Höllenschleife

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Jocelyns Kehle wurde trocken und blind tastete sie nach Dracos Hand, der immer noch mit dem Kobold diskutierte. Die blassblauen Augen ihrer Mutter ließen sie nicht los. Sie wirkte - und das verwunderte Jocelyn zutiefst - ebenso erschrocken wie sie. „Was ist los?", wisperte Draco, der einen kurzen Blick auf sie geworfen und ihren Gesichtsausdruck bemerkt hatte.
„Meine Mutter", flüsterte sie zurück und Draco folgte ihrem Blick. Jocelyn merkte, wie er sich nun ebenfalls anspannte, als er Molana erblickte.
In diesem Augenblick kam Molana auf sie zu, mit merkwürdigen, hölzern wirkenden Bewegungen.
In ihr begannen die Alarmglocken zu läuten. Irgendetwas, das sagte Jocelyn ihr Bauchgefühl, stimmte hier ganz und gar nicht.
„Jocelyn", sagte Molana und dann tat sie etwas, das Jocelyn völlig perplex erstarren ließ. Sie lächelte. Jedoch war es nicht ihr übliches kaltes Lächeln, das Jocelyn insgeheim das Molana-Todeslächeln nannte - vielmehr war es ein schüchternes, ja, scheues Lächeln. Dabei war ihre Mutter niemals unsicher.
„Draco", sagte Jocelyn und merkte dabei selbst, wie warnend ihre Stimme klang. Wer auch immer da vor ihr stand, es war nicht ihre Mutter. Mit einer automatischen Bewegung schob Draco sich zwischen sie und die falsche Molana und Jocelyns Magen verkrampfte sich vor Angst.
„Jocelyn, bitte", sagte die Person, die das Äußere ihrer Mutter angenommen hatte. „Höre mir zu. Es ist wichtig, dass du mir jetzt genau zuhörst, okay? Ich kann dich nicht einschätzen. Du bist wahnsinnig verschlossen."
Jocelyn starrte in die blassblauen Augen ihrer Mutter und versuchte vergeblich, zu verstehen.
„Ich habe dir das schon einmal gesagt, Jocelyn", sagte sie nun und ihre Stimme war so eindringlich, dass Jocelyn aufhorchte.
Tatsächlich hatte so etwas Ähnliches erst neulich jemand zu ihr gesagt und zwar-
Jocelyn keuchte auf. Hermine. Sie sah aus den Augenwinkeln, dass einer der Auroren zu ihnen herübersah. Jocelyn fasste im Bruchteil einer Sekunde einen Entschluss und schob sich an Draco vorbei, während sie ihm kaum hörbar zuflüsterte: „Du musst mir jetzt vertrauen, okay?"
Dann breitete sie ihre Arme aus und umarmte die falsche Molana. „Es ist in Ordnung, Mutter", sagte sie laut und wisperte kurz darauf in Hermines Ohr: „Bist du wahnsinnig? Was hast du vor?"
„Ich bin froh, dass du mir verzeihst, Liebes", flötete Hermine mit dieser merkwürdig falsch klingenden Molana-Stimme und flüsterte zurück: „Im Verließ deiner Eltern ist ein Horkrux."
Jocelyns erstarrte für den Bruchteil einer Sekunde, während sie diese Neuigkeit verdaute. Sie löste sich von Molana - Hermine - und sah erst jetzt, dass neben ihr ein großer, blonder Mann stand und sie mit angespannter Miene beobachtete. War es Ron? Oder Harry? Nein, Harry stand bestimmt versteckt unter seinem Tarnumhang neben Hermine.
„Wie?", fragte Jocelyn kaum hörbar, während sie die täuschend echte Molana anstarrte.
„Das Kleid, das du anhattest, als du zu uns kamst. Es hat deiner Mutter gehört. Das war reiner Zufall, wir nahmen erst an, es wäre dein Haar, das wir darauf gefunden haben."
„Dann wolltest du dich eigentlich in mich verwandeln?" Empörung stieg in Jocelyn auf.
Hermine sah sich nervös um. „Wir dachten, es wäre der einzige Weg, in euer Familienverlies zu gelangen."
Jocelyn spürte Dracos bohrenden Blick in ihrem Rücken und wandte sich rasch zu ihm um. Sie hatten so leise gesprochen, dass er ihr Gespräch nicht gehört hatte. Misstrauisch blickte er zwischen ihr und der falschen Molana hin und her.
„Alles in Ordnung", flüsterte sie ihm zu.
Sie spürte, wie Hermine an ihrem Arm zupfte. Als Jocelyn sie wieder ansah, wie sie da in Gestalt ihrer Mutter vor ihr stand, wisperte sie leise: „Ihr solltet machen, dass ihr hier rauskommt."
Dieses Mal hörte Draco sie und zog irritiert, ja, argwöhnisch die Augenbrauen zusammen. In diesem Moment kam der Kobold, an dessen Schalter Draco immer noch stand, dahinter vor und meinte: „Kommen Sie mit." In der Hand hielt er einen großen Schlüsselbund.
Da alles andere zu viel Aufsehen erweckt hätte, folgte Jocelyn ihm und zog Draco an der Hand hinter sich her. Hermine warf sie einen letzten, beunruhigten Blick zu. Unterwegs fragte sie den Kobold, ob sie auch noch kurz bei ihrem Verlies Halt machen konnten, was dieser nach gründlicher Untersuchung ihres Schlüssels grummelnd bejahte. Sie hatte vor einiger Zeit etwas in ihr Verlies gebracht, das sie nun unbedingt wieder an sich nehmen wollte. Jocelyn dachte wieder an Hermine und den Plan, den die drei verfolgten, und die Unruhe in ihr verstärkte sich. Noch immer verspürte sie Empörung und Ärger darüber, dass Hermine sich eigentlich in sie, Jocelyn, hatte verwandeln wollen. Eins war auf jeden Fall klar, sie würde sich keine Sekunde länger als nötig in ihrem Verlies aufhalten und hoffte, dass auch Draco sich beeilen würde. Jocelyn wollte besser nicht in der Nähe sein, wenn sie ihren wahnwitzigen Plan in die Tat umsetzten, in ein Verlies in Gringotts einzubrechen. Noch weniger wollte sie, dass Draco in die Schusslinie geriet. Auf dem halsbrecherischen Weg zu seinem Verlies, warf er ihr immer wieder Seitenblicke zu, aber mit einem Blick auf den Kobold schüttelte sie bloß den Kopf.
Die restliche Fahrt grübelte sie weiter vor sich hin. Ein Horkrux. In dem Verlies ihrer Eltern. Hatte es dem Dunklen Lord nicht gereicht, sich ihres Bruders zu bedienen?, dachte Jocelyn bitter. Wie immer, wenn sie an Lorcan dachte, verkrampfte sich ihr Magen schmerzhaft. Sie dachte dann jedes Mal unwillkürlich auch daran, wie starr und ausdruckslos sein Gesicht gewesen war, als er stumm dabei zugesehen hatte, wie Voldemort sie wieder und wieder mit dem Cruciatus gefoltert hatte. Wie viel Menschliches war noch in ihrem Bruder? Jocelyn erschauderte.

Burning DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt