Die Luft knisterte vor Spannung und aggressiver Energie.
Auf der einen Seite stand Alpha Turkan. Nur wenige Meter hinter ihm standen zwei seiner Männer mit ihrer Geisel Tonya, die scheinbar ängstlich und unterwürfig mit gesenktem Blick und noch immer mit dem Halsband zwischen den beiden Männern stand. Die restlichen Männer in Turkans Begleitung hatten als Wölfe im Halbkreis hinter ihnen Aufstellung genommen. Angespannt und jederzeit bereit zuzuschlagen.
Auf der anderen Seite der Grenze standen Alpha Hendrik und neben ihm Alpha Anton vom Welter-Rudel. Sein Beta Aaron sowie Florian und einige Männer aus Alpha Antons Rudel hatten mittlerweile ihre Deckung verlassen und ebenfalls als Wölfe Aufstellung genommen. Sie signalisierten Alpha Turkan, vorsichtig zu sein. Sollte er es wagen über die Grenze zu treten und ihren Alpha anzugreifen, würde er es bereuen.
Und dann war da noch Alpha Ortwin vom Ostram-Rudel, der sich nun erhoben hatte und ebenfalls angespannt die Situation beobachtete. Er und die Wölfin neben ihm waren nicht mehr allein. In der Zwischenzeit waren weitere Wölfe aus dem Ostram-Rudel dazugekommen, die sich hinter und neben ihrem Alpha aufgestellt hatten.
Alpha Turkan schnaubte wütend. Genau das passte ihm überhaupt nicht. Er fragte sich, warum er sich überhaupt auf diesen Austausch eingelassen hatte. Er hätte auf seinen ersten Gedanken hören sollen und von Alpha Hendrik verlangen sollen, mit den geforderten Mädchen zu seinem Rudelhaus zu kommen. Doch es war ihm auch klar, dass er dafür einiges an Sicherheiten für Alpha Hendrik hätte bieten müssen. Obwohl, er hatte doch so oder so nicht die Absicht, dieses Mädchen gehen zu lassen, warum also hatte er diesem Austausch zugestimmt?
Alpha Anton dagegen stand stolz aufgerichtet und angespannt da, während Alpha Hendrik scheinbar ungehalten an der Grenze auf und ab ging, ohne seine Augen von Tonya abzuwenden.
„Was hast du, Tonya?", fragte Hendrik aufgebracht. „Was hat er mit dir gemacht?"
„Ich habe nichts mit ihr gemacht", fauchte Alpha Turkan. „Sie hat doch gesagt, dass es ihr gut geht."
Diese Situation gefiel ihm überhaupt nicht.
„Sie sieht nicht danach aus, Alpha Turkan", fauchte Hendrik zurück. „Sie sieht aus, als hättest du sie misshandelt und zwar so, dass sie gar nicht anders kann, als Angst vor dir zu haben und genau das zu antworten, was du ihr vorgibst."
Zornig griff Alpha Turkan Tonya am Oberarm und zog sie noch ein Stück näher zur Grenze hin.
„Schau sie dir an", forderte Alpha Turkan Hendrik auf. „Sie ist absolut unversehrt."
Keiner der Männer hatte bislang bemerkt, dass Sienna ihren Platz neben Beta Aaron verlassen hatte und langsam aber aufgeregt schnüffelnd auf die Wölfe vom Ostram-Rudel zuging. Erst als sich auch die Wölfin neben Alpha Ortwin bewegte, wurden die Männer auf die beiden aufmerksam.
Ortwin knurrte. ‚Komm sofort zurück', befahl er der Wölfin, doch sie gehorchte nicht.
„Sienna. Lass das. Komm bitte sofort zurück." Beta Aaron hatte sich verwandelt und war Sienna einige Schritte hinterhergelaufen bevor er stehenblieb und sich wieder in seine Wolfsgestalt zurückverwandelte. Doch auch Sienna reagierte nicht, sondern ging weiter auf die Wölfin aus dem Ostram-Rudel zu.
Schließlich standen sie sich gegenüber, absolut unbeweglich. Nur ihre Nasen schnüffelten aufgeregt. Und plötzlich – wie auf ein geheimes Kommando verwandelten sich die beiden Wölfinen und die Frauen lagen sich weinend in den Armen.
„Agnis", schluchzte Sienna und tastete die Frau ihr gegenüber ungläubig ab. „Bist du es wirklich?"
„Sienna, du lebst", heulte Agnis auf. „Dass wir uns in diesem Leben nochmals wiedersehen."
Und wieder lagen sich die beiden Frauen in den Armen und klammerten sich wie ertrinkende aneinander fest, während die Männer überrascht und verwirrt die beiden beobachteten.
„Konntest du ihn retten?", fragte Sienna leise und Agnis nickte unter Tränen. Sie nahm Siennas Hand und zog sie mit sich auf das Gebiet des Ostram-Rudels. Vor Alpha Ortwin blieb sie stehen und strahlte Sienna glücklich an. Sienna dagegen betrachtete Alpha Ortwin. Er hatte sich mittlerweile in seine menschliche Gestalt verwandelt und blickte Agnis fragend und Sienna unverwandt an.
Sienna dagegen musterte den großen und äußerst muskulösen Mann sehr eingehend.
„Er ist es wirklich", freute sie sich, umarmte Ortwin und wandte sich dann erneut Agnis zu.
„Du hast es tatsächlich geschafft", flüsterte sie erleichtert und Agnis nickte glücklich.
„Und du?", fragte nun Agnis. „Hat sie die Geburt...?"
Traurig senkte Sienna den Kopf.
„Und ihr Kind?", fragte Agnis nun leise und vorsichtig.
Schnell schüttelte Sienna ihre Trauer ab und blickte Agnis nun freudestrahlend an.
„Sie lebt", lächelte sie. „Warte."
Noch immer standen die Männer wie versteinert da und beobachteten die beiden Frauen. Doch ohne sich um die Männer zu kümmern, rannte Sienna auf Alpha Turkan zu, stieß ihn zur Seite, ergriff Tonyas Hand und zog sie hinter sich her hinüber zu Alpha Ortwin und Agnis.
Nun war es Agnis, die Tonya neugierig und aufmerksam betrachtete, bevor sie dann zufrieden nickte.
„Sie hat ihre Augen", sagte sie schließlich.

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Suche, Tonya!
WerewolfWas war bei ihrer Geburt wirklich geschehen? Warum hatte ausgerechnet sie diesen Talisman erhalten? Warum hatte sie das Gefühl, dieser Mondstein bedeutete etwas? So viele Fragen und keine Antwort darauf. Tonya wollte sich nicht einfach so unterordne...