Die Szene, die Jocelyn erwartete, als sie hinter Draco den Salon betrat, kam ihr merkwürdig bekannt vor. Die verschwommene Erinnerung von damals, als sie als Kind in eine Todesserversammlung hereingeplatzt war, kam ihr wieder in den Sinn. Genau wie damals war sie von Angst erfüllt, aber gleichzeitig fühlte sie einen brennenden Hass in ihrem Inneren. Der lange, glänzende Tisch war vollständig besetzt von unzähligen Todessern, die in ihren schwarzen Umhängen eine finstere Einheit bildeten. Sie erblickte Snape, der ihnen reglos entgegen sah. Greyback lauerte mit verschlagenem Gesichtsausdruck in der Raumecke. Der Anblick des Werwolfs ließ sie schaudernd. Hastig wandte sie sich ab und sah zum ersten Mal zum Tischende. Dort saß, ebenfalls in einen schwarzen Umhang gehüllt, Voldemort. Sein weißes, schlangenähnliches Gesicht sah noch furchterregender und unmenschlicher aus, als in ihrer Erinnerung. Seine roten Augen ruhten auf ihr. Sie wandte sich um und sah, dass Draco wieder zwischen seinen Eltern Platz genommen hatte. Jocelyn atmete tief durch und straffte die Schultern. Sie erwiderte Voldemorts Blick und wartete, bis er mit seiner kalten, zischenden Stimme zu reden anfing. „Man hat mir gesagt, du hättest eine Information für mich?"
Jocelyn antwortete nicht, denn ihre Kehle war so zugeschnürt, dass sie kein Ton herausbrachte.
„Antworte gefälligst!", zischte Bellatrix und lehnte sich vor.
Sie öffnete den Mund. „Eine Waffe. Der Orden ist in Besitz von einer Waffe.", platzte sie mit belegter Stimme mit dem Nächstbesten heraus, was ihr in den Sinn kam. Sie erhaschte einen Blick auf Draco, er hatte den Kopf gesenkt und die Lippen aufeinander gepresst.
„Eine Waffe?", wiederholte Voldemort, seine Stimme verriet nicht im Geringsten, ob er ihr die Lüge abnahm oder nicht.
„J-ja.", erwiderte sie stockend. „Und was für eine Waffe soll das sein?", fragte Voldemort mit sanfter Stimme, in der eine unterschwellige Emotion mitschwang, die Jocelyn nicht richtig deuten konnte. Sie spürte, wie ihr Körper zu zittern begann. Sie überlegte panisch, aber ihr Kopf war vor Angst wie leergefegt. „E-ein Zauberstab, der sehr mächtig ist.", presste sie schließlich hervor.
Voldemorts nüsternähnliche Nasenlöcher blähten sich und in seinen Augen tauchte für einen Moment ein gieriger Ausdruck auf. Dann verblasste er und seine Miene wurde kalt.
„Du lügst.", stellte er mit gefährlicher Ruhe in der Stimme fest. Er legte den Kopf schief und seine glühenden Augen durchbohrten sie. „Ich frage mich, was der Grund dafür ist."
Bellatrix schnaubte auf. „Dieses Gör will sich doch nur wichtigmachen, Herr!", sagte sie.
Voldemort beachtete sie nicht. „Komm her.", zischte er Jocelyn zu. Ihre Beine zitterten unkontrolliert und sie war unfähig sich zu rühren. Genau wie in ihrer verschwommenen Erinnerung griffen nun wieder Hände nach ihr und schoben sie in Richtung Voldemorts schlangenähnlicher Gestalt. Sie fühlte sich genauso hilflos wie damals. Voldemort hob seinen Zauberstab und bewegte kaum merklich seinen lippenlosen Mund. Im nächsten Moment verblasste sein Gesicht vor ihren Augen und stattdessen tauchte Dracos vor ihr auf.
„Ich habe einen Brief bekommen.", sagte er ruppig. Als sie den Mund öffnete, schnitt er ihr grob das Wort ab. „In den nächsten Ferien ist es soweit; dann werde ich in die Reihen des Dunklen Lords aufgenommen." Sie starrte ihn fassungslos an. Sie schüttelte ungläubig den Kopf. „Das ist nicht dein Ernst!", würgte sie schließlich hervor. Sie sah eine ungewohnte Gefühlsregung in seinen sonst so kühlen Augen aufflackern: Angst....
Sie sah das Haus ihrer Tante vor ihren Augen zu brennen beginnen. Wie hypnotisiert blickte sie auf die immer höher schlängelnden Flammen, die ihr erstes richtiges Zuhause, mit der einzigen Person darin, der sie jemals etwas bedeutet hatte, in Sekundenschnelle vernichteten, und sie merkte, wie etwas in ihr zerbrach...
„Miss Fortescue, ich muss sie etwas fragen. Ist es wirklich ihr Wunsch, das Haus Gryffindor zu verlassen? Oder...ist es vielmehr der Wunsch eines anderen?", sagte Dumbledore. „Es ist mein Wunsch.", flüsterte sie kraftlos und zu ihrem Entsetzen fühlte sie Tränen in den Augen. Weitere, endlose Sekunden vergingen, bevor Dumbledore sich in seinem Stuhl zurücklehnte und mit nachdenklicher Miene nickte. „In welches Haus möchten sie denn, Miss Fortescue?" Jocelyn sah auf ihre Hände. „Slytherin.", das Wort schmeckte bitter auf ihrer Zunge...
„Na, dann, liebe Schwester: Verabschiede dich von deinem freien Willen. Du hast es ja nicht anders gewollt." Angst explodierte in ihr. Verzweifelt schlang sie die Hand um Lorcans Handgelenk und versuchte sein Griff um ihre Haare zu lockern, aber ihr Bruder lachte nur über ihre jämmerlichen Befreiungsversuche. „Imperio.", flüsterte er....
„Was zur Hölle machst du hier? Warum hast du die Information für den Dunklen Lord nicht einfach an Lorcan weitergereicht?", flüsterte Draco, der vor der Tür ihrer Zelle stand, aufgebracht. „Es...es gibt keine Information." „Was?", entwich es ihm laut. „Ich bin wegen dir hier.", sagte sie trotzig. „Wegen mir? Was zur Hölle-", sie unterbrach ihn. „Ich wollte verhindern, dass du ein...du weißt schon, ein Todesser wirst."
Jocelyn kam zu sich und merkte, dass sie am Boden kauerte. Sie riss entsetzt den Kopf hoch und sah in Voldemorts unmenschliches Gesicht. Seine Lippen hatten sich zu einem grausamen Lächeln gekräuselt. „Interessant.", sagte er sanft, während sein Blick zu Draco glitt. Sie blickte ebenfalls zu ihm und sah, dass Draco immer noch den Kopf gesenkt hatte. Seine Schultern waren angespannt und seine Hände hatten sich zu Fäusten geballt. Lucius Malfoy sah hektisch zwischen seinem Sohn und ihr hin und her. Er schien fieberhaft zu überlegen, was Voldemort gesehen haben konnte.
„Ich bekomme langsam den Eindruck, als ob Draco sich mir gar nicht anschließen will.", sagte Voldemort. „Dabei hast du mir so glaubhaft versichert, dass dein Sohn dafür bereit ist, Lucius. Ich habe Gnade walten lassen und dich aus Askaban befreit, aber sei versichert: Solltest du mich noch einmal so enttäuschen, werde ich nicht mehr so gütig sein."
Lucius wurde sichtbar blass, während Draco das erste Mal den Kopf hob.
„Doch, das will ich. Es bedeutet eine große Ehre für mich.", erwiderte er, als ob er etwas auswendig Gelerntes aufsagen würde.
Voldemort strich mit einem langen weißen Finger über den Kopf seiner Schlange, die auf seinen Schultern lag. „Nun, du wirst bald die Chance haben, mir das zu beweisen.", zischte er mit einem kalten Lächeln. Dann wandte er sich wieder Jocelyn zu, die wie versteinert dastand. Die Schlange hob den Kopf von Voldemorts Schulter und streckte ihn in ihre Richtung. Dabei gab sie ein zischelndes Geräusch von sich. „Hab Geduld, Nagini.", sagte Voldemort auf Parsel zu ihr. Seine glühend roten Augen glitten suchend durch den Raum und blieben an Greyback hängen. Auf Voldemorts Geheiß hin löste er sich von der Wand und ging durch den Raum. Er blieb so dicht hinter ihr stehen, dass Jocelyn seinen heißen, nach Blut stinkenden Atem in ihrem Nacken fühlen konnte.
„So rührend eure junge Liebe auch sein mag,", Voldemort sah mit hämischen Grinsen zu Draco und Gelächter erklang, „hast du leider keinen Nutzen mehr für mich. Isidor, irgendwelche letzten Worte an deine Tochter?"
Jocelyn sah zu dem Mann, der ihr noch nie ein Vater gewesen war. Seine Augen blickten kalt wie eh und je. „Sie ist schon lange nicht mehr meine Tochter, Herr."
„Molana?", fragte Voldemort genüsslich.
„Dasselbe gilt für mich.", sagte ihre Mutter hart.
„Nun denn.", Voldemort sah wieder zu Greyback. „Töte sie, Fenrir."
Bellatrix stieß ein vergnügtes Lachen aus und Greybacks Finger mit den spitzzulaufenden Nägeln bohrten sich in ihre Schultern. Er strich ungeduldig ihre Haare beiseite und im nächsten Moment hatte er die Zähne in ihren Hals geschlagen. Ihr ohrenbetäubender Schrei ließ Draco so abrupt vom Stuhl hochfahren, dass dieser umfiel. Jocelyn kämpfte voller Panik gegen den Werwolf an. Doch je mehr sie sich wehrte, desto stärker wurde sein Griff. Ihre Augen glitten verzweifelt durch den Raum. Der einzige Gegenstand, der auch nur im Entferntesten als Waffe angesehen werden konnte, war ein Kerzenständer mitten auf dem Tisch. Sie griff blindlings danach und hob ihn über den Kopf. Mit aller Kraft ließ sie ihn auf Greyback niedersausen, der daraufhin mit einem Ächzen von ihr abließ und mit schmerzerfüllter Miene nach hinten stolperte. Die Hölle brach aus. Die Todesser hoben ihre Zauberstäbe und sie duckte sich gerade noch rechtzeitig, als sie auch schon die ersten Flüche auf sie schleuderten. Sie zog den Kopf ein und kämpfte sich an Greyback vorbei, der sich mit einem mörderischen Ausdruck in den Augen wieder aufgerichtet hatte. An ihrem linken Ohr zischte ein Fluch vorbei und sie schrie auf. Jocelyn atmete keuchend und rannte auf die Tür des Salons zu, doch sie knallte zu und verriegelte sich. Verzweifelt warf sie sich dagegen, als auch schon jemand ihre Arme packte und sie grob durch den Raum schleuderte. Sie fiel mitten in die Scherben eines Glastisches. Eine Scherbe bohrte sich tief in ihren Arm und entlockte ihr einen schmerzerfüllten Schrei. Jemand lachte, ein wahnsinniges Lachen, das im Raum widerhallte. Greyback ging vor ihr in die Hocke und fletschte die blutverschmierten Zähne. Er beugte sich über sie und sie tastete auf dem Boden nach einer Scherbe, die groß genug war, um jemand ernsthaft zu verletzten, und schürfte sich dabei die Handfläche auf. Endlich bekam sie eine zu fassen, genau in dem Moment, als der Werwolf erneut zubeißen wollte. Sie rammte ihm die Scherbe in die Brust und Greyback gab ein röchelndes Geräusch von sich. Er kippte zur Seite. Sie versuchte sich aufzurichten, doch ihre Beine hielten sie nicht mehr. Jemand trat vor sie, aber sie hatte nicht die Kraft aufzuschauen. Ihre Augen fielen zu. „Draco!", hörte sie Lucius Malfoy wie durch dichten Nebel brüllen und im selben Moment fasste jemand nach ihrer Hand. Sie spürte die Kühle von Metall und dann begann sich alles um sie zu drehen. Jocelyn fühlte sich, als ob sie in einen Strudel gerissen werden würde. Sie klammerte sich an der Hand fest, die ihre hielt, und noch bevor sie auf den Boden aufprallte, verlor sie das Bewusstsein.
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Burning Darkness
Fanfic„Vertraust du mir?" Jocelyn drehte den Kopf, um Draco anzuschauen und ein aufgeregtes Zittern überkam sie, als sie erfolglos versuchte, den unbekannten Ausdruck auf seinem Gesicht zu entziffern. „Ja", flüsterte sie schließlich. Er verzog den Mund...