Hoffnung

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Die Treppe fuhr nach oben zu der Tür des Schulleiterbüros und Jocelyn merkte, dass sie vor Nervosität auf der Unterlippe herumkaute. Sie fühlte sich, als ob sie etwas verbrochen hätte. Vielleicht hatte sie das ja tatsächlich, denn wieso sonst sollte Dumbledore sie in sein Büro zitieren? Vor ihr tauchte die Tür auf und sie atmete noch einmal tief durch, um sich für das Kommende zu wappnen. Dann klopfte sie. Genau wie bei ihrem ersten Besuch bei Dumbledore direkt nach ihrer Ankunft in Hogwarts erklang nun wieder sein freundliches „Herein". Sie drückte die Tür auf und betrat den Raum. Der Schulleiter saß hinter seinem großen Schreibtisch, auf dem die merkwürdigsten Gegenstände standen, und lächelte ihr zu.
„Guten Tag, Jocelyn. Wie schön, dass du meiner Einladung gefolgt bist."
Sie schloss zögerlich die Tür hinter sich und machte ein paar Schritte auf den Schreibtisch zu. „Sie wollten mich sprechen, Sir?", fragte sie steif.
Dumbledore wies mit einer Handbewegung auf den Stuhl, der vor ihm stand, und Jocelyn ließ sich folgsam darauf niedersinken. „In der Tat.", antwortete er nun. „Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass es an der Zeit für dich ist, einige Dinge zu erfahren."
Jocelyn Stirn furchte sich verwirrt, aber bevor sie nachfragen konnte, sprach Dumbledore weiter.
„Deine Tante Fiona wollte es dir zu gegebenem Zeitpunkt selber sagen, aber leider ist sie gestorben, bevor es soweit kommen konnte. Deshalb sehe ich mich nun verpflichtet, es dir anstatt ihrer zu erzählen."
Jetzt war sie richtig verwirrt. „Mir was erzählen, Sir?"
„Zuerst einmal solltest du wissen, dass deine Tante Mitglied von dem Orden des Phönix gewesen ist."
„Orden des...was?", fragte Jocelyn mit großen Augen.
„Der Orden des Phönix ist eine Geheimorganisation, die ich in den 70ern gegründet habe. Sie leistet Widerstand gegen Voldemort."
Jocelyn schluckte. „Denken Sie wirklich, dass es eine gute Idee ist, mir davon zu erzählen? Immerhin bin ich die Tochter von Todessern.", sagte sie bitter.
Dumbledore faltete die Hände zusammen und sah sie über seine halbmondförmigen Brillengläser hinweg aufmerksam an. „Das ist mir durchaus bewusst. Ich habe dich seit deiner Ankunft in Hogwarts im Auge behalten und gemerkt, dass du deiner Tante nicht unähnlich bist. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, das Risiko einzugehen und dir von dem Orden zu erzählen. Fiona hätte gewollt, dass du eine Wahl hast."
„Sie meinen, ich könnte mich dem Orden anschließen?", sagte Jocelyn mit ungläubiger Stimme.
„Du kannst noch kein Mitglied werden, da du noch nicht volljährig bist, aber du könntest unter dem Schutz des Orden stehen, wenn du das wollen würdest."
„Ich würde nicht mehr zu meiner Familie zurückkehren?", fragte sie leise.
Dumbledore schwieg einige Sekunden, in denen er sie nachdenklich betrachtete. „Ich kann verstehen, wenn dir das schwer fallen würde.", sagte er ernst.
Jocelyn entwich ein Schnauben. Dumbledore zog eine Augenbraue hoch und sie zupfte verlegen an einer ihrer dunkelroten Locken. „Entschuldigen Sie, Sir, aber es ist nur so...", sie zögerte, aber plötzlich platzte es aus ihr heraus. „Ich hasse meine Familie!"
Auf Dumbledores Gesicht erschien ein leichtes Lächeln. „Es scheint mir, als hätte ich richtig entschieden."
Jocelyn rutschte aufgeregt in ihrem Stuhl herum. Sie merkte, wie Hoffnung in ihr hochsteigen wollte, aber sie unterdrückte sie. Sie hatte Angst davor, dass noch irgendetwas schief gehen würde und wollte sich noch nicht so sehr freuen. „Aber sind Sie sicher, dass das funktionieren kann?", fragte sie Dumbledore zweifelnd.
Dieser lächelte ihr beruhigend zu. „Natürlich. du musst nur darauf achten, dass niemand etwas davon mitbekommt. Besonders nicht dein Bruder."
Jocelyn nickte hastig. „Sir, da war doch noch etwas, das Sie mir erzählen wollten, oder nicht?", wagte sie sich nun vorsichtig zu fragen.
Dumbledores Miene wurde wieder ernster. Er erhob sich von seinem Stuhl und ging um den Schreibtisch herum. Er durchquerte den Raum und hob gedankenverloren die Hand, um dem prächtigen Phönix, den sie letztes Mal schon gesehen hatte, über die Federn zu streicheln. „Ich denke, jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür.", sagte er schließlich.
„Sir...", fing Jocelyn protestierend an, aber Dumbledore schüttelte mit abwesender Miene den Kopf. „Es ist noch zu früh.", sagte er leise und es klang so, als würde er mit sich selber reden.
Schließlich blickte er sie wieder an. „Ich bin froh, dass du dich so entschieden hast, Jocelyn. Deine Tante wäre sehr stolz auf dich.", meinte er.
Jocelyn erlaubte sich ein breites Lächeln. „Ich muss wirklich nicht mehr zurück?", versicherte sie sich ein letztes Mal.
Dumbledore schüttelte den Kopf. „Nicht, wenn du nicht willst.", sagte er ruhig.
Jocelyn nickte strahlend und stand auf. Sie ging zur Tür, während Dumbledore wieder hinter seinem Schreibtisch Platz nahm. „Auf Wiedersehen, Professor Dumbledore.", sagte sie und sie merkte selber, wie fröhlich sie klang. Sie lief hinaus und die Treppe hinunter. Dabei fühlte sie sich wie beflügelt. Ein Teil von ihr konnte es immer noch nicht glauben, während der andere das erste Mal seit langem wieder Hoffnung verspürte.

Burning DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt