Asche zu Asche

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Am nächsten Morgen herrschte ein reges Durcheinander im Schloss, da es in der Eingangshalle nur so von Schülern mit riesigen Koffern und Eulenkäfigen wimmelte. Manche wurden direkt von ihren besorgten Eltern abgeholt, so auch Hannah Abbott, aber der Rest machte sich wie gewohnt auf zum Bahnhof. Jocelyn sah durch eines der Fenster im oberen Stockwerk, wie Filch gerade einen Fünftklässler mit seinem Detektor überprüfte, der darüber mehr als genervt schien. Sie und Draco waren tatsächlich fast die einzigen Slytherins, die über die Ferien dablieben. Auch von den anderen Häusern waren beinahe alle abgereist. Als alle Schüler die Filch-Sicherheitskontrolle passiert und sich mit den Kutschen auf den Weg zum Bahnhof in Hogsmeade gemacht hatten, wurde es merkwürdig still im Schloss. Sie liefen ziellos durch die Gänge und begegneten dabei keiner Menschenseele. Obwohl kaum Schüler geblieben waren, war das Schloss wie immer herrlich weihnachtlich geschmückt worden. Stechpalmenzweige und Mistel zogen sich die Korridore entlang, aus den Rüstungen leuchteten Lichter und in der Großen Halle standen die üblichen zwölf Weihnachtsbäume, an denen goldene Sterne glitzerten. Dabei war Jocelyn ganz und gar nicht nach Feiern zumute, noch weniger als letztes Jahr. Die Sorge lastete schwer auf ihrem Herzen. Sie tastete in der Tasche ihres Umhangs nach dem Zwei- Wege- Spiegel und seufzte leise. In Gedanken versunken, bog sie um eine Ecke, als Draco plötzlich nach ihrem Arm griff und sie in den Gang zurückzog. Sie sah ihn überrascht an und er legte kopfschüttelnd einen Finger an ihre Lippen. In diesem Moment hörte sie leise, gedämpfte Stimmen, die näherkamen. 
„Haben Sie vielleicht schon einmal daran gedacht, dass Sie zu viel von mir verlangen? Was, wenn ich es nicht mehr tun möchte?“, hörte sie Snapes Stimme. Draco schien sich anzuspannen und seine hellgrauen Augen hatten einen wachsamen Ausdruck bekommen. 
„Ich habe Ihr Wort, Severus, vergessen Sie das nicht.“, antwortete Dumbledore. 
„Natürlich. Um die Seele des Jungens sorgen Sie sich, aber was ist mit meiner?“, sagte Snape unerwartet heftig.
„Sie kennen meine Beweggründe.“, erwiderte Dumbledore mit einer Stimme, die keinen Widerspruch mehr dudelte. „Sie müssen bald aufbrechen, nicht wahr?“
Snape knurrte etwas, das wie eine Zustimmung klang, und Dumbledore sagte, nun mit deutlich sanfterer Stimme: „Seien Sie achtsam, Severus.“
Abrupt näherten sich ihnen Schritte und sie pressten sich an die Wand, aber glücklicherweise bog Snape in den gegenüberliegenden Korridor ein, wobei sein schwarzer Umhang wie Fledermausflügel hinter ihm her flatterte. Sie standen so dicht beieinander, dass Jocelyn Dracos Herzschlag spüren konnte. Sie drehte den Kopf und berührte mit den Lippen seine Wange, was ihn aus seiner Erstarrung erwachen ließ. Er sah sie an und hob die Hand, um ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen. „Ich vertraue Snape nicht- nicht mehr. Ganz offensichtlich plant er irgendetwas mit Dumbledore.“, murmelte er dabei. 
„Er geht wohl jetzt zu einer Todesserversammlung.“, sagte Jocelyn.
„Sieht ganz so aus.“, erwiderte Draco knapp und in seiner Stimme klang Frustration mit.
Sie verstand, denn auch sie quälte diese Ungewissheit. Was hätte sie nicht dafür gegeben zu wissen, ob es Lorcan gut ging.
„Wir könnten hingehen. Niemand bräuchte uns zu sehen.“, platzte Draco urplötzlich hervor und sie riss ungläubig die Augen auf.
„Bist du lebensmüde?!“
„Du willst doch auch wissen, ob dein Bruder noch lebt, oder nicht?“, erwiderte Draco ruhig.
Einige Sekunden sahen sie sich stumm an, Jocelyn voller Zweifel, bevor sie schließlich spröde fragte: „Und wie sollen wir dorthin kommen?“
„Der Kamin in Dumbledores Büro. Während dem Essen schleichen wir uns nach oben und benutzen das Flohnetzwerk.“, antworte Draco prompt.
„Das ist Wahnsinn.“, protestierte Jocelyn.
Aber dann wüsstest du endlich, ob Lorcan noch lebt!, sagte eine Stimme in ihr und sie erschrak über ihre eigenen Gedanken. Natürlich lebte er noch! Er musste einfach noch leben.
Draco, der sie aufmerksam beobachtete, schien zu merken, dass ihr Widerstand bröckelte.
„Bevor sie uns bemerken, sind wir schon wieder zurück. Komm schon, Lyn.“, sagte er und strich sanft über ihre Wange.
„Das ist eine furchtbare Idee.“, hauchte sie, doch sie gab sich geschlagen. 
Draco grinste breit und gab ihr einen stürmischen Kuss. „Ich liebe dich.“, murmelte er und schlang fest die Arme um sie. 
Jocelyn stockte und merkte, wie ihr Hals eng wurde. Das war das erste Mal, dass er es aussprach. „Ich dich auch.“, flüsterte sie brüchig und verbarg ihre aufsteigenden Tränen an seiner Brust.
Ihr Herz fühlte sich auf einmal merkwürdig schwer an und sie schmeckte den bitteren Geschmack von Angst auf ihrer Zunge.

Burning DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt