufsahen, als sie eintrat. „Willst du dich zu uns setzen, Fortescue?", fragte Montague mit einem durchtriebenen Lächeln.
„Nein, danke.", murmelte sie und steuerte den Ausgang an. Unter dem Gejohle von Montague und seinen Freunden verließ sie eilig den Gemeinschaftsraum und beeilte sich, die Treppe hinauf in die helle Eingangshalle zu laufen, um endlich die dunklen Kerkerräume zu verlassen. Sie würde sich wohl niemals an die Dunkelheit dort unten gewöhnen können und wieder einmal dachte sie sehnsüchtig an die Behaglichkeit des Gryffindor-Gemeinschaftsraumes. Die Große Halle war bereits gut gefüllt, als Jocelyn sie betrat, und sie musste sich an einer Gruppe von Hufflepuffs vorbeikämpfen, die herumstanden und ihre Stundenpläne verglichen. Anscheinend war sie ziemlich spät dran, wenn bereits die Stundenpläne verteilt wurden. Sie erreichte den Slytherintisch und rutschte neben Draco auf die Bank. Er sah flüchtig auf und sie sagte: „Guten Morgen."
Er nickte knapp und widmete sich dann wieder ganz der Aufgabe, jemand hinter ihr mit Blicken zu durchbohren. Noch bevor sie sich umwandte, wusste sie, wen Draco so hasserfüllt anschaute. Sie begegnete Harrys Blick und sein einer Mundwinkel hob sich kaum merklich. Sie lächelte unsicher zurück und wandte sich dann wieder nach vorne. Dabei bemerkte sie, dass Draco sie mit finsterer Miene beobachtete. „Was hast du gestern Abend noch so Dringendes erledigen müssen?", fragte er plötzlich.
Sie nahm sich etwas Kürbissaft und wägte währenddessen blitzschnell ab, ob sie ihm die Wahrheit sagen sollte. „Ich habe ein Buch aus der Bibliothek holen wollen.", log sie schließlich.
Draco streckte die Hand aus und packte mit einer blitzschnellen Bewegung ihr Handgelenk. „Lüg mich nicht an.", zischte er und seine grauen Augen bohrten sich in ihre. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Pansy aufhorchte. „Können wir das nachher besprechen?", fragte Jocelyn unbehaglich.
„Du warst bei Potter, hab' ich recht?", überging Draco sie. Sie schwieg einen Moment zu lang und seine Augen verengten sich. „Draco...", sagte sie vorsichtig, aber in diesem Moment kam Snape zu ihnen, um ihnen ihre Stundenpläne zu geben und sie verstummte. Auch danach kam sie nicht mehr dazu, mit Draco zu reden, da sie sich beeilen musste, noch rechtzeitig zu Arithmantik zu kommen. Sie bekam ihn erst wieder in Verteidigung gegen die Dunklen Künste zu Gesicht. Doch als sie etwas verspätet in das Klassenzimmer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste kam, dem Snape bereits seine eigene, düstere Note aufgezwungen hatte, musste sie feststellen, dass der Platz neben Draco bereits von Pansy besetzt war. Sie beugte sich gerade zu Draco hinüber, um ihm etwas zuzuflüstern, worauf er kurz auflachte. Er würdigte sie keines Blickes, als sie in der Bank vor ihm Platz nahm, und sie knirschte wütend mit den Zähnen. Als sie flüchtig den Blick umher gleiten ließ, stockte sie. Snape hatte ringsherum dunkle, grausige Bilder an die Wand gehängt, die größtenteils Menschen zeigten, die offenbar unter Schmerzen litten. In dem Moment kam Snape mit wehendem Umhang in den Raum gestürmt und es wurde abrupt so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können.
„Ich bin überrascht, dass so viele von euch einen ZAG in diesem Fach geschafft haben. Das UTZ- Pensum jedoch wird so anspruchsvoll sein, dass manche von Ihnen-", er blickte vielsagend zu den Gryffindors - „nicht damit zu recht kommen werden."
Immer wieder großartig, wenn einem Mut gemacht wird, dachte Jocelyn sarkastisch. Während Snape in den nächsten Minuten von den Dunklen Künsten redete – oder sollte sie eher sagen schwärmte? – versank sie wieder einmal in Sorge. Voldemorts Schlangengesicht tauchte vor ihrem Inneren Auge auf und sie packte ein Gefühl von Ausweglosigkeit. Was sollte sie nur tun? Sie konnte den Auftrag unmöglich ausführen! Sie horchte erst wieder auf, als Snape in die Hände klatschte und verkündigte:
„Ich werde Sie nun aufteilen."
Jocelyn blinzelte verwirrt, während Snape nacheinander ihre Namen aufrief. „Miss Parkinson und Miss Bullstrode, Mister Zabini und Mister Goyle, Miss Fortescue und Mister Malfoy..." Als alle verteilt waren, sagte Snape ungeduldig: „Nun los!"
Die anderen erhoben sich von ihren Stühlen und Jocelyn tat es ihnen nach kurzem Zögern gleich. Während sie neben Draco trat, zog Pansy mit üblich feindseliger Miene von dannen. Draco sah sie kurz an und an seiner Miene konnte sie erkennen, dass er immer noch sauer war. „Was müssen wir machen?", fragte Jocelyn vorsichtig.
„Ungesagte Zauber. Du solltest wirklich mal lernen, aufzupassen, Fortescue.", blaffte Draco und stellte sich mit seinem Zauberstab in der Hand vor ihr auf. „Ich fange an.", sagte er mit einem maliziösen Funkeln in den Augen. Jocelyn hob ihren Zauberstab und wappnete sich. Ihre Augen verhakten sich mit Dracos und so entging ihr, wie er beinahe tonlos: „Stupor", flüsterte. Sie wurde einige Meter nach hinten geschleudert und kam unsanft auf dem Boden auf. Sie pustete sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und rappelte sich mit finsterer Miene wieder auf. Draco hob spöttisch einen Mundwinkel. „Du hast geschummelt.", zischte sie.
„Ach ja?", sagte er geringschätzig. Sie funkelte ihn wütend an und hob den Zauberstab, aber bevor sie die Gelegenheit hatte, einen Schildzauber zu denken, wurde sie erneut einige Meter nach hinten gerissen und verlor ihr Gleichgewicht. Gerade als sie sich wieder aufrichtete, kam Snape vorbei. „Sie müssen sich schon etwas anstrengen, Fortescue.", sagte er mit süffisantem Grinsen. „Gut gemacht, Draco."
Er nickte ihm anerkennend zu und ging hinüber zu Harry und Neville. Jocelyn sah ihm grimmig hinterher. „Schummeln kann ich auch.", knurrte sie leise.
„Erbärmlich, Potter.", sagte Snape nun zu Harry. „Hier – ich will es Ihnen zeigen – " Snape richtete seinen Zauberstab auf Harry und dieser schrie eilig: „Protego!"
Genau wie sie zuvor wurde Snape nach hinten geschleudert und prallte unsanft gegen ein Pult. Jocelyn kam nicht umhin, schadenfreudig zu grinsen. „Habe ich Ihnen nicht gesagt, dass wir ungesagte Zauber üben, Potter?", sagte Snape, als er sich mit finsterer Miene wieder aufrichtete.
„Ja.", erwiderte Harry steif.
„Ja, Sir.", korrigierte Snape gereizt.
„Sie brauchen mich nicht „Sir" zu nennen, Professor.", entwich es Harry und einigen Schülern stockte der Atem. „Nachsitzen, Samstagabend, mein Büro.", zischte Snape mit schmalen Augen.
Als Jocelyn wenig später das Klassenzimmer verließ, musste sie immer noch leicht grinsen. Harry lief neben ihr und sie sagte gedankenlos zu ihm: „Das war echt spitze, das hat er wirklich mal verdient!" Er sah sie überrascht an. „Hm, ja, dafür muss ich jetzt nachsitzen.", erwiderte er nach kurzem Schweigen schließlich und zog eine Grimasse.
„Bestimmt wirst du Flubberwürme aussortieren müssen- das musste ich letztes Mal nämlich.", sie rümpfte die Nase bei der Erinnerung an diese unschönen Stunden in Snapes düsterem Büro. Harry schnaubte. „Ja, sowas ist typisch Snape."
Sie liefen zusammen die Treppen hinauf und während Harry in Richtung der großen Flügeltüren lief, steuerte sie die Bibliothek an. Sie hatte zwar die Befürchtung, dass es ausweglos war, aber dennoch wollte sie schauen, ob man einen Unbrechbaren Schwur vielleicht doch irgendwie brechen konnte. Doch sie kam gerade einmal ein paar Schritte weit, bevor auf einmal jemand ihr Handgelenk packte und sie abrupt in einen Durchgang zog. Zu überrascht, um zu schreien, starrte sie in ein blassblaues Augenpaar, das sie spöttisch musterte. Sofort kam die Erinnerung an das letzte Mal, als ihr Bruder sie hier herein gezerrt hatte, in ihr hoch, und sie versuchte panisch, seinen Griff abzuschütteln. „Ganz ruhig. Ich will dir doch nichts Böses, Schwesterherz.", sein Gesicht verzog sich zu einem höhnischen Grinsen. „Ich möchte dich lediglich an deinen Auftrag erinnern. Ich habe nicht den Anschein, dass du bisher sehr weit damit gekommen bist."
„Wir sind doch gestern erst in Hogwarts angekommen!", zischte sie. Lorcan verstärkte seinen Griff.
„Aber du hattest einige Wochen Zeit, dir schon einmal Gedanken zu machen.", sagte er mit schmalen Augen.
„Habe ich!", sagte Jocelyn und versuchte, unter seinem festen Griff nicht zusammenzuzucken.
Ihr Bruder ließ sie abrupt los. „Das hoffe ich.", sagte er finster. „Wenn schon ich nicht den Auftrag ausführen darf, werde ich zumindest dafür sorgen, dass du es tun wirst."
„Der Auftrag, den du so unbedingt hättest bekommen wollen, besteht zufälligerweise darin, jemanden zu töten!", platzte Jocelyn wütend heraus.
Lorcan sah sie verächtlich an. „Ja, einen senilen, alten Volltrottel."
Bevor sie etwas entgegnen konnte, ließ er sie stehen. Vor Wut bebend stand sie einige Sekunden lang reglos da, bevor sie schließlich ihren Weg zur Bibliothek fortsetzte- nunmehr richtig entschlossen, einen Ausweg aus diesem Wahnsinn zu finden.

Burning DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt