Es ist jetzt 13 Uhr und auf die Minute genau, zu Beginn der Besuchszeit, klopft es an der Tür. Taehyungs Eltern, als auch seine beiden Freunde, treten nun durch diese in unseren Raum.
“Wow, geräumig”, staunt Jimin und beginnt augenblicklich zu lächeln, als er uns sieht. Ich bin mittlerweile zwar etwas von Taehyung weggerutscht, liege aber immer noch mehr auf seinem, als auf meinem Bett.
Wir sitzen kurz alle beisammen und unterhalten uns. Dann beginnen Taehyungs Eltern, die große Tasche, die sie bei sich hatten, auszuräumen. Sie haben Taehyung noch allerlei Sachen mitgebracht und bringen diese jetzt im Zimmer unter.
“Sag mal”, ist es jetzt Taehyung, der sich Jimin zuwendet.
“Wie läuft es eigentlich mit dir und Yoongi?”
Jimin lächelt daraufhin breit und gibt zur Antwort: “Wir sehen uns fast täglich und es läuft gut. Ehrlich gesagt tut er mir wirklich gut und ja, was soll ich sagen, er ist mir richtig ans Herz gewachsen.”
“Das freut mich”, lächelt Taehyung. “Du kannst ihn bald auch gerne mal mitbringen, wenn er mag.”
“Das werde ich”, sagt Jimin, “sobald du das Gröbste hinter dir hast und es dir wieder etwas besser geht.”
"Oh, und wer ist das?” Jimin hat jetzt den Tiger entdeckt und setzt ihn sich auf den Schoß.
“Das ist Tiger”, sagt Tahehung, "den habe ich von Jungkookie bekommen.”
"Kreativ", gibt Jimin zurück, aber lächelt dabei sanft und lässt seine Augen kurz zwischen Taehyung und mir hin und her wandern.Um 14 Uhr kommen dann zwei Ärzte und Taehyung bekommt seine erste Chemotherapie. Da diese nur kurzzeitig stattfindet, wird ihm das ganze Venös über seine Armvene verabreicht.
Während er nun also in seinem Bett liegt und die Medikamente langsam in seinen Körper fließen, sitzen wir anderen an seiner Seite und unterhalten uns. Jimin hat es sich neben mir auf meinem Bett gemütlich gemacht.
Unser Gespräch ist entspannt und wir blödeln viel herum. Auch Taehyungs Eltern wirken mittlerweile etwas gelöster. Es hilft aber auch mit der ganzen Situation besser umgehen zu können und das Wichtigste, wir wissen auch, dass es für Taehyung einfacher ist, wenn er uns glücklich und ausgelassen erlebt, als permanent bedrückt und besorgt.Zum Nachmittag hin sind es Taehyungs Eltern, die sich als erstes verabschieden. Nachdem Taehyung immer leiser wird und sichtlich erschöpft ist, gehen schließlich auch Jimin und Jieun und wir beide bleiben alleine im Zimmer zurück. Lediglich Pflegekräfte kommen ab und zu hinein, um sich zu erkundigen, ob alles gut verläuft.
Nach etwas über 3 Stunden ist der Beutel mit den Medikamenten leer und Taehyung wird von dem Schlauch befreit, der mit dem Zugang an seinem Arm verbunden war.
“Wie fühlst du dich?”, frage ich ihn und Taehyung sieht mich erschöpft lächelnd an.
“Ganz gut, nicht wesentlich anders als noch vor ein paar Stunden, aber es ist anstrengend, wenn alle da sind. Nicht falsch verstehen, ich freue mich sehr darüber, aber gleichzeitig bin ich danach immer so erschöpft.”
“Tae?”, frage ich dann, “Hast du dolle Schmerzen?"
Taehyung hat in den Tagen, seitdem er wach ist, sich nie wirklich dazu geäußert. Hin und wieder habe ich nur gesehen, dass ein Beutel am Tropf hing, das wohl ein Schmerzmittel war. Ich sehe aber hin und wieder in seiner Mimik, dass er Schmerzen haben muss.
Ich rede weiter: "Du musst nichts verstecken, ich habe allerdings das Gefühl, dass du für uns versuchst, stark zu bleiben.”
Taehyung seufzt: “Um ehrlich zu sein, ja. Sobald ihr aber immer bei mir wart, konnte ich etwas besser damit umgehen. Die beiden letzten Nächte waren aber nicht so schön.”
Es tut weh, das zu hören, auch wenn das zu erwarten ist, nachdem er solche Verletzungen erlitten hat. Aber irgendwie versucht man im Alltag all diese Sorgen von sich zu schieben und zu verdrängen und Taehyung scheint sehr gut darin zu sein, andere über seinen eigentlichen Gesundheitszustand hinweg zu täuschen.
Ich kann es mir auch noch immer nicht vorstellen, wie er es trotz seiner schlechten körperlichen Verfassung geschafft hat, solange sein Alltag zu bewältigen. Ich habe damals, als ich ihn das erste Mal in der Kita von Ahri getroffen habe, nichts angemerkt. Abgesehen davon, dass er wirklich ungesund Dünn war, wirkte er so positiv.
Und als ich ihn dann ohnmächtig in der Kita fand und ihn hochgehoben habe, wurde mir das alles erst so richtig bewusst. Für seine Größe war er so leicht. Und auch Ahri hat mir immer wieder erzählt, wie oft es ihm nicht gut geht. Ich hatte das ganze erst als kindliche Übertreibung oder sowas abgetan, doch da realisierte ich, dass es wirklich ernst war.
Trotzdem überspielte er immer alles.
“Jungkook?”, reißt mich Taehyung aus meinen Gedanken.
“Ich bin einfach froh darüber, dass du bei mir bist und ich fürchte die Nächte jetzt nicht mehr so.”
Seine Worte bringen mich zum Lächeln.
“Und ich muss dir was gestehen”, sagt Taehyung nun, “Ich hab mir alle Musikvideos von The Sinners angesehen und oh mein Gott Jungkook, du warst einfach so niedlich.”
Ich habe mir schon einen kleinen Moment Sorgen gemacht, aber jetzt sehe ich ihn gespielt empört an und sage: "Niedlich?!" Taehyung nimmt mein Gesicht in seine Hände und drückt meine Wangen zusammen, sodass ich jetzt einen Schmollmund mache.
“Ehrlich gesagt, bist du's auch jetzt noch.”
Während Taehyung da so neben mir liegt und das sagt, wirkt er so losgelöst und strahlt.
Ich muss automatisch auch lächeln und Taehyung fängt dabei an zu lachen, da das unter diesen Umständen wohl ziemlich albern aussieht.
Sofort aber hält er sich die Seiten und zischt ein wenig, trotzdem verliert er nicht sein Lächeln.
Ich bin jetzt trotzdem besorgt. "Geht's?", sage ich, und Taehyung nickt.
Dann spricht er wieder weiter:
“Aber mal im Ernst, du bist einfach so talentiert. Deine Stimme ist einfach unglaublich, du bist ein richtig guter Tänzer, bist zum Anbeißen niedlich und gleichzeitig total heiß.”
Ich fühle mich wirklich geschmeichelt und wären unsere Umstände gerade anders, dann würde ich jetzt viele jugendfreie Sachen mit ihm machen. Stattdessen lasse ich mich zu ihm hinunter sinken und gebe ihm einen sanften Kuss.
Dann löse ich ihn wieder und sehe Taehyung an: “Danke, war aber auch ne Menge harte Arbeit.”
“Du warst auch noch so jung, als ihr Debütiert habt, das muss doch auch irgendwie total belastend sein? Wenn ich mir vorstelle, ich hätte mit 14 plötzlich in der Öffentlichkeit gestanden, dann die ganze Arbeit und der ganze Druck… .”
"Ja, das stimmt schon”, sage ich, “aber ich glaube, es hat sich immer gut ausgeglichen, mit den schönen Momenten. Den Auftritten, den Kontakt zu den Fans…, ich denke gerne daran zurück.”
“Vermisst du das manchmal?”, fragt mich Taehyung jetzt zögerlich und ich muss kurz über meine Antwort nachdenken.
“Hmmm, Ja und Nein. Ich denke gerne an das Gefühl zurück, auf großen Bühnen gestanden zu haben, es war wirklich unglaublich. Besonders an Konzerte denke ich gerne zurück. Man steht auf der Bühne, lässt sich von den Menschenmengen feiern, für das, was man so liebt. Doch leider bringt es auch so viele negative Seiten mit sich und eine dieser negativen Seiten, musste ich am eigenen Leib erfahren."
Taehyung streicht mir, während ich erzähle, über meinen Arm
Ich habe oft versucht, meine aufkommenden Gedanken über meine damalige Karriere abzublocken und wegzudrücken. Gerade tut es mir aber richtig gut daran zurückzudenken. Ich bin weniger wehmütig als sonst.
“Aber”, setze ich an und spreche weiter, “am Ende hat mich diese Erfahrung zu den gemacht, der ich jetzt bin. Ich habe viel dazugelernt, vor allem, dass mir die Meinungen anderer am Arsch vorbeigehen.”
“Weißt du”, rede ich weiter, “unsere Gesellschaft ist oft sehr unfair und toxisch und wenn du auch noch in der Öffentlichkeit stehst, dann kannst du jederzeit bei einem vermeintlichen Fehltritt zum Opfer werden. Ich bin froh, dass ich das alles hinter mir gelassen habe und das, was einige Medien oder Personengruppen noch immer meinen, über mich schreiben zu müssen, berührt mich nicht mehr.”
“Das ist bewundernswert, welche Stärke du aus all dem ziehen konntest”, flüstert Taehyung jetzt.
“Ich kann mir das gar nicht ausmalen, wie es sein muss, so erfolgreich zu sein und dann alles zu verlieren und das ganze nur, weil man verliebt ist und diese Liebe nicht sein darf. Und dann ist es auch noch die Person die man liebt, die, die einem in den Rücken fällt und einfach fallen lässt.”
Taehyung wirkt traurig, als er das sagt.
Ich sehe ihn an und drehe seinen Kopf leicht in meine Richtung, damit er mich ansehen kann, dabei lächel ich leicht.
“Das ist okay, wie ich bereits gesagt habe, es hat mich am Ende stärker gemacht.” Dann seufze ich.
“Tae, weißt du, es gibt viele Menschen da draußen, die es mit einem nicht gut meinen. Das Wichtigste ist, sich am Ende davon abzugrenzen und zu verstehen, dass all das die Probleme dieser Menschen sind. Meistens haben sie selber Probleme, sind unzufrieden oder voller Selbstzweifel. Eigentlich völlig egal, was es ist, man sollte ihre Probleme nicht zu seinen werden lassen, indem man sich von ihnen verletzen lässt und beginnt, sich selbst als das Problem zu sehen.”
“Ich hoffe, ich schaffe es auch irgendwann..., so zu denken, meine ich”, sagt Taehyung leise.
“Das wirst du”, sage ich und küsste ihn ein weiteres Mal.
Dann denke ich kurz nach und sage:” Damals bin ich ja als Flucht zum Militär gegangen. Ich wusste noch nicht, wie ich mit all dem umgehen sollte und das schien mir als gute Option, vor allem dem ganzen Medienrummel zu entkommen und aus der Öffentlichkeit unterzutauchen. Ich habe in dieser Zeit viel über mich gelernt, doch leider habe ich mich wieder verliebt. Es war auch noch ein Offizier, der über mir stand. Die Beziehung zwischen uns ging über zwei Jahre. Er hat mir immer wieder versprochen, dass er eines Tages zu mir stehen wird und wir gemeinsam das Militär hinter uns lassen werden, um dann endlich auch eine richtige Beziehung zu führen. Ich fand jedoch heraus, dass er in einer Beziehung mit einer Frau war und sogar ein Kind mit ihr hatte. Er schaffte es trotzdem, mich davon zu überzeugen, dass ihm das alles nichts bedeute und er seine kleine Familie nur als Schein für seine Eltern habe, denen das Ansehen der eigenen Familie sehr wichtig war. Und ja, das Ende von Lied, er hat sie geheiratet und wollte mich weiter heimlich im Hintergrund halten. Ich habe dann die Basis gewechselt und habe echt lange gebraucht, um über ihn hinwegzukommen. Danach habe ich mir geschworen nie wieder eine Beziehung einzugehen. Ich habe wirklich angefangen zu denken, dass es am Ende immer darauf hinauslaufen wird, dass Menschen unehrlich sind und man nur verletzt wird."
Taehyung hebt jetzt leicht seinen Kopf, den er auf meiner Schulter abgelegt hat und sieht mich an: ”Glaubst du das immer noch?".
In seinem Gesicht liegt so viel Traurigkeit. Ich schenke ihm ein kleines lächeln, als ich weiter rede.
“Bis vor kurzem habe ich das irgendwie, ja. Was ich am Ende meiner Militärzeit mitgenommen habe, war, dass ich angefangen habe, mich und meine Bedürfnisse ernster zu nehmen. Ich habe gelernt, mich selber mehr zu schätzen und auch, dass es genug ist, solange ich mich selbst liebe. Gleichzeitig habe ich angefangen, Menschen von mir zu stoßen, sobald ich merkte, dass sie an mir auf romantische Weise interessiert sind. Und dann habe ich dich kennengelernt.”
Ich sehe Taehyung an und versuche, so viel Liebe wie möglich in meinen Blick zu legen.
“Du hast das geschafft, was ich nicht mehr für möglich gehalten habe”, sage ich sanft, "nämlich, dass ich wieder vertraue. Du hast irgendetwas in mir erreicht und es fühlt sich mittlerweile schon so an, als wäre der Jungkook vor ein paar Tagen bereits ein anderer, als der, der ich jetzt bin, zumindest in Teilen."
Taehyung lächelt und seine Augen sind glasig. Er sieht sehr erschöpft aus und ich halte es für besser, ihm jetzt ein wenig Ruhe zu gönnen.
Ich drehe mich auf die Seite, dabei ruht Taehyungs Kopf noch immer auf meiner Schulter. Ich drücke ihm einen Kuss auf die Stirn und flüster: "Ruh dich ein wenig aus, brauchst du noch Schmerzmittel?"
Taehyung schüttelt leicht den Kopf und sagt dann leise: "Danke, dass du mir das alles erzählt hast.”
Er schließt seine Augen und ich lausche seinen ruhigen Atemzügen.
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Gebrochen | Taekook
FanfictionTaehyung stand mit beiden Beinen im Leben, eine Wohnung, einen Job. Doch wie soll man alles schaffen und aufrechterhalten, wenn man nicht in die Gesellschaft hineinpasst? Wenn man den Anforderungen nicht gerecht werden kann? Das einzige, worin er no...