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Das Heulen war kilometerweit zu hören. Dreimal kurz. Das Signal der Wölfin, die hoch über dem Dorf des Wölfinnenrudels in der Felswand stand und von dort aus die Umgebung beobachtete. Sie signalisierte, dass sich fremde Wölfe dem Dorf näherten.

Das Zuhause des Wölfinnenrudels wirkte auf den ersten Blick wie ein Menschendorf. Mehrere Häuser standen durch Straßen verbunden ungeordnet im Halbkreis um ein großes Gebäude herum. Diese Anordnung war der Tatsache geschuldet, dass das Dorf direkt am Bergrand stand.

Tonya blieb am Rande des Dorfes stehen. Ängstlich hinter ihr hatte auch die kleine Wölfin angehalten. Sie waren noch immer in Wolfsgestalt, während die Frauen aus dem Dorf in ihrer menschlichen Gestalt nebeneinanderstanden, wachsam und stets bereit, sich zu verwandeln und zu verteidigen. Tonya setzte sich und wartete. Schließlich trat eine junge Frau hervor. Sie hielt zwei Umhänge über ihren Arm gelegt und kam langsam näher. Jetzt erst verwandelte sich Tonya, nickte der jungen Frau dankend zu und legte sich einen Umhang um. Die kleine Wölfin hinter ihr tat es ihr gleich.

Schweigend zogen sich die Frauen langsam zurück und bildeten eine Gasse, durch die sich zwei Frauen in rötlichen Umhängen näherten und in angemessenem Abstand vor Tonya und der jungen Frau stehen blieben. Mehrere Minuten blickten sie sich schweigend aber prüfend an.

„Du bist die Mate des jungen Alphas", stellte die ältere Frau schließlich fest.

Tonya schmunzelte. „Wie kommst du darauf?", fragte sie mit leichtem Spott in der Stimme.

„Eine meiner Frauen hat dich erkannt", erklärte sie und Tonya zuckte ergeben mit den Schultern.

„Und du bist die Alphawölfin von diesem Rudel?", fragte Tonya.

„Ja. Ich bin Amira, und ich heiße dich willkommen. Wer ist bei dir?"

„Ich habe sie unterwegs aufgelesen. Sie hatte Probleme mit drei Rudellosen", erklärte Tonya und drehte sich zu der jungen Frau um, die noch immer ängstlich hinter ihr Schutz suchte. „Nennst du uns deinen Namen?"

„Ich heiße Leona", flüsterte sie schüchtern.

„Ich schätze mal, Leona war auf der Suche nach euch", bemerkte Tonya. „Ich konnte ihr helfen und habe sie hierher begleitet."

„Kommt", lud Amira sie ein. „Ich bringe euch zu unserem Gästehaus. Dort könnt ihr euch frisch machen. Anschließend lade ich euch ein, mit uns zu speisen. Ich denke mal, ihr werdet Hunger haben."

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Das Zuhause der Wölfinnen war mehr als nur ein einfaches Zuhause. Sie hatten ein verlassenes Menschendorf besiedelt und für ihre Bedürfnisse hergerichtet.

Das, was früher mal ein Gotteshaus für die Menschen im Dorf war, war nun der Speisesaal für die Rudelmitglieder, die täglich das Abendbrot gemeinsam zu sich nahmen.

„In jedem Haus gibt es aber auch eine Küche", erklärte Xena. „Das Frühstück und das Mittagessen wird in der Regel dort eingenommen. Aber zum Abendbrot treffen wir uns alle im Rudelhaus."

Xena hatte von Amira die Aufgabe übertragen bekommen, sich um die Gäste zu kümmern. Amira hatte ihnen das Gästehaus gegenüber dem Rudelhaus zugewiesen und hatte sie dann in Xenas Obhut entlassen. Ohne etwas sagen zu müssen oder um etwas bitten zu müssen, brachte Xena ihnen Shampoo und Seife, Körperlotionen, Deo und Parfüm mit verschiedenen Düften.

„Als wir hierherkamen, lebten hier noch einige Menschen", erzählte sie. „Die Menschen waren gerade dabei, ihre Sachen zu packen. Auch sie wollten hier weg und in die nächste Stadt ziehen. Es war ihnen zu einsam hier. Die Stadt würde ihnen sehr viel mehr Möglichkeiten bieten, zu arbeiten und ihre Freizeit zu genießen. Ein Ehepaar hat sich in der Stadt mittlerweile ein Geschäft mit Hygieneartikeln aufgebaut und einmal im Monat liefern sie uns all diese Sachen."

„Und wie bezahlt ihr das?", fragte Tonya neugierig.

„Die Eltern der Frau leben noch hier", erklärte Xena. „Sie hatten sich in diesem Dorf ein schönes Haus gebaut und wollten dieses nicht aufgeben. Sie gehören jetzt mit zu unserem Rudel und wir sorgen auch für ihre Sicherheit."

Xena legte noch zwei frische lange Hemden mit einem Gürtel und zwei Umhänge bereit. Dann brachte sie noch frische Handtücher in das Badezimmer.

„Wenn ihr fertig seid, kommt bitte nach unten. Ich warte im Wohnzimmer auf euch", nickte sie Leona und Tonya zu, dann stieg sie die Treppe hinunter.

„Geh du zuerst duschen", forderte Tonya Leona auf. Sie wartete, bis sie das Wasser laufen hörte, dann blickte sie sich genauer um. In diesem Gästehaus gab es vier Schlafräume. Sie waren einfach ausgestattet aber freundlich und zweckmäßig eingerichtet mit einem großen Bett, Nachttischchen links und rechts davon, einem großen Kleiderschrank, einen kleinen Schreibtisch, ein zusätzliches Tischchen und zwei Stühlen. Und dann gab es dieses große Badezimmer und eine extra Toilette.

Vorsichtig blickte sie aus den Fenstern der Zimmer und prägte sich die Aussichten ein. Auf der einen Seite konnte sie ein Stück des Weges sehen, den sie genommen hatten, um zu diesem Dorf zu gelangen. Aus dem nächsten Zimmer sah sie direkt auf dieses Gotteshaus und auf das Alphahaus daneben. Aus dem Zimmer gegenüber blickte sie auf weitere Häuser und in der Ferne auf Felder und dahinter auf Bäume. Die vierte Seite zeigte auf eine Straße, die zwischen den Häusern hindurch aus dem Dorf hinausführte.

Leona war fertig und machte das Bad frei für Tonya, die innerhalb weniger Minuten ebenfalls frisch geduscht und angezogen war und hinter Leona die Treppe hinunterstieg. Xena blickte ihnen lächelnd entgegen und führte sie dann über die Straße zum Rudelhaus.

Suche, Tonya!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt