Draco saß an dem langen, glänzenden Tisch im Salon von Malfoy Manor. Sein Vater thronte wie immer am Tischende, während seine Mutter ihm gegenüber saß. Er spürte ihren besorgten Blick auf sich ruhen, was ihn immer gereizter machte.
„Heute ist es also so weit.", brach Lucius Malfoy schließlich die Stille. Draco starrte auf sein kaum angerührtes Frühstück und antwortete nicht. „Ich hoffe, dir ist bewusst, was das für eine Ehre ist?", die Stimme seines Vaters war schneidend geworden.
Draco sah auf. „Ja, das ist mir bewusst, Vater.", sagte er. Narzissa Malfoy gab einen kaum hörbaren Klagelaut von sich.
„Also kann ich darauf vertrauen, dass du mich nicht enttäuschen wirst?", Lucius sah ihn mit stechendem Blick an.
„Ja.", erwiderte Draco dumpf.
In dem Moment betrat eine ausgezehrt wirkende Hexe mit verfilzten dunklen Haaren den Salon. Bellatrix Lestrange ließ sich neben ihrer Schwester Narzissa nieder und schnalzte ungeduldig mit der Zunge. Sofort erschien ein Hauself und brachte ihr das Frühstück. „So.", Bellatrix sah Draco feixend unter ihren schweren Lidern hinweg an. „Heute ist dein großer Tag, was?"
Molana und Isidor kamen herein, sodass ihm eine Antwort erspart blieb. Isidor setzte sich Lucius gegenüber, während Molana neben Bellatrix Platz nahm.
„Neuigkeiten?", wollte Lucius mit einem ironischen Grinsen wissen.
Molana lächelte stumm in sich hinein.
„Das fragst du besser meinen Sohn, Lucius.", Isidor deutete auf den eben eintretenden Lorcan. Mit einem großspurigen Lächeln umrundete dieser den Tisch und ließ sich neben Draco auf den Stuhl sinken. „Nun", Lorcan sah voller Selbstzufriedenheit zu Lucius. „Sie hat mir gesagt, wo das Hauptquartier des Ordens ist."
Lucius' Brauen hoben sich. „Weiß der Dunkle Lord schon Bescheid?", fragte er an Isidor gewandt. Dieser bejahte mit stummer Genugtuung.
„Wer hätte gedacht, dass sie doch noch für etwas gut ist, diese kleine, dumme Göre.", sagte Bellatrix gehässig.
„Ich in der Tat nicht.", stimmte Lucius ihr zu. „Deine eigene Tochter, Isidor, eine Blutsverräterin...Was für eine Schande."
„Von Schanden brauche ich dir ja nichts zu erzählen, Lucius.", erwiderte Isidor sanft.
Lucius' Augen blitzten wütend auf, aber im nächsten Moment hatte er seine Miene wieder unter Kontrolle.
In unterkühltem Schweigen aßen sie zu Ende. Draco verließ den prunkvollen Salon und war schon auf dem halben Weg nach oben, als die Stimme seines Vaters ihn noch einmal zurückhielt. „Severus kommt in einer halben Stunde. Er möchte dich sprechen."
Draco wandte sich stirnrunzelnd um. „Wieso das?"
„Ich erwarte dich in einer halben Stunde im Salon.", überging sein Vater ihn kalt.
Draco drehte sich wortlos um und setzte seinen Weg fort. Er ging den Flur hinunter und seine Schritte wurden kaum merklich langsamer, als er an dem kleinsten Zimmer des Hauses vorbeikam, das Jocelyn den letzten Sommer bewohnt hatte. Die meiste Zeit hatte sie auf der Fensterbank gesessen und gelesen. Er musste leicht grinsen, als er daran dachte, wie leicht er sie zur Weißglut hatte bringen können. Kaum dass er ihr Zimmer betreten hatte, hatten ihre Augen schon wütend aufgeblitzt. Er hatte es geliebt, sie mit seinen Spötteleien in Rage zu bringen. Während er den Flur hinunter zu seinem Zimmer lief, kam ihm in den Sinn, dass Potter bestimmt auch im Hauptquartier dieses lächerlichen Ordens war. Dieser Gedanke löste ein brennendes Gefühl von Hass in ihm aus. Er betrat sein Zimmer und sah, dass einer der Hauselfen gerade seine auf dem Boden herumliegenden Klamotten auflas und fein säuberlich zusammenlegte. „Raus.", schnauzte er unfreundlich.
Der Hauself sah ihn erschrocken an. „Natürlich, Master Draco.", piepste er und verließ eilig sein Zimmer. Er warf die Tür zu, kaum dass der Elf draußen war, und ging herüber zu der ledernen Couch. Doch kaum saß er, stand er bereits wieder auf. Die Anspannung nagte an ihm, doch er ließ nicht zu, dass seine Gedanken zu dem heutigen Abend wanderten. Er wollte sich nicht eingestehen, dass seine Anspannung darauf zurückzuführen war. Er nahm sich ein Buch von dem riesigen Bücherregal in der Ecke seines Zimmers, warf es aber nach kurzer Zeit wieder weg. Schließlich war eine halbe Stunde verstrichen und er verließ widerwillig sein Zimmer, um hinunter in den Salon zu gehen. Snape saß bereits mit seinem Vater zusammen am Tisch, als er eintrat.
„Du bist spät, Draco.", stellte Lucius missbilligend fest. Draco ließ sich auf den Stuhl gegenüber von Snape fallen und sah ihn abwartend an. Dieser gestattete sich ein kleines Lächeln, das mehr wie eine Grimasse aussah, und blickte hinüber zu Lucius. „Lucius, würde es dir etwas ausmachen, wenn ich kurz allein mit Draco reden würde?", fragte er steif.
Lucius runzelte die Stirn und schüttelte nach kurzem Zögern den Kopf, was aussah, als wöllte er eine lästige Fliege vertreiben. Mit unwilligem Gesichtsausdruck erhob er sich und ging aus dem Salon. Dracos Augenbrauen hatten sich unverständlich zusammengezogen. Snape lehnte sich vor und faltete seine blassen Hände. Diese Geste erinnerte Draco für einen Moment an seinen unbeliebsamen Schulleiter. „Du bist sicher angespannt wegen heute Abend, nicht wahr?", sagte sein Hauslehrer mit ungewöhnlich verständnisvoller Stimme.
„Nein, bin ich nicht.", widersprach Draco gereizt. „Wieso sollte ich?"
„Weil du noch viel zu jung bist, um ein Todesser zu werden.", sagte Snape.
Draco ging automatisch in Abwehrhaltung. „Denken Sie etwa, ich bin der Aufgabe nicht gewachsen? Das bin ich wohl und das weiß der Dunkle Lord auch, sonst hätte er mich nicht ausgewählt!"
„Der Dunkle Lord", sagte Snape ruhig, „will sich an deinem Vater für sein Versagen rächen."
Draco schüttelte den Kopf. „Rächen? Dass er mich in seine Reihen aufnehmen will, ist keine Rache, sondern vielmehr eine Ehre für unsere Familie!"
Snapes Gesichtsausdruck änderte sich. „Wir werden sehen.", meinte er milde.
Draco lehnte sich schweigend im Stuhl zurück. „War das alles?", fragte er betont gelangweilt. Snape betrachtete ihn einige Sekunden schweigend, bevor er nickte. „Ja, das war alles, Draco."
Draco erhob sich und stürmte ohne ein Wort der Verabschiedung hinaus.
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Burning Darkness
Fanfic„Vertraust du mir?" Jocelyn drehte den Kopf, um Draco anzuschauen und ein aufgeregtes Zittern überkam sie, als sie erfolglos versuchte, den unbekannten Ausdruck auf seinem Gesicht zu entziffern. „Ja", flüsterte sie schließlich. Er verzog den Mund...