Wir werden kämpfen

8 0 0
                                    

Jocelyn erwachte durch eine Berührung an ihrer Wange. Benommen öffnete sie die Augen und blinzelte. Einen Moment war sie völlig desorientiert. Sie blickte hinauf zu einer Decke, an der lauter Hängematte hingen und dann war plötzlich alles wieder da.
„Ich wollte dich nicht wecken", vernahm Jocelyn da eine leise Stimme und drehte leicht den Kopf, den sie im Schlaf auf Dracos Schoß gebettet hatte. „Schon gut", murmelte sie. Dracos Finger waren immer noch in ihren Haaren, gedankenverloren strich er durch ihre dichten Locken.
Nachdem Harry und Luna zum Ravenclaw-Turm aufgebrochen waren, hatten sich Jocelyn und Draco in eine ruhigere Ecke des Raumes verzogen und Jocelyn hatte dabei versucht, die Stimmen der anderen auszublenden, die sich lautstark über ihre Anwesenheit empörten.
Als Jocelyn sich nun aufrichtete, nahm sie wahr, dass sich der Raum der Wünsche weiter gefüllt hatte, während sie geschlafen hatte. Sie erkannte einige Ordensmitglieder, Mrs. und Mr. Weasley und noch mehr Gryffindors.
„Gibt es etwas Neues?", fragte Jocelyn Draco mit rauer Stimme. Sie räusperte sich.
Draco schüttelte mit finsterer Miene den Kopf.
In diesem Moment wurden Stimmen laut und als Jocelyn den Kopf drehte, erkannte sie, warum. Harry hatte soeben den Raum der Wünsche betreten.
Rasch stand Jocelyn auf und Draco tat es ihr gleich. Sie drängten sich durch den überfüllten Raum, bis sie hören konnten, wie Lupin Harry fragte: „Harry, was geht hier vor?"
„Voldemort ist auf dem Weg, sie verbarrikadieren die Schule - Snape ist geflohen", sprudelte Harry hervor. Entsetzte Rufe wurden laut.
„Die jüngeren Kinder werden in Sicherheit gebracht, und alle kommen in der Großen Halle zusammen, um eingeteilt zu werden. Wir werden kämpfen."

Das Gefühl, das Jocelyn übermannte, als Draco und sie an ihrem Haustisch in der Großen Halle Platz nahmen, war derart unwirklich, dass sie sich daran erinnern musste, nicht zu träumen. Sie war sich so sicher gewesen, Hogwarts nie wieder zu sehen und doch war sie nun dort und blickte mit kalten, schwitzigen Händen hinauf zum Lehrertisch, wo die verbliebene Lehrerschaft stand und hinunter auf die Schülerschar starrte, die zum Teil noch in Schlafanzügen an ihren Haustischen saßen. Wohin Jocelyn auch schaute, sah sie weiße, verängstigte Gesichter.
„Vertrauensschüler, wenn ich das Signal gebe, scharen Sie die Schüler Ihres Hauses um sich und führen sie geordnet zum gemeinsamen Treffpunkt", sagte McGonagall gerade. „Wer volljährig ist, kann bleiben."
„Wo ist Professor Snape?", schrie da plötzlich ein Mädchen am Slytherin-Tisch und Jocelyn zuckte zusammen. Sie kannte das Mädchen nur flüchtig vom Sehen, sie wusste, dass sie ein Schuljahr unter Draco und ihr war. Gemurmel wurde laut am Slytherin-Tisch. Jocelyn merkte, wie angespannt Draco aussah und musste daran denken, wie viel Snape ihm bedeutete. „Ich bin sicher, er kommt klar. Ich meine, es ist Snape", flüsterte Jocelyn Draco zu. Er sah sie kurz an und sie konnte den Ausdruck in seinen Augen nicht recht deuten.
McGonagall sagte etwas, das Jocelyn nicht richtig verstand durch den Lärm, den die Slytherins machten, und kurz darauf brach Jubel bei den anderen Häusern aus.
„Wir haben bereits Schutzzauber um das Schloss herum aufgebaut, aber sie werden vermutlich nicht lang-"
McGonagall wurde unterbrochen von einer kalten, hohen Stimme, die aus den Wänden hervorzudringen schien. Sie ging Jocelyn durch Mark und Bein. Schreie wurden laut, die Schüler klammerten sich aneinander fest und auch Jocelyn griff in einem Anflug von Panik nach Dracos Arm.
„Ich weiß, dass ihr euch bereitmacht zum Kampf. Eure Bemühungen sind zwecklos. Ihr könnt mich nicht besiegen."
Jocelyn sah sich angsterfüllt um, wollte den Ursprung der Stimme ausmachen, aber es war unmöglich. „Gebt mir Harry Potter und keinem soll ein Leid geschehen. Ihr habt Zeit bis Mitternacht."
Die Stille, die daraufhin folgte, war ohrenbetäubend. Alle Augen schienen sich auf Harry zu richten, der kerzengerade am Gryffindor-Tisch saß, mit bleichem, starrem Gesicht.
Auf einmal erhob sich Pansy, die Jocelyn schräg gegenüber saß und die diese erst jetzt bewusst wahrnahm. „Aber da ist er doch! Potter ist hier! Jemand soll ihn festhalten!"
Plötzlich erhoben sich die Gryffindor, dicht gefolgt von den Hufflepuffs und Ravenclaws. Sie alle blickten hasserfüllt in Richtung der Slytherin und zogen ihre Zauberstäbe.
„Danke, Miss Parkinson. Sie werden die Halle als Erste verlassen. Der Rest Ihres Hauses möge folgen", donnerte McGonagall.
Um Jocelyn und Draco herum erhoben sich die Slytherins, unter ihnen die zeternde Pansy, und verließen nach und nach die Große Halle. Ein kleiner Slytherin mit rattenartigem Gesicht zischte Draco und Jocelyn, die regungslos sitzen geblieben waren, hasserfüllt zu: „Verräter!"
Als nur noch sie beide am Slytherin-Tisch saßen, fing Jocelyn McGonagalls Blick auf. Kaum merklich nickte sie ihr zu, bevor sie sich abwandte und nun dafür sorgte, dass alle Minderjährigen und jene, die nicht kämpfen wollten, die Halle verließen. Bei den Hufflepuffs blieben am Ende nur wenig Leute übrig, bei den Ravenclaws schon mehr, während halb Gryffindor sitzen blieb.
„Die Professoren Flitwick, Sprout und McGonagall werden Gruppen von Kämpfern auf die höchsten Türme führen und Remus und ich werden Gruppen ins Gelände führen", sagte Kingsley. „Los, wir müssen schnell handeln!"

Der Wind riss unbarmherzig an Jocelyns Locken, als sie hoch oben auf dem Astrononieturm stand und mit zitternden Beinen hinunter auf das Schlossgelände starrte. Wieder überkam sie ein schlafwandlerisches Gefühl. Sie erinnerte sich an jenen schrecklichen Moment, als Lorcan hier oben Ginnys Leben bedroht hatte, daran, wie sie von seinem Fluch getroffen wurde. Es war zu viel. Zu viel Leid, zu viel Schmerz, zu viel Angst. Sie spürte, wie Draco nach ihrer Hand tastete und dann fest seine Finger mit ihren verschränkte. Sie blickte ihn an und einen Moment konnte sie in seinen grauen Augen dieselbe Dunkelheit erkennen, die in ihr waberte.
Ihr könnt mich nicht besiegen. Voldemorts zischende, hohe Stimme kam ihr wieder in den Sinn und Jocelyn überkam eine tiefe Mutlosigkeit.
„Macht euch bereit", sagte einer der beiden Ordensmitglieder. Es war ein großer, breitschultriger Mann mit kahlgeschorenen Haaren. Sie waren hier oben zu sechst. Außer Draco und Jocelyn waren noch zwei Ravenclaw-Schüler und eine Gryffindor-Schülerin der Gruppe zugeordnet worden. Daran, dass ihre Gruppe gleich zwei Ordensmitglieder anführten, glaubte Jocelyn zu erkennen, dass Draco und ihr immer noch nicht wirklich getraut wurde. War es nicht bitter? Jetzt standen sie hier oben, bereit, gegen Voldemort und seine Anhänger zu kämpfen, und noch immer wurde ihnen Misstrauen entgegen gebracht. Jocelyn musste an Dracos Worte denken, die er vor langer Zeit zu ihr gesagt hatte, als sie sich dem Orden des Phönix anschließen wollte.
Denkst du wirklich, dass du jemals dazu gehören würdest- als Tochter von Todessern? Du wirst niemals eine von ihnen sein, egal wie sehr du dir das wünscht.
Er hatte recht gehabt. Obwohl sie nun auf der gleiche Seite kämpften, war da immer noch etwas, was sie von ihnen separierte.
Noch war alles ruhig. Das dunkle Schlossgelände lag still, beinahe friedlich, unter ihnen. Doch die Zeiger der großen Turmuhr näherten sich unaufhörlich der Zwölf.

Burning DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt