Kapitel 40

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Punkt 8 Uhr betrete ich am nächsten Morgen Taehyungs Zimmer. Ich habe diese Nacht zwar besser geschlafen, trotzdem bin ich schon über zwei Stunden wach und habe darauf gewartet, endlich zu ihm zu können. 
Taehyung liegt leicht aufrecht im Bett, in den Händen eine Schnabeltasse, die er jetzt von seinem Mund weg bewegt und zur Seite stellt, als er mich sieht. 
“Hey”, sagen wir im Einklang und ich gehe schnellen schrittes zum Bett und ziehe ihn in eine Umarmung.
“Wow, Tae, es ist so schön zu sehen, dass es dir besser geht”, sage ich und lasse meinen Blick einmal über sein Gesicht wandern. Dann lege ich meine Hände darum und ziehe ihn zu mir heran, um ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen zu geben. 
“Wie fühlst du dich Tae?”, frage ich ihn.
Zu sehen, dass er wieder so munter ist und nicht einmal mehr eine Beatmungsmaske braucht, ist unbeschreiblich schön. 
“Ganz gut”, krächzt Taehyung. Seine Stimme ist rau und kratzig. Vermutlich liegt es daran, dass er mehrere Tage mit einem Schlauch beatmet wurde.
“Es tut mir leid, dass ich euch wieder solche Sorgen bereitet habe”, fügt er dann noch hinzu und senkt seinen Blick.
“Ich wusste ja nicht, dass es am Ende alles so schlimm wird.” 
Ich seufze und hebe dann sein Gesicht an, sodass er mich wieder anguckt.
“Bitte, du musst dich dafür nicht entschuldigen. Niemand hätte damit rechnen können. Aber bitte tu dir selbst und uns allen den Gefallen und verschweige nichts mehr, was deine Gesundheit betrifft, okay?”
Er nickt und ich wechsel das Thema. 
“Egal jetzt, die letzten Tage waren so schwer für mich, du weißt gar nicht wie viel mir das hier gerade bedeutet.”
Nach diesen Worten legt sich wieder ein Lächeln auf Taehyungs Gesicht. 
“Ich liebe dich, Jungkookie, danke, das du immer für mich da bist.”
Ich erwidere sein Lächeln und ziehe ihn nochmal an mich heran, um ihn erneut zu küssen.

“Ihre Werte sind gut und es spricht nichts dagegen, dass sie wieder zurück mit ihrem Partner aufs Zimmer können”, sagt die Ärztin an Taehyung gewandt und schenkt dann auch mir ein Lächeln. 
Ein uns bekanntes Gesicht, nämlich der Krankenpfleger aus unserer Station, betritt nur kurze Zeit später das Zimmer und hilft dabei, Taehyung in den Rollstuhl zu setzen.
Tae sieht jetzt irgendwie noch dünner aus als vorher und seine Bewegungen wirken steif und zittrig. Vermutlich wird es nun wieder einige Zeit dauern, bis er wieder richtig gehen kann, vor allem da er ja nur mit  Krücken laufen kann. Dieser Umstand wird die Genesung noch weiter in die Länge ziehen…
Aber das ist mir egal, solange wir zusammen sind und es Taehyung gut geht, ist es okay für mich, noch einige Wochen hier verbringen zu müssen. Ich bleibe so lange, wie es nötig ist und wie Taehyung es braucht. Unsere Wohnung kann warten und die Zeit außerhalb der Klinik wird eh kommen.
Als wir auf unserem Zimmer ankommen, warten dort schon Taehyungs Eltern auf uns und auch Jimin ist da. 
Es macht mich glücklich zu sehen, wie sehr sie sich freuen. 
Taehyung kann noch nicht so viel reden, man merkt, dass es ihn anstrengt und nach zu langem Reden seine Stimme leicht versagt. 
Daher nehmen wir Rücksicht und stellen nicht zu viele Fragen oder erwarten lange ausführliche Antworten.
Wir alle sind einfach nur froh, dass Taehyung wieder auf dem Weg der Besserung ist und er jetzt gemeinsam hier mit uns sitzen kann und dabei lächelt.
Mir fallen allerdings seine besorgten Blicke auf, die immer wieder auf meine wunden Hände fallen. Einmal hat er nach meiner Hand gegriffen und sie in seine geschlossen. 
Er sagte jedoch nichts dazu. Vermutlich wartet er, bis wir wieder allein sind, denke ich.

Am späten Nachmittag ist es dann soweit und wir sind wieder alleine. Taehyung liegt im Bett und ich schlüpfe jetzt mit unter seine Decke und rutsche an ihn heran. 
Ich weis was jetzt kommt und schon spüre ich, wie Taehyung seine Finger sanft über die abheilenden Wunden an meinen Fingerknöcheln gleiten lässt.
“Was ist passiert?” fragt er leise und hebt dann seinen Blick, um mich anzusehen. 
In seinem Gesicht liegt jetzt so viel Sorge. 
Ich hole einmal tief Luft und setze dann wieder ein leichtes Lächeln auf.
“Vielleicht war ich in letzter Zeit auch nicht immer ehrlich oder habe meine Gefühle etwas heruntergespielt." 
Während ich rede, halte ich den Blickkontakt zu Taehyung aufrecht.
“Taehyung, ich würde wirklich alles für dich tun und du bist für mich das Wichtigste überhaupt, daher habe ich mich und meine Bedürfnisse nicht mehr allzu ernst genommen und alles hinten angestellt. Ich wollte weder dich noch unsere Freunde zusätzlich belasten, also habe ich versucht, das meiste mit mir selbst auszumachen.”
Taehyungs Augen füllen sich mit Tränen und ich intensiviere mein Lächeln und küsse ihn einmal auf seine Nasenspitze.
“Als es dir dann plötzlich wieder so schlecht ging und du auf die Intensivstation gekommen bist, da…” 
Ich muss schlucken, alleine jetzt daran zu denken und mich nochmals in meine derzeitige Situation hinein zu fühlen, schnürt mir die Kehle zu.
“Ich hab einfach die Nerven verloren, mir war das alles zu viel und ich wusste mir nicht mehr zu helfen, mit all den angestauten Emotionen in mir umzugehen.”
Ich flüstere zum Ende hin. Tränen sammeln sich in meinen Augen und ich bin überrascht, dass mich das gerade alles so mitnimmt.
Ich lasse die Luft aus meinen Lungen entweichen und versuche, mit aller Macht die Tränen zurückzuhalten. Doch als ich spüre, wie Taehyung mich sanft in seine Arme schließt, bricht alles aus mir heraus und ich fange bitterlich an zu weinen.
Ich klammere mich regelrecht an ihn, als wäre er mein Rettungsanker, an dem ich jetzt festhalten muss, um nicht zu ertrinken. 
Meine ganzen Emotionen der letzten Wochen überrollen mich. Ich weis nicht, wann ich das letzte Mal so sehr weinen musste…
Irgendwann kehrt in mir eine Ruhe ein, wie ich sie schon lange nicht mehr gespürt habe. Ich liege noch immer in seinen Armen. Ich bin unglaublich erschöpft und müde. Trotzdem fühle ich mich jetzt so befreit. Ich spüre Taehyungs sanfte Berührungen auf meinem Rücken und ich schließe langsam die Augen. Ich möchte jetzt einfach nur noch schlafen. Und dieser Wunsch wird mir auch schnell gewährt und ich falle in einen tiefen Schlaf.

Gebrochen | TaekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt