Kapitel 26

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Wir waren ungefähr zwei Stunden bei ihm, nachdem wir uns abwechselten und wieder Taehyungs Eltern übernahmen. Nun sind es Jimin, Jieun und ich, die in der Krankenhaus Kantine zu Mittag essen. Wir wollen nicht, dass Taehyung alleine ist, wenn er wieder zu sich kommt. Die letzten zwei Stunden hat er bisher wieder geschlafen. Aber auch die Ärztin meinte, es könne dauern, ehe er wieder richtig wach wird. Und so haben wir beschlossen, dass wir uns zum Mittagessen abwechseln und Taehyungs Eltern sind als erstes gegangen. Nun sind wir an der Reihe.

Ich habe ziemlich Hunger und es tut gut, endlich was in den Magen zu bekommen. Während wir essen, unterhalten wir uns und ich klingel kurz bei Namjoon durch, um ihn auf den neuesten Stand zu bringen. Nach dem Essen, vertreten wir uns draußen noch ein wenig die Beine. Gute zwei Stunden später kehren wir auf die Intensivstation zurück. Noch bevor ich hinter Jimin und Jieun den Raum betreten kann, bekomme ich anhand von Jimins Reaktion mit, dass Taehyung wohl wach ist.
"Oh mein Gott, Taee."
Er flitzt sofort zu ihm ans Bett und legt seine Hände auf seinen Arm, direkt neben ihm, drückt sich Jieun an ihn ran.
Ich bleibe mit etwas Abstand stehen und beobachte sie. In mir beginnt es wie verrückt zu kribbeln und es tobt ein Mix aus gefühlen in mir, die von Angst und Freude übermannt werden.
"Taehyung, hey, wie fühlst du dich?", sagt jetzt auch Jieun sanft und Taehyung verzieht bei den Worten sein Gesicht.
"Weiß nicht", kommen dunkel und rau die Worte aus seinem Mund und ich kann nicht beschreiben, wie unsagbar froh ich darüber bin, seine Stimme zu hören.
"Das wird wieder alles Tae", spricht Jimin wieder zu ihm, "Wir sind bei dir."
Taehyung so zu sehen, tut weh. Es ist schön ihn endlich wach zu sehen, aber jetzt seinen schmerz erfüllten Blick zu sehen, macht es nicht gerade besser.
"Hrrgghhmmm", kommt aus seinem Mund, als er versucht, sein Gewicht etwas zu verlagern, kneift dann aber schmerzerfüllt seine Augen zusammen.
"Mach langsam Schatz", sagt jetzt seine Mutter besorgt.
Ich trete näher an das Bett heran und Taehyung öffnete wieder seine Augen. Er scheint mich erst jetzt bemerkt zu haben, denn augenblicklich reißt er seine Augen auf und sieht mich mit offenem Mund an.
"Jungkook", spricht er rau.
Eine Welle der Erleichterung überflutet mich und ich muss leise lachen.
"Hey", sage ich, während ich an die andere Seite seines Bettes herantrete und meine Hand auf seine lege. Ich beobachte dabei seine Reaktion genau, gibt er mir zu verstehen, dass er das nicht mag, würde ich sie sofort wegnehmen.
Doch das tut er nicht. Im Gegenteil, lächelt er jetzt. Und dass er für diesen Augenblick nur mir seine Aufmerksamkeit schenkt, ist ein unbeschreiblich schönes Gefühl.
"Es tut mir so leid, dass ich dich habe warten lassen", flüstere ich jetzt.
Und plötzlich muss ich weinen. Ich nehme seine Hand und führe sie zu meinem Mund und hauche einen Kuss auf seinen Handrücken.
Dabei breche ich nicht den Augenkontakt zwischen uns ab.
"Taehyung wirklich, du bedeutest mir so viel und ich habe aus reinem Egoismus gehandelt. Ich hoffe du lässt es mich wieder gut machen."
Jetzt wo sich nach und nach einzelne Tränen aus meinen Augen lösen, nehme ich mir meinen Ärmel und wische sie mir weg. Oh Gott, jetzt ist es mir doch ein bisschen unangenehm, schließlich sind Taehyung und ich nicht alleine hier.
"Jungkookie", haucht jetzt Taehyung und ich nehme meinen Ärmel vom Gesicht.
"Danke", sagt er und fängt auf einmal selber an zu weinen. Erschrocken vergesse ich meine eigenen Tränen und wende mich ihm voll und ganz zu.
"Ssschh" sage ich, doch Taehyung lässt sich nur schwer beruhigen. Dann lege ich meinen Kopf an seine Schulter und drehe meinen Arm so, dass ich damit seinen Kopf umfassen kann.
"Alles wird wieder gut", sage ich "Wie Jimin bereits erwähnt hat, sind wir an deiner Seite."
Taehyung nickt leicht.
"Danke", sagt er erneut und nimmt dankend das Taschentuch an, das ihm Jieun reicht. Er kommt dabei an seine Magensonde, die ihm durch die Nase geht und sieht auf den Schlauch hinunter. Sein Gesichtsausdruck tut mir im Herzen weh.
Und ebenfalls tut mir weh, dass er noch nicht weis, was alles auf ihn zukommt. Die Ärzte wollen morgen mit ihm reden und ihm erzählen, dass er Krebs hat und sein Bein verlieren wird.
Ich drücke leicht seine Hand und beginne sie mit meinem Daumen zu streicheln.
"Tae?, wir wünschen uns alle nichts sehnlicher als dass du jetzt wieder gesund wirst, dein Körper braucht die Nährstoffe jetzt, um heilen zu können, das ist etwas Gutes. Und keiner von uns kann es nachempfinden, aber wir wissen, dass es sehr, sehr schwer für dich ist. Denk einfach dran, du bist damit nicht alleine, wir sind bei dir."
Mit Taehyung reden zu können und bei ihm zu sein, ist unglaublich schön, doch wird dieser Moment plötzlich durch ein Klopfen abrupt unterbrochen.
Zwei Polizisten treten herein.
"Entschuldigen Sie die Störung, aber wir müssen Sie bitten, einmal den Raum zu verlassen, damit wir mit Herrn Kim sprechen können."
Bitte was? Das darf doch wohl nicht wahr sein, er ist doch erst aufgewacht und soll jetzt direkt befragt werden?
"Können Sie das nicht zu einem späteren Zeitpunkt machen? Er ist doch gerade erst zu sich gekommen!"
Wende ich mich jetzt auch direkt an die Polizisten, doch diese verneinen nur.
"Wir können ihren Unmut verstehen, aber leider ist es so, dass wir das Opfer befragen müssen, sobald es wieder ansprechbar ist."
"Schon gut", meldet sich jetzt auch Tae zu Wort und mir ist gar nicht wohl dabei. Doch da wir keine andere Wahl haben, verlasse ich gemeinsam mit den anderen den Raum. Damit wir nicht alle im Flur rumstehen, setzen wir uns in den kleinen Wartebereich direkt vor der Intensivstation. So können wir auch sehen, wenn die Polizei wieder geht.
Ich bin nervös und auch den anderen scheint es ähnlich zu gehen.
"Was ist, wenn sie Taehyung damit überfordern oder er das meiste vergessen hat und jetzt wieder durch die Polizei daran erinnert wird?" ,kommt es besorgt von Taehyungs Mutter.
"Liebling, das muss nunmal so gemacht werden, sie brauchen Beweise und umso länger sie warten würden, um so ungenauer könnten die Aussagen werden."
Taehyungs Vater tätschelt seiner Frau liebevoll den Arm, während er weiter spricht.
"Und außerdem wollen wir doch alle, dass dieser Mistkerl so schnell wie möglich hinter Gittern kommt, mir war der von Anfang an nicht geheuer."
Taehyungs Vater hat recht. Und trotzdem.

Gebrochen | TaekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt