Als wir die Intensivstation verlassen, verabschieden wir uns von Taehyungs Eltern, die noch mit den Ärzten reden wollen.
Sie werden uns über die neuesten Informationen informieren. Damit wir sie alle erhalten, haben wir unsere Nummern getauscht und ich befinde mich nun in einem Chat mit Taehyungs Eltern und seinen besten Freunden. So als wäre ich ein Teil seines engsten Kreises... .
Ehrlich gesagt fühle ich mich geehrt, dass sie mir scheinbar so viel vertrauen und mich so einbinden. Doch habe ich das überhaupt verdient? Vielleicht will Taehyungs das gar nicht und wenn er wieder aufwacht, wünscht er mich zum Teufel.
Innerlich haue ich mir bei dem Gedanken eine rein. Schluss! Das ist alles nur in meinem Kopf und nach unseren letzten Begegnungen wird er das bestimmt nicht tun. So von ihm zu denken, ist ihm gegenüber nicht fair und schon gar nicht in seiner Situation.
Als wir im Eingangsbereich ankommen, steht dort Namjoon. Yoongi ist ebenfalls an seiner Seite. Beide kommen auf uns zu und Namjoon schließt mich in seine Arme.
"Das tut mir alles so schrecklich leid, was passiert ist", flüstert mir dieser zu. Ich nicke nur. Ich fühle mich erschöpft. Dann spüre ich Yoongis Hand auf meinem Rücken und er schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln und sagt: "Das wird schon wieder Cookie, wir sind immer da, wenn du uns brauchst."
"Danke", sage ich leise.
Wir stehen alle etwas verloren da, als Namjoon die Stille durchbricht. "Wie wäre es, wenn wir irgendwo hinfahren und etwas essen? Oder wir fahren zu mir und ich werde etwas bestellen. Dann können wir darüber reden."
Dabei wandert sein Blick vor allem zu mir und Jimin. Dieser ist auch der erste, der sich zu Namjoons Vorschlag äußert: "Ehrlich gesagt würde ich das jetzt wirklich gerne. Ich bin dafür, dass wir zu dir fahren, ich brauche es jetzt etwas ruhiger."
Jieun und ich nicken und dann verlassen wir die Klinik.Es ist ein schöner, sonniger Herbstnachmittag. Das Wetter passt nicht zu dem Grauen, was sich heute abgespielt hat und auch das Leben außerhalb der Klinik geht weiter, als wäre nie etwas passiert.
Die Autofahrt verläuft überwiegend schweigend, bis Jimin die Stille durchbricht und das äußert, was mir vorhin durch den Kopf ging.
"Das war bestimmt Shiwon. Wem zum Teufel, würde er sonst in seine Wohnung lassen, der einen Grund hätte ihn umzubringen?!"
Jimin lehnt seinen Kopf gegen die Kopflehne und fährt sich mit einer Hand durch seine Haare, dann spricht er weiter: "Wisst ihr, Tae hat sich erst vor ein paar Tagen Jieun und mir gegenüber geöffnet. Er hat davon erzählt, das Shiwon ihm gegenüber gewalttätig war, er hat ihn zwar überwiegend emotional misshandelt, aber er wurde auch grob." "Scheiße, ich hätte das ernster nehmen müssen."
"Jimin", antwortet jetzt Jieun, "Wir hätten doch nicht damit rechnen können."
"Jieun hat recht", sagt jetzt auch Namjoon an Jimin gewandt. "Selbst wenn, was hättet ihr tun wollen? Wer weis ob die Tat überhaupt verhindert hätte werden können. Wir sollten jetzt eh erstmal abwarten, was die Untersuchungen ergeben. Habt ihr denn der Polizei von Shiwon erzählt?"
"Ja", sagt Jimin. "Sie haben nach Verdächtigen gefragt."
Ich koche innerlich und ich muss mich sehr zurückhalten, jetzt nicht zu fragen, wo dieser Typ wohnt.
Nicht weil ich ein Problem damit habe, jetzt auf der Stelle dorthin zu fahren und mich selbst um den Typen zu kümmern, sondern weil ich weis das meine Freunde mir einen Vogel zeigen werden.
Wenn der mir irgendwann über den Weg läuft, kann ich für nichts garantieren.
"Jungkook", Namjoon guckt kurz zu mir herüber, ehe er wieder auf die Straße blickt. "Geben wir dem ganzen Ermittlungen Zeit, die kriegen ihn schon ran und wenn nicht, dann mischen wir uns eben ein." Jetzt bin ich es, der ihn völlig perplex anguckt, dann muss ich grinsen. "Darauf kannst du Wetten".Bei Namjoon angekommen, sitzen wir jetzt alle gemeinsam an seinem Esstisch. Auf dem Tisch in Schälchen verteilt, steht unser Essen. Ich bemerke jetzt erst, wie hungrig ich eigentlich bin. Ich habe den ganzen Tag nichts gegessen und auch keinen Gedanken daran verschwendet, doch jetzt merke ich, wie mich der Hunger überkommt.
Wir wünschen uns allen einen guten Appetit und beginnen mit dem Essen.
Es fühlt sich alles so komisch an. Während wir hier sitzen und unser Leben weitergeht, wurde Tae einfach so aus seinem normalen Leben gerissen.
Dieses eklige Gefühl der Trauer, das sich um mein Herz gelegt hat und dort schwer lastet, ist kaum auszuhalten.
Plötzlich fühlt es sich so an, als würde mir mein Essen im Halse stecken bleiben. Ich sehe ihn wieder vor mir, wie er dort in der Wohnung liegt und mir wird schlecht. Langsam lasse ich die Stäbchen wieder sinken. Und atme einmal tief durch.
"Siehst du es auch immer wieder vor dir?", höre ich Jimins leise Stimme sagen und ich weis sofort, dass er mich meint und sehe ihn an. "Die Bilder meine ich?", fügt er hinzu.
Ich nicke. Dann fahre ich mir mit meinen Händen über das Gesicht und atme einmal tief durch. Dann sehe ich zu Jimin und sage mit brüchiger Stimme:
"Ich glaube, das Schlimmste daran, ihn so vorgefunden zu haben, ist die Ungewissheit, ihn wieder vollkommen genesen zu sehen. Was ist, wenn er es doch nicht schafft?Dann sind diese Erinnerungen die einzigen, die bleiben, ohne dass man sie mit weiteren schönen überdecken kann."
Ich schlucke. Es fällt mir schwer,nicht in Tränen auszubrechen.
Oh Gott, gerade fühlt es sich so an, als könne ich mit all den negativen Gefühlen, die sich in mir stauen, nicht lange überleben.
"Ich weis", sagt Jimin, "ich fühle mich genauso."
Ich fühle mich irgendwie schlecht. Jimin, sowie Jieun kennen Taehyung bereits so lange. Ich habe mich zwar in ihn verliebt und das ziemlich schnell, jedoch kenne ich ihn kaum. Ist es nicht unfair, mich jetzt genauso verletzt darzustellen, als wären wir schon lange ein Paar?
"Es tut mir leid", flüstere ich nach meinen Gedankengängen.
"Ich kenne ihn erst so kurz und ihr beide", damit sehe ich zu Jieun und Jimin, "habt schon so viele Jahre miteinander verbracht."
Eine Träne löst sich aus meinen Augen und ich wische mir übers Gesicht.
"Es ist nur so, dass er es so schnell geschafft hat, mein Herz zu erobern..." Ich schniefe. Dann muss ich etwas lachen.
Ich weis auch nicht warum, es ist vielmehr ein Lachen, das all meinen Frust und diese Ironie der ganzen Situation widerspiegelt.
"Tja, ich habe mich niemals wieder verlieben wollen, aus Angst, wieder verletzt zu werden," rede ich weiter. "Jetzt habe ich mich wieder verliebt und versucht, Abstand zu gewinnen, um meine Gefühle einzudämmen und ich werde trotzdem verletzt."
"Jungkook?", sagt Jimin sanft, ehe er weiter spricht: "Glaubst du an Schicksal?".
Ich schaue ihn etwas skeptisch an und zucke nur mit meinen Schultern.
Eigentlich tue ich es nicht wirklich. Dann spricht Jimin weiter: "Mir hilft dieser Gedanke oft, besonders jetzt in dieser Situation. Vielleicht sollte es ja alles so sein und auch wenn das jetzt noch alles keinen Sinn ergibt, wer weis."
Er lächelt verträumt. "Vielleicht ist alles irgendwie vorbestimmt oder wird am Ende einen bestimmten Zweck erfüllen oder so."
Ich weiß nicht recht. Und was ist, wenn er sterben soll? Ich behalte diesen Gedanken für mich.
Es ist gut, dass es Jimin hilft, das ganze etwas besser zu verarbeiten, indem er so denkt. Als plötzlich mehrere Nachrichten Töne erklingen, holen Jieun, Jimin und ich unsere Handys hervor.
Eine Sprachnachricht von Taes Mutter! Jimin blickt einmal in die Runde. Es ist, als ob alle die Luft anhalten und mich überkommt augenblicklich Panik.
Dann drückt er auf abspielen und wir lauschen alle der Stimme von Taehyungs Mutter: "Hallo, es gibt bereits Neuigkeiten, ich habe eben mit der Polizei gesprochen und sie haben mir Mitgeteilt, das Shiwon als Hauptverdächtiger gilt. Denn Sie....Sie konnten weder Einbruchspuren feststellen noch irgendwelche Ursachen, die auf einen Unfall hätten schließen lassen. Es handelt sich also auf jeden Fall um ein ....Gewaltverbrechen. Außerdem hat ihn wohl ein Nachbar gesehen und zwei Passanten. Sie haben ihn bereits festnehmen können und er wird zur Zeit verhört."
Eine kurze Pause entsteht und man hört Taehyungs Mutter ausatmen, ihre Stimme wirkt brüchig und es scheint ihr viele Anstrengungen zu kosten zu sprechen.
"Taehyungs Zustand ist derzeit auch weiterhin stabil. Sie sind immer noch dabei, ihn zu untersuchen. Ich bin etwas besorgt, weil... Ach, ich weis auch nicht, jedenfalls was wir bereits von den Ärzten erfahren haben ist, dass er drei Rippenbrüche hat, innere Quetschungen, Verletzungen an den inneren Organen.
Das Wesentliche ist aber, dass er gewürgt wurde. Die Ärzte sagten, dass er wohl längere Zeit kaum Sauerstoff bekommen hat. Bisher sieht es zwar so aus, als würden keine Spätfolgen bleiben, aber ganz können sie es noch nicht ausschließen.Und... ja und naja sein Körper ist allgemein sehr unterernährt und ... ."
Wieder entsteht eine Pause, ehe sie weiter spricht: ".... sie sagten, dass dieser Umstand seine Genesung gefährden könnte oder in die Länge ziehen kann. Aber wie gesagt, bis jetzt sieht alles gut aus."
Dann endet die Nachricht.
Ich habe während dieser Nachricht so viele verschiedene Gefühle durchlebt und ich weis nicht, ob ich mich freuen oder weinen soll.
Namjoon ergreift als erster das Wort und sagt: "Okay, das erste durchaus positive ist, dass sie diesen Dreckskerl haben! Und ich finde den Gedanken schön, den du geäußert hast, Jimin, mit dem Schicksal." spricht Namjoon weiter. "Dass Taehyung trotz seiner schlechten körperlichen Verfassung diesen Angriff überlebt hat, kann einfach kein Zufall sein. Und vielleicht kann er am Ende das Krankenhaus wieder gesund verlassen und bekommt die Hilfe, die er schon so lange dringend gebraucht hätte."
Mir gefällt der Gedanke und so gesehen lässt sich das Geschehene etwas besser verkraften.
"Danke Namjoon", sagt jetzt Jieun, "Ich glaube, diese Worte haben wir jetzt alle gebraucht und ich glaube ganz fest daran!"
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Gebrochen | Taekook
Fiksi PenggemarTaehyung stand mit beiden Beinen im Leben, eine Wohnung, einen Job. Doch wie soll man alles schaffen und aufrechterhalten, wenn man nicht in die Gesellschaft hineinpasst? Wenn man den Anforderungen nicht gerecht werden kann? Das einzige, worin er no...