Kapitel 2

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Ich habe meinen Arbeitstag schon fast überstanden und es warten nun nur noch eine Handvoll Kinder darauf, abgeholt zu werden.Ich hingegen habe nur noch ein Kind in meiner Gruppe und meine Kolleginnen haben schon Feierabend gemacht. Ich sitze mit Ahri zusammen auf dem Boden, sie ist eines meiner ältesten Kinder und mein Bezugskind. Vor uns auf dem Boden liegt ein großes Bilderbuch. Ahri quietscht aufgeregt und deutet mit ihrer Hand auf einen weiteren Bereich im Buch und sagt: "DAAA TAE, ich habe sie gefunden, da ist die Katze!"Ich lächele und lasse mich theatralisch auf den Boden gleiten. "Du hast gewonnen Ahri, gegen deine jungen Adleraugen komme ich einfach nicht an."
Sobald ich die Worte ausgesprochen habe, wirft sie sich quietschend auf mich drauf. Ich beginne zu lachen.
"Ahri, Hilfe ich bekomme keine Luft."
Da sie das nicht zu interessieren scheint, packe ich meine Geheimwaffe aus und fange an sie zu kitzeln. Gackernd am Boden rollend werden wir von einem Lachen unterbrochen und sofort bin ich uninteressant geworden. Begeistert wirft Ahri ihre Hände nach oben und rennt zu ihrem Vater in die Arme.
"PAPAAAA, ich habe Tae besiegt und die Katze gefunden!"
Auch ich habe mich währenddessen vom Boden erhoben und gehe auf Namjoon, ihren Vater zu. Ich blicke zu Ahri.
"Tja ich muss mich wohl geschlagen geben, du bist einfach zu gut Prinzessin." Ahri grinst von einem Ohr zum anderen und schmiegt ihren Kopf in die Halsbeuge ihres Vaters. Erst jetzt bemerke ich, dass vor der Gruppe noch ein weiterer, mir unbekannter Mann steht. Sobald ich ihn bemerkt habe, wendet sich Namjoon an seine Tochter: "Hey Ahri, guck mal wer da ist, möchtest du kurz zu Jungkook gehen, damit ich nochmal mit Taehyung sprechen kann?"
Der Name "Jungkook" reicht schon aus und Ahri strampelte bereits mit den Beinen, sodass Namjoon sie auf den Boden absetzt. Nun läuft sie zu dem jungen Mann, der sofort in die Hocke geht, um sie in die Arme zu nehmen. Mir bleibt keine weitere Zeit, Ahri und diesen Jungkook zu beobachten, da schließt Namjoon bereits die Gruppentür und wendet sich mir zu.
"Ich hoffe du hast 5 Minuten für mich", setzt er an.
"Selbstverständlich," erwiderte ich, "komm lass uns hier hinsetzen, sind zwar nur Kinderstühle, aber besser als das ganze stehend mitten im Raum zu tun". Ich lächel Namjoon an und wir setzten uns an den kleinen Tisch. Namjoon sieht ziemlich fertig aus und sieht mich aus traurigen Augen an.
"Es geht um Ahris Mutter, Chaewon", beginnt er zu reden, "sie ist plötzlich und ohne Ankündigung ausgezogen und verlässt das Land."
Er holt einmal tief Luft, bevor er weiter spricht: "Anscheinend hat sie einen anderen Mann und geht mit ihm zusammen nach Amerika, um dort ihren Traum zu leben, Ahri und ich sind ihr dabei wohl scheiß egal."
Langsam sackt Namjoon auf seinem Stuhl zusammen. Auf dem sowieso schon kleinen Kinderstuhl, gibt der große mann ein elendes Bild ab. In mir zieht sich alles zusammen. Für Namjoon ist es schlimm, ja, aber für Ahri tut es mir unendlich leid. Ich beginne mich zu fassen, stehe auf und lege Namjoon eine Hand auf die Schulter. Ich blicke ihn an: "Das tut mir wirklich unendlich leid, für dich als Ehemann eine schreckliche Situation, für dich als Vater macht es das ganze aber noch viel schlimmer." Namjoon dreht sich zu mir und versucht sich zu sammeln, ich lasse meine Hand auf seiner Schulter ruhen und rede weiter: "Ich werde Ahri in dieser Situation so gut es geht begleiten und wenn du Unterstützung brauchst, sprich mich bitte jederzeit an, wir können bestimmt Lösungen finden."
Namjoon beginnt traurig, aber aufrichtig zu lächeln.
"Danke Taehyung, ich bin so froh ,das Ahri so einen tollen Erzieher an ihrer Seite hat, ich schätze das wirklich sehr. Im Moment gibt es gerade einiges zu regeln, dann noch mein Job. Um ehrlich zu sein weis ich noch nicht wann und wie ich es Ahri sagen kann, das ihre Mutter nicht mehr wiederkommt und ich auch nicht weis wann sie sie wiedersehen wird. Es ist einfach gerade alles so viel."
Namjoon streicht sich mit seinen Händen über sein Gesicht und spricht dann weiter: "Ich versuche jetzt erst einmal das nötigste zu regeln und werde die nächsten Tage nicht dazu in der Lage sein, Ahri aus der Kita abzuholen. Deswegen habe ich heute schon Jungkook mitgebracht, er ist ein sehr guter Freund und unterstützt mich momentan mit Ahri."
Jetzt legt sich ein lächeln auf sein Gesicht, welches seine Augen erreicht und für einen kurzen Augenblick scheinen seine Sorgen in den Hintergrund zu rücken: "Sie ist ganz vernarrt in Jungkook, er musste es nicht einmal versuchen ihr Herz zu erobern, nicht mal ihre Tante und Großeltern kommen an Jungkook ran". Jetzt lacht er leicht und wir beiden beobachten die beiden durch die gläserne Gruppentür, wie Ahri sich immer wieder an Jungkook ranklammert und dieser versucht, sie von sich zu ziehen. Jungkook, der ganz in schwarz gekleidet ist, mit klobigen Boots und einer Bomberjacke, an seiner Hand hat er ein Tattoo und auch unter seinen ärmeln lassen sich weitere erblicken, zudem trägt er ein Piercing in der Lippe. Namjoon dreht sich wieder zu mir: "Genau das meine ich", sagt er und grinst, "Jungkook kann einen schon fast leid tun, der Junge steht nicht so auf engen Körperkontakt und Ahri ist wie ne Klette." Ich muss schmunzeln, die beiden geben schon ein lustiges Bild ab und es beruhigt mich, dass Ahri ein stabiles Umfeld hat. Ich hoffe nur sie lernt schnell mit der neuen Situation umzugehen.

Ahri und Jungkook haben bereits die Kita verlassen, als auch Namjoon, nachdem er Ahris Sachen in der Garderobe zusammengesucht hat, sich von mir Verabschiedet und die Kita verlässt. Der Blick auf die Uhr verrät mir, das ich mich jetzt beeilen muss um noch den Bus zu bekommen. Ich ziehe mich also an und verlasse mit schnellen Schritten die Kita und eile zum Bus. Dabei ignoriere ich den Stechenden Schmerz in meinem Bein, der mich zu allem Überfluss auch noch seit ein paar Wochen begleitet.Auf dem Weg zum Bus, murmel ich mich noch tiefer in meinen Schal ein. Ich friere.
An der Bushaltestelle angekommen, ignoriere ich das kribbeln in meinem Körper und die schwarzen Nebel und schwirrenden Punkte, die sich vor mein Sichtfeld schieben.
Den Puls runter bringen und zu Ruhe kommen, das wird helfen. Tatsächlich wird meine Sicht wieder klarer. Kreislaufprobleme gehören mitlerweile zu meinem Alltag und ich habe gelernt damit umzugehen, damit es niemand merkt. Meistens klappt das auch ganz gut. Das ich heute nur einen Apfel gegessen habe, trägt natürlich nicht zu Verbesserung bei und doch will ich nichts daran ändern. Oder viel mehr schaffe ich es nicht alleine. Natürlich wünsche ich mir ein normales Leben, indem ich auch körperlich funktioniere und meinen Alltag ohne ständige Schwäche und Kreislaufprobleme bewältigen kann. Doch der Gedanke daran zu essen versetzt mich in Panik. Als der Bus einfährt, versuche ich nicht weiter drüber nachzudenken, sondern bereite mich Gedanklich auf das treffen mit Jimin und Jieun vor.

Gebrochen | TaekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt