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Das Alphahaus bebte. Alpha Norman war zornig. Mehr noch, er kochte vor Wut.

Mara, die Haushälterin, hatte sich schnell mit der Wäsche in den Keller verzogen. Luna Adelin stand mit dem Rücken an der Wand und zitterte am ganzen Körper. Florian hatte sich einige Schritte zurückgezogen und blickte schweigend zu Boden.

Auf dem Sofa im Wohnzimmer saß Evelina, weinend ihr Gesicht in ihren Händen verborgen. Und Hendrik stand breitbeinig mit stolz erhobenem Kopf und verschränken Armen mitten im Wohnzimmer und starrte seinen Vater emotionslos an.

„Wie kannst du es wagen, Evelina so zu brüskieren", brüllte Alpha Norman seinen Sohn an.

„Ich habe sie nicht brüskiert", verteidigte sich Hendrik ruhig. „Sie hat es nicht verdient, im Unklaren gelassen zu werden."

„Sie wird die neue Luna dieses Rudels", knurrte Alpha Norman mit mühsam beherrschter Stimme.

„Du weißt, dass das nicht geht, Vater", entgegnete Hendrik gelassen. „Ich kenne meine Mate. Bevor ich Evelina als Gefährtin erwählen kann, muss ich zuerst meine Mate ablehnen. Du hast sie verstoßen, Vater. Sie ist fort. Wie soll ich sie dann ablehen?"

„Ich werde sie finden", fauchte Alpha Norman. „Und dann wirst du das tun, was ich dir befehle."

„Du irrst dich erneut, Vater." Jetzt lächelte Hendrik. „Evelina ist schön, sie ist gut erzogen und willig, aber sie ist langweilig und schwach. Sie kann Tonya nicht das Wasser reichen. Ich will eine starke Luna. Und genau deshalb werde ich Tonya auch nicht ablehnen."

„Oh doch. Du bist mein Sohn und du wirst gehorchen", schrie Alpha Norman mit sich überschlagender Stimme. „Ich werde dafür sorgen, dass du genau das tust, was ich von dir erwarte."

„Ach Vater", seufzte Hendrik. „Du hast verloren und du weißt das auch. Tonya ist meine Mate und genau das wird sie auch bleiben. Ich werde keine andere Gefährtin an meiner Seite dulden. Finde dich damit ab."

Hendrik drehte sich um und ging zur Tür.

„Wir sind noch nicht fertig", brüllte ihm Alpha Norman hinterher.

„Oh doch, sind wir. Denn egal, was du sagst, nichts wird meine Meinung ändern."

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Der Rat des Forster-Rudels war eine Lachnummer und verdiente die Bezeichnung Rat absolut nicht. Es war eine Gruppe alter Männer, natürlich aus der Oberstadt. Männer die über Reichtum, Macht und Ansehen verfügten. Männer, denen Alpha Norman bei ihren Geschäften weitgehend freie Hand ließ und sich im Gegenzug ihrer vollen Unterstützung bei allem, was er wollte sicher sein konnte.

Jeder wusste es, aber keiner wagte, etwas dagegen zu sagen. Letztendlich aber gab es nur einer, der die Macht in seinen Händen hielt, und das war Alpha Norman, der nur durch den Rat den Anschein einer Mitbestimmung seines Rudels vermitteln wollte. Wenn Alpha Norman etwas wollte, bekam er es auch, denn der Rat stimmte immer zu.

Normalerweise gehörte auch sein Sohn Hendrik und Florian, sein Beta, mit dazu. Hendrik war der Einzige, der es auch mal wagte, Einspruch zu erheben. Dieses Mal aber ging es um ihn und er war deshalb nicht mit dabei. Florian war nach wie vor der Beta des Rudels und somit Alpha Norman unterstellt und einzig und allein ihm gegenüber verpflichtet. Doch jeder wusste um seine Freundschaft zu Hendrik und deshalb war auch er nicht mit dabei.

Alpha Normans bester Freund war Rupert Säger. Ruppi, wie er von seinen „Freunden" genannt wurde, war nach dem Alpha der zweitreichste Mann im Forster-Rudel und Evelinas Vater. Ruppi war skrupellos, geldgierig und machtgeil. Er hatte sehr viel zu sagen im Rudel. Nach außen hin war er einer der treuesten Unterstützer seines Alphas. Doch es gab Stimmen, die behaupteten, dass Ruppi sowas wie die graue Eminenz im Rudel sei, aber niemand wusste es wirklich und es gab auch keine Beweise dafür.

Geld zu Geld und Macht zu Macht. Mit der Verpaarung von Hendrik mit Evelina versprachen sich beide Seiten noch mehr Macht und Einfluss innerhalb des Rudels und weit darüber hinaus.

„Diese Tonya hat meinen Sohn verhext", wetterte Alpha Norman zornig. „Hendrik weigert sich, seiner Pflicht nachzukommen und Evelina als seine Luna zu wählen."

„Wo ist dieses Mädchen?", fragte einer der Männer.

„Niemand weiß es", antwortete Alpha Norman. „Sie ist im Niemandsland verschwunden."

„Vielleicht lebt sie schon nicht mehr", vermutete ein anderer.

„Dann würde Hendrik es spüren", schüttelte Alpha Norman den Kopf. „Diese Göre lebt. Keiner weiß, wie sie es geschafft hat, unter den Rudellosen bis jetzt zu überleben. Egal. Wir müssen sie finden."

„Ich werde ein paar Männer losschicken", meldete sich Ruppi. „Sie sollen sich unter die Rudellosen mischen und versuchen herauszufinden, wo sich diese Hexe gerade aufhält."

„Und am besten sollen sie sie gleich töten, sobald sie sie finden", befahl Alpha Norman.

„Verzeih, Alpha", warf Ruppi demütig ein. „Das wäre zu offensichtlich. Wenn wir gezielt diese Hexe töten, würde sich dein Sohn vielleicht entgültig entziehen. Wenn wir wissen, wo sie sich aufhält, sollten wir angreifen und das Pack, das ihr Unterschlupf gewährt hat, ebenfalls vernichten. Wenn diese Hexe in einem Kampf stirbt, kann uns keiner einen gezielten Anschlag vorwerfen."

Alle Männer nickten zustimmend und auch Alpha Norman akzeptierte den Einwand wohlwollend.

„Sende Männer aus und informiere uns, sobald du Nachricht hast", befahl Alpha Norman nach kurzer Überlegung. „Ich werde meinen Beta mit der Planung und Vorbereitung eines möglichen Angriffes auf die Rudellosen beauftragen. Offiziell nur für den Fall, dass die Rudellosen anfangen unverschämt zu werden. Ich erinnere euch an eure Schweigepflicht. Von dem, was gerade besprochen wurde, darf nichts nach außen dringen."

Und wieder nickten alle Männer. Dann standen sie auf und gingen zurück an ihre Arbeit.

Kurze Zeit später erhielt Hendrik einen kleinen Zettel mit der Nachricht „Üble Gerüche erschnüffelt. Suche nach duftender Blume". Noch am Nachmittag übergab Hendrik Vicki über einen freundlichen Händedruck ein kleines Zettelchen mit der Nachricht „Spione unter den Rudellosen. Sie ist in Gefahr. Fehde in Planung" und am Abend lag auch diese Nachricht im Versteck in der Hoffnung, dass sie noch rechtzeitig gefunden wurde.

Suche, Tonya!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt