Kapitel dreiundzwanzig

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HAILEES SICHT


Jake Moore wird aus dem Gefängnis entlassen. Natürlich. Ich habe Vincent nie gefragt, wie lange er denn seine Strafe absitzen muss und fünfzehn Jahre klingen logisch – rechtlich, nicht moralisch. Wenn es nach mir ginge, würde er im Gefängnis sterben. Verdammt, ich habe Angst davor, dass er rauskommt. Und dass er Vincent kontaktieren könnte. Denn ich weiß nicht, wie gut Vincent damit klarkäme. Und ich weiß nicht mal, wie gut ich das schaffen würde. Wie ich mich beherrschen könnte. „Hailee, iss doch endlich", zerschneidet eine hohe kalte Stimme meine Gedanken. Unsere Mutter sieht mich kühl an und schielt auf ihren Teller, auf dem sie den Taco mit Messer und Gabel zerkleinert. Es ist mir ein Rätsel, wie sie das schafft. „Ja, Mija, du bist ganz dünn. Du musst mal etwas auf deine Rippen und zwischen deine Zähne bekommen", Papá greift nach meinem Handgelenk und lächelt mich breit an. An seinen eigenen Zähnen klebt noch etwas Soße. „Sie isst genug", unterbricht Atlas uns neben mir und drückt unter dem Tisch meine Hand, „außerdem seid ihr nicht hier, um Hailee zu kritisieren." „So sprichst du nicht mit uns", faucht unsere Mutter und nimmt einen Schluck von dem Wasser. „Aber ihr habt recht, wir haben uns Sorgen gemacht, als wir das Foto gesehen haben", Papá trinkt etwas von seinem Bier und schaut hilfesuchend zu seiner Frau, die die blutroten Lippen spitzt. „Korrekt. Eine Bar? So eine eklige Bar? Und dann mit diesem Typen? Gott, dieser Vincent und sein Vater sind ein schlechter Einfluss für euch. Und Atlas, ich bitte dich, ziehe doch dann nicht noch seine Lederjacke an", meckert sie los und wirft einen angewiderten Blick auf Vincent, der bei der Erwähnung seines Vaters zusammenzuckt. Betreten und beschämt suche ich seinen Blick, auch wenn es mir schwerfällt, ihm jetzt in diese wütenden Augen zu schauen. Und ich hoffe, dass er das richtig deutet. Es liegt nicht an ihm, sondern an mir. Ich schäme mich für meine Schwäche und unsere Mutter. „Es war Jespers Jacke", nuschelt Atlas neben mir und räuspert sich dann. „Jesper?", unsere Mutter guckt forschend zu Jesper, der sich schnell mit der Servierte den verschmierten Mund abwischt und nickt. „Vielleicht solltet ihr euch solche Gesten der Freundschaft in der Öffentlichkeit sparen. Die Leute könnten sonst auf falsche Gedanken kommen. Atlas, wie läuft es denn mit dieser Madison, mit der du erst essen warst? Madison Vanderwal wirkt wie eine gute Frau für dich", redet unsere Mutter weiter und lächelt. Fast stolz. „Gar nicht. Madison ist eine Bekannte von Hailee. Aber ich führe keine Beziehung mit ihr, wenn du das meinst", erwidert mein Bruder galant und richtet sich neben mir auf. Er ist bis in die letzte Haarspitze angespannt und wippt mit seinem Bein, was er das letzte Mal in der Grundschule getan hat, jedenfalls in dem Ausmaß. Beruhigend lege ich meine Hand auf sein Bein und lächele ihn an. „Das wäre aber mal Zeit. Deine Beziehung mit Zoey ist sehr lange her und die Leute werden nervös. Ich halte ja nicht viel von deiner Politik, aber ich bin nun einmal deine erfahrene Mutter und weiß, wie so etwas läuft ...", säuselt sie und macht eine ausladende Geste. „Du denkst, dass die Leute mich für schwul halten?", Atlas neben mir schluckt und umklammert meine Hand, sodass ich fast schreien möchte. „Dich und Jesper, ja. Ihr habt euch noch nie mit Frauen gezeigt. Vielleicht wäre das bei einer –", plant sie los, da räuspert mein Bruder sich. „Nein, Mutter. Hör auf damit. Die Leute haben recht. Ich bin schwul. Jes ist schwul. Und wir sind ein Paar", höre ich ihn heiser sagen. Schockiert mustere ich Atlas, der die Zähne zusammenbeißt und nicht einmal mehr atmet. „Tut mir leid, Rose. Ich liebe deinen Sohn", murmelt dann Jesper und lächelt verkrampft zu uns rüber. Vincent neben ihm nickt und scheint unter dem Tisch ebenfalls nach Jespers Hand oder Bein zu greifen, denn dieser sieht kurz dankbar zu ihm. „Oh Gott", unsere Mutter lehnt sich im Stuhl zurück und schließt gequält die Augen. „Wie könnt ihr nur?!", Papá neben mir rückt vom Tisch und steht auf. „Was soll das? Sie lieben sich, Papá", überfordert schaue ich zu unserem Vater, der sich durch die Locken fährt und an seinem dunklen Bart kratzt, der die gleiche Farbe wie Atlas' Haare hat. „Das ist krank. ¡No es posible! ¡Son dos hombres!", schreit er los und macht ein paar Schritte vom Tisch weg. Sheera bellt lautstark los und knurrt ihn an, sodass Vincent sich schnell zu ihr auf den Boden setzt und sie beruhigt. Unser Vater schüttelt nur den Kopf über Sheera und sieht dann Atlas angewidert an: „Und ich dachte, wir könnten stolz auf dich sein." „Er ist Derselbe, Papá", versuche ich es und stehe ebenfalls hastig auf, um ihm zu folgen. Er kann mich nicht enttäuschen, nicht er. Ich wusste, dass unsere Mutter kalt ist. Dass sie nur Atlas liebt. Und insgeheim habe ich gespürt, dass mein Vater mich mehr mag als Atlas. Aber nie hätte ich gedacht, dass er ihn nicht lieben würde. „Das ist er nicht, Hailee. Er ist krank", er sieht mich entschuldigend an und greift dann nach meinem Kinn. Notgedrungen sehe ich ihn an und fühle mich noch einmal wie ein kleines Mädchen, das zu seinem Vater aufschaut, wenn es schon von der Mutter ignoriert wird. „Nein, das ist er nicht. Ich bin die Einzige, die krank ist. Psychisch. Aber nicht er. Und nicht deswegen", flüstere ich hilflos und schüttele den Kopf. Mein Vater lässt mich los und atmet tief durch: „Sag das nicht, Hailee. Du magst ihn als deinen Bruder sehen, aber für mich ist das nicht mein Sohn. Und was werden eure Großeltern erst sagen?! Míos dios, das wird sie ins Grab bringen!" „Und die Presse! Was habt ihr euch bloß gedacht?!", kreischt unsere Mutter dazwischen und steht ebenfalls auf. „Liebe kann man nicht steuern", redet Vincent dazwischen und schaut meine Eltern düster an. Verzweifelt lächele ich ihn an und schlucke. „Mag sein, sonst hätte ich Carlos auch nie geheiratet. Aber das ist keine persönliche Sache, das ist eine politische und unternehmerische. Atlas, mein Schatz, ich verurteile dich nicht für deine sexuellen Abenteuer, aber bitte halte sie doch privat! Was meinst du, denkst du, irgendjemand wird dich wählen?! Einen homosexuellen Halbmexikaner? Du bringst alle gegen dich auf. Selbst die Mexikaner. Deine politische Karriere ist hinüber, bevor sie überhaupt begonnen hat", wird sie leiser und stellt sich vor meinen Bruder, der sie anschaut. Wie gerne würde ich jetzt seinen Blick abfangen und ihm sagen, dass alles gut wird, so wie er es immer für mich tut. „Jesper ist kein Abenteuer. Ich liebe ihn und werde ihn irgendwann heiraten", murmelt Atlas leise. Gerade noch kann ich mir ein freudiges Quieken verkneifen und trete stattdessen neben ihn, um ihm meine Hand auf die Schulter zu legen. „Dasselbe gilt für mich. Und unsere Liebe wird uns nicht abschrecken. Wir werden einen Weg finden. In der Politik und privat", meldet Jesper sich endlich zu Wort und krempelt sich seine Ärmel hoch, unter denen seine Tattoos zum Vorschein kommen. „Werdet ihr nicht. Aber ich ... ich biete euch jetzt eine einmalige Chance", unsere Mutter lächelt versöhnlich, doch ihre Augen sind kalt. „Willst du sie outen?", ich sehe sie trotzig an und umklammere Atlas, der unter mir zu zittern beginnt. „Ach, Schwachsinn, Hailee. Du schon wieder. Nein, ich bin doch eine Mutter. Ich biete euch den letzten Schutz, den ihr habt. Kommt zu Harper's Health. Seid einfach nur Freunde, offiziell, und hier in dieser winzigen Wohnung könnt ihr tun und lassen, was ihr wollt", schnaubt sie und greift nach Atlas' anderer Hand. Nach der linken, an der er nicht mal mehr seine Armbanduhr trägt. „Und dann?", krächzt Atlas. „Nein, Atlas", wimmere ich dazwischen und will ihn an der Schulter zu mir ziehen. „Rose, was dann? Die beiden werden dir nicht einmal einen Enkel beschaffen. Es wird keinen Erben für Harper's Health geben", Papá stellt sich neben unsere Mutter und greift nach ihrer Hand, „es sei denn, du gibst Hailee die Anteile." „Hailee? Nein. Ich will keinen Enkel, der von Streunern abstammt. Falls das mit Vincent überhaupt hält", sie lacht amüsiert und sieht unseren Vater mitleidig für seine Dummheit an. „Das mit Hailee und mir wird halten. Und wissen Sie was? Ich hoffe inständig, dass das mit Ihnen beiden und Ihren Kindern nicht hält! Hailee und Atlas haben so, so viel bessere Eltern verdient als Sie beide. Und ganz ehrlich, Carlos, am Anfang war ich noch erleichtert, dass Hailee jemanden wie Sie hat, wenn ihre Mutter schon ein eiskaltes, narzisstisches Monster ist. Aber wenn ich darüber nachdenke, nehmen Sie sich nichts. Vielleicht sind Sie für Hailee noch ein passabler Vater, aber für Atlas nicht. Und Rose, Sie interessieren sich nicht einmal für Atlas, geschweige denn für Hailee, sondern nur für Ihr beschissenes menschenfeindliches Unternehmen, das alles andere als gesund ist. Ihr Unternehmen wollte nicht meiner sterbenden Mutter helfen. So viel dazu. Sie beide haben einander echt verdient. Aber nicht Hailee, nicht Atlas und auch nicht Jesper als Schwiegersohn", ergreift Vincent das Wort und umrundet den Tisch, um sich vor unserem Vater aufzubauen. „Was soll das? Willst du mich rauswerfen?", knurrt er ihn an und schubst Vincent gegen den Brustkorb. Nein. Vincent zuckt zusammen und holt dann tief Luft, um meinem Vater die Hand zu verdrehen und ihn bestimmt von sich zu schieben. „Fassen Sie mich nicht an. Und gehen Sie verdammt nochmal", knurrt er bedrohlich und tritt nah an meinen Vater heran. So nah, wie ich es Vincent niemals zugetraut hätte. „Hailee. Pfeife den Jungen zurück", mein Vater sieht zu mir; über Atlas zwischen uns sieht er einfach hinweg. „Nein", ich schlucke und beiße mir auf die Lippen. „Atlas!", ermahnt auch unsere – seine – Mutter meinen Bruder, der ebenfalls matt den Kopf schüttelt. „Sie gehen jetzt", Jesper erwacht aus seiner Starre und öffnet schwungvoll die Wohnzimmertür zum Flur. „Jesper Young! Du hast hiermit deine Mitarbeit im Unternehmen verwirkt!" ,kreischt sie ihn an, doch Jesper nickt nur und umklammert den Türgriff: „Brauchen wir nicht." „Das werdet ihr bereuen!", Rose Harper wirft uns einen bitterbösen Blick zu, ehe sie nach draußen rauscht und selbst die Haustür aufreißt. Papá schaut noch einmal zu mir, dann schlurft er unserer Mutter nach und zieht hinter sich die Haustür zu. Trotz der Entfernung hören wir noch das Klappern ihrer Absätze und dann sein Gebrüll, bis Vincent und Jesper alle Zwischentüren schließen. Erschöpft rutscht Jesper an der Tür nach unten und lacht, als Sheera ihm über die Wange schleckt. Vincent setzt sich neben ihn und legt ihm die Hand auf die Schulter: „Das war echt cool, Jes." „Von dir erst. Ich hätte das viel früher tun müssen, aber ich hatte Angst, obwohl es nicht einmal meine Eltern waren", Jesper grinst meinen Freund an und sieht dann zerknirscht zu uns: „Sorry." „Sorry, dass es nicht früher war oder, dass ihr das getan habt?", presst Atlas heraus und dreht sich dann zu mir. Er weint. Ich wische mir ebenfalls über die feuchten Wangen und lehne mich gegen ihn. „Beides. Ich hoffe, ihr hasst mich nicht", nuschelt Jesper und richtet sich langsam wieder auf. Mein Bruder steht ebenfalls auf und tritt an unseren besten Freund heran. Ich halte die Luft an, als die zwei sich ansehen, dann küsst Atlas ihn und verschränkt die Arme in seinem Nacken. Sofort schlingt Jesper seine um den Rücken meines Bruders und erwidert den Kuss keuchend, sodass ich sogar erröte. Vincent grinst mich vom Boden aus an und klopft fragend neben sich. Lächelnd komme ich zu ihm und knie mich neben ihn, doch Vincent zieht mich zu meiner Überraschung auf seinen Schoß und lehnt seine Stirn an meine. „Wie sauer bist du denn?", wispert er über die Knutschgeräusche hinweg. Sheera wimmert neben ihm und stupst mich mit ihrer feuchten Nase am Arm an, sodass ich kichern muss. „Gar nicht. Du warst perfekt. Ich hatte nur Angst um dich", flüstere ich und verschränke unsere Finger. Betrachte lächelnd seine braunen und schwarzen Lederarmbänder neben meinen roten und gelben Konzertbändern und gehäkelten Bändern. Seine Finger, an denen ein bisschen Blut klebt, weil er wahrscheinlich wieder an einem Dach abgerutscht ist. Meine lackierten Nägel, die - „Was ist los, Hails?", Vincent streift meine Wange mit seiner freien Hand und grinst mich an. „Nichts. Ich fühle mich nur so verwöhnt. Ich meine, ich habe auch heute nicht wirklich Partei für mich oder Atlas ergriffen und habe irgendwelche reichen Klischee-Probleme mit einem Erbe, während du – dein Vater ist draußen. Oder kommt raus, wie auch immer", gestehe ich und klettere von Vincents Schoß, um aus dem Raum zu stürmen. Weinend laufe ich in mein Zimmer und will gerade die Tür hinter mir zuschlagen, als Vincent sie fängt und langsam hinter sich verschließt. „Hails. Deine Probleme sind nicht geringer oder weniger schlimm als meine, nur weil meine echt scheiße sind. Genauso gut könnte ich sagen, dass meine Kindheit nichtig ist, weil ich jetzt die besten Moms überhaupt habe, während ihr euch von euren toxischen Eltern nicht lösen könnt", beginnt Vincent und kommt zu mir. Als Antwort vergrabe ich nur den Kopf in meinen Händen und lasse mich auf mein Bett fallen, das federt. „Das ist echt unangenehm", murmele ich und mache ihm Platz, doch Vincent rückt nah an mich und legt den Arm um mich, bis ich nachgebe und mich an ihn schmiege. „Nein. Ihr hattet beide heute echt viel Widerworte. Und es ist verständlich, dass es dir leichter fiel, dich mit deiner Mutter anzulegen und dass Atlas lieber euren Vater angegriffen hat, bevor er sich echt homophob aufgeführt hat. Ihr brecht erst mit dem Elternteil, der euch sowieso ignoriert", stellt Vincent sanft fest und drückt mich fest an sich. „Bei dir klingt das so leicht", ich schnaube und hebe den Kopf an seinem Hals, was ihn kitzelt, denn Vincent lächelt und dreht sich zu mir. „Nein. Ich habe das auch nie getan. Mein Vater kam nicht ins Gefängnis, weil ich das wollte, sondern weil das Jugendamt ihn angezeigt hat. Und ich habe nicht einfach aufgehört ihn zu lieben oder zu vermissen. Klar, ich war froh, dass er weg war, aber genauso sehr habe ich geweint, als ich alleine im Heim war. Oder eher auf dem Dach von dem Heim", gesteht Vincent und lächelt melancholisch. „Wie geht es dir damit, dass dein Vater ... oder Jake, wie auch immer, bald rauskommt?", wage ich mich an eine weitere beschissene Thematik, bei der Vincent tief durchatmet. „Keine Ahnung, ich verdränge es", antwortet er nach einer Weile Schweigen und findet selbst wieder in die Gegenwart, indem er mich anblinzelt und dann schief grinst. „Ich bin da, wenn du drüber reden willst, Vinz. Immer. Ich bin deine Freundin", erinnere ich ihn sanft und beiße mir auf die Lippen, „deine sehr stolze Freundin. Wie du gerade meine Eltern rausgeworfen hast ..." „Ja, das hatte ich nicht geplant", Vincent lacht rau und fährt sich durch die Haare. Grinsend passe ich seine Finger in der Luft ab und verschränke sie mit meinen, ehe ich nach seinem Nacken greife und ihm einen Kuss auf die trockenen Lippen drücke. Er schmeckt wie immer nach Cola, nur diesmal noch nach Knoblauch, Salsa und Tacos, was meinen Magen etwas zu laut grummeln lässt. Ich hatte auch erst einen halben Taco, wenn ich drüber nachdenke. „Hails, wir sollten noch etwas essen. Du hast Hunger", schmunzelt Vincent gegen mein Gesicht und öffnet seine Augen wieder. „Auf dich", rutscht es mir heraus, dann laufe ich sicherlich rot an und zupfe an meinem Kleid, „oh, das klang jetzt sehr dramatisch, aber ... ich würde dich sehr gerne küssen. Oder dir wieder dein Shirt ausziehen. Wenn du das willst natürlich nur." „Ich will das, Hails", Vincent grinst mich an und sieht mir tief in die Augen, „aber nach dem Essen. Dann fällt es mir auch leichter, deinem Bruder in die gleichen hübschen braunen Augen zu sehen und mit ihm zu reden. Außerdem könnte ich auch hier übernachten, wenn du das willst." „Das ist also alles in deinem Rucksack drinnen", ich kichere und stehe seufzend auf, wobei Vincent meine Hand nicht loslässt. Auch nicht, als wir in den Flur gehen und uns wieder auf den Weg zu den Tacos machen. „Jap, meine Moms haben mir dazu geraten, einen Notfall-Rucksack zu packen", Vincent zuckt mit den Schultern und stößt die Tür auf, um sie schnell wieder zu schließen. Ein breites Grinsen liegt auf seinem Gesicht und er seufzt tief. „Machen sie schon wieder im Wohnzimmer rum?", ich lache und klopfe laut gegen das Holz. „Ja, dabei hab ich echt Hunger und – oh nein, Sheera! ", Vincent lacht und öffnet die Tür wieder, um empört nach drinnen zu laufen. Vorsichtig schiele ich nach drinnen, wo Atlas wieder sein Hemd vom Boden einsammelt und Jesper den Gürtel seiner Jeans verschließt. „Oh Gott, hat Sheera das sehen müssen?!", albert Vincent herum und wirft Jesper mit einem Sofakissen ab, woraufhin er sich lachend auf ihn stürzt. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass mein Freund das geplant habe, damit ich zu meinem Bruder huschen kann. „Na, Bruderherz?", ich grinse ihn an und helfe ihm, sein Hemd zuzuknöpfen, als seine Finger noch zittern. „Vinz hat vorgeschlagen, hier zu übernachten. Aber wir können euch auch die Wohnung überlassen, wenn du willst?", flüstere ich ihm zu und lächele ihn verschwörerisch an. Die Wangen meines Bruders färben sich automatisch noch dunkler und in seinen Augen beginnt etwas aufzuleuchten. Als ich seine Unsicherheit merke, umarme ich ihn einfach: „Du entscheidest. Nicht unsere Mutter, nicht unser Vater. Nur du." „Das gilt auch für euch zwei", raunt mein Bruder mir ins Ohr und drückt mir dann einen Kuss ins Haar. Neugierig sehe ich ihn an: „Alsooo?" „Ich ... es ist unerwartet. Und wir haben beide keine Ahnung, wie das gehen soll. Aber ich denke ... ich will es herausfinden", murmelt er und kann mich kaum ansehen. „Das ist toll. Mach nur das, was du willst", erinnere ich ihn, woraufhin Atlas sich entspannt und lacht: „Das sollte ich dir sagen." „Jetzt bin ich mal kurz die große Schwester", necke ich ihn und zucke zusammen, als Jesper mich von hinten erschreckt und lacht. „Jes!", kreische ich ihn an, er grinst nur und streckt mir die Zunge heraus. „Bin ich froh, dich nach dem Essen los zu sein", foppe ich ihn und lache dann nervös, als alle drei Jungs mich ansehen. „Ähm ... ich dachte, ich könnte bei Vinz übernachten", ich sehe Vincent eindringlich an, woraufhin er nickt: „Klar. Ich habe Hails eben gefragt, ob wir heute übernachten wollen." „Du kannst auch hier schlafen", Jesper runzelt die Stirn und sieht zu Atlas, der auf den Boden schaut. „Wann anders vielleicht gerne", weicht Vincent brav aus und klopft Jesper auf den Rücken, woraufhin Jesper auf einmal dreckig grinst: „Also haben Atlas und ich die Wohnung für uns?" „Ja, und du hast angeblich in Yale deine Bachelor gemacht", kichere ich und deute dann anklagend auf die zwei, „und ihr habt eure Zimmer für euch! Nicht das Sofa!" „Und macht nicht nochmal vor Sheera rum", fügt Vincent lachend hinzu und zieht mich dann grinsend an den Tisch. Diesmal setzt sich Atlas auf den Platz unsrer Mutter und ich rutsche auf den Stuhl, auf dem vor einer halben Stunde noch unser Vater saß. „Na dann ... guten Appetit zum zweiten Mal", verkündet Jesper feierlich, als Atlas nach einem Glas greift: „Auf den Streit mit unseren Eltern." 

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