Vorsichtig hatte Florian Hendriks Wunden gesäubert und den zerkauten Kräuterbrei darauf verteilt. Hendrik war in seiner Wolfsgestalt ganz ruhig liegen geblieben. Er gehörte zu den Wölfen, die Schmerzen sehr gut aushalten können, ohne dabei einen Laut von sich zu geben. Doch immer wieder schnaubte er auf und zeigte dadurch an, dass er sehrwohl Schmerzen hatte, sogar starke Schmerzen. Er hatte Florians erleichtertes Aufatmen vernommen, als die Blutung endlich gestillt war und die Wunden die ersten Anzeichen von Heilung erkennen ließen. Eine Nacht Ruhe und er war wieder voll belastbar.
„So!" Zufrieden betrachtete Florian sein Werk. „Versuche etwas zu schlafen. Ich sichere die Umgebung und wenn etwas ist, wecke ich dich."
‚Danke', schnaubte Hendrik und schloss die Augen.
Vorsichtig legte Florian einen Umhang über Hendrik und verteilte sorgfältig Erde, Gestrüpp und vermoderte Blätter auf ihm. Nur die Nase von Hendriks Wolf blickte unter der Decke hervor. Selbst für die sehr guten Werwolfnasen war Hendrik nur dann zu finden, wenn sie auf seine Nase stießen.
Florian stand auf und trat einige Schritte zurück. Ja, er hatte Hendrik bestens gesichert. So konnte er ihn zwei, vielleicht auch drei Stunden schlafen lassen. Zeit genug für ihn, die Umgebung abzusichern. Er markierte den Baum unter dem Hendrik lag, indem er einen abgebrochenen Ast quer über zwei noch intakte Äste legte. Für Unbeteiligte sah es so aus, als wäre dieser Ast dort hängen geblieben.
Jetzt erst verwandelte er sich und trabte in den Wald hinein. Im großen Bogen umrundete er den markierten Baum mit Hendrik in seinem Schatten, bevor er sich selbst sorgfältig auf dem aufgeweichten Boden wälzte und sich so klein wie möglich im Geäst eines umgefallenen Baumes versteckte. Von hier aus hatte er einen guten Überblick, konnte sogar noch den markierten Baum erkennen, wenn er sich etwas streckte und war trotzdem bestmöglich getarnt.
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Alpha Anton starrte aus dem Fenster seines Büros hinaus auf den Hinterhof des Rudelhauses. Er war unzufrieden. Ungeduldig wartete er auf Aarons Rückkehr oder zumindest auf eine Mitteilung von ihm. Sein Beta hatte es sich nicht nehmen lassen, ihren Gast Tonya Burmann selbst bis zur Grenze ihres Reviers zu begleiten. Seit zwei Stunden schon waren sie unterwegs. Zeit also, dass sich Aaron meldete.
Hinter ihm öffnete sich die Tür und Tillmann trat wortlos ein. Anton drehte sich nicht um, denn er hatte seinen Vater schon längst gerochen. Er registrierte auch, dass sich Tillmann an seiner Bar zu schaffen machte, sich ein Glas einschenkte, dem Geruch nach Whisky, und sich anschließend bequem auf das Sofa der Sitzgruppe im hintersten Eck seines Büros setzte. Das Sofa quitschte leicht, wenn sich einer der großen und muskulösen Männer mit ihrem Gewicht daraufsetzte.
Herausfordernd schlürfte Tillmann an seinem Glas. Da erst drehte sich Alpha Anton leicht knurrend um.
„Und wo ist mein Glas?", fragte er mürrisch.
„Ich wusste nicht, dass du schon mitten am Tag einen Whisky haben möchtest", antwortete sein Vater gespielt erstaunt.
„Mir ist gerade danach", seufzte Anton und schenkte sich selbst ein Glas ein, bevor er zur Sitzecke ging und sich müde in einen der Sessel fallen ließ.
„Wir hätten sie nicht gehen lassen dürfen", murmelte er resigniert.
„Wir hätten sie nicht halten können", antwortete Tillmann leise. „Es sei denn, wir hätten sie eingesperrt."
„Keine gute Lösung", knurrte Alpha Anton. „Dann hätte sie sicher gewusst, dass wir ihr Geheimnis kennen."
„Sehe ich genauso", nickte Tillmann und nahm einen Schluck Whisky, ließ ihn einige Sekunden im Mund ruhen, bevor er ihn hinunterschluckte und konzentriert der Wärme nachspürte, die das Getränk in seinem Körper wachrief.
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Suche, Tonya!
Hombres LoboWas war bei ihrer Geburt wirklich geschehen? Warum hatte ausgerechnet sie diesen Talisman erhalten? Warum hatte sie das Gefühl, dieser Mondstein bedeutete etwas? So viele Fragen und keine Antwort darauf. Tonya wollte sich nicht einfach so unterordne...