Spannungen

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Der Rücksitz der alten Schrottkiste erweist sich als bequemer, als ich dachte, und das stetige Geräusch des Motors bringt eine Ruhe in die Gruppe, die es mir zum ersten Mal ermöglicht, einen klaren Gedanken zu fassen.
Was zum Teufel tue ich hier? Ich sitze in einem Auto mit zwei Pogues und fahre Gott weiß wohin, während mein Bruder sich vermutlich Sorgen um mich macht. Mir wird fast schlecht bei dem Gedanken an all die fragwürdigen Entscheidungen, die ich in den letzten Stunden getroffen habe. Vielleicht liegt es daran, dass ich langsam nüchtern werde, aber ich muss hier raus.
Ich lehne mich nach vorne und klopfe JJ auf die Schulter. Erwartungsvoll blickt er mich an. „Ich...", meine Stimme klingt unsicher, doch ich zwinge mich weiterzureden. „Ich muss hier raus, ich muss nach Hause."

John B und JJ tauschen einen skeptischen Blick aus, bevor JJ mir ein mildes Lächeln schenkt.

„Natürlich, wir bringen dich nach Hause."
Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber ich glaube, einen Hauch von Wehmut in seiner Stimme zu hören. Haben ihm die letzten Stunden etwas bedeutet? Haben sie mir etwas bedeutet?

John B, der die ganze Fahrt über sehr ruhig und fokussiert war, wendet den Wagen und fährt in Richtung Figure Eight - dem Teil der Insel, der den Kooks gehört. Schweigend fahren wir über die Brücke, die Figure Eight vom Rest der Insel trennt, während ich die Landschaft durch das verdreckte Fenster betrachte. Einige Bäume sind umgestürzt, aber die meisten Häuser scheinen unversehrt. Was dieses Erdbeben wohl alles ans Licht gebracht hat? Was John B wohl Wertvolles gefunden hat? Ich werde es wohl nie erfahren. Es geht mich nichts an, ich bin eine Kook.

John B parkt den Wagen in der Auffahrt meines Hauses, und ich bedanke mich leise, ehe ich aussteige.

Ich bin keine zwei Meter entfernt, als ich JJs Stimme hinter mir höre.

Ich drehe mich um und blicke in das überraschte Gesicht des Jungen. Er hätte wohl nicht damit gerechnet, dass ich mich so schnell umdrehe.

„Danke", beginnt er. „Danke, dass du mir geholfen hast, und dass du mir zugehört hast."
Ich nicke leicht und greife nach seiner Hand.

„Hör zu, ich weiß nicht genau, was zwischen dir und deinem Dad passiert ist, aber ich werde es niemandem sagen."

„Keinem was sagen?" erklingt plötzlich die Stimme meines Bruders hinter mir. Schnell lasse ich JJs Hand los und falle in die Arme meines Bruders. Ich bin erleichtert, ihn zu sehen, wirklich erleichtert. Er schlingt seine Arme um mich, und ich kämpfe dagegen an, nicht loszuheulen.

„Wir haben uns Sorgen gemacht! Wo warst du? Ist das Blut auf deinem Kleid?"
Die Worte überschlagen sich, aber ich verstehe es - es würde mir genauso gehen.

Sein Blick wandert zu JJ, der angespannt mit geballten Fäusten dasteht.

„Was haben die beiden hier verloren?" In seiner Stimme liegt Verachtung und Spott - eine Charaktereigenschaft, die ich an Topper hasse.

„Sie war bei mir, die ganze Zeit, aber keine Sorge, ich hab mich gut um sie gekümmert", erwidert JJ, und der fast schon süße, schüchterne Junge ist verschwunden.

Die Spannung zwischen den Jungs ist beinahe greifbar, als John B sich zwischen sie stellt und die Situation entschärft. „JJ, lass uns gehen. Er ist es nicht wert", sagt er und drückt JJ an den Schultern in Richtung Wagen.

Widerwillig geht JJ zum Wagen und steigt ein. Ich danke John B innerlich dafür und bin froh, dass es zu keiner Auseinandersetzung kam. Doch die Freude hält nicht lange, denn JJ hält den Mittelfinger aus dem Fenster, als sie an uns vorbeifahren.

Ich blicke zu Topper, der mich keines Blickes würdigt und ins Haus stürmt, mich einfach zurücklässt.

Wie konnte all das nur in einer Nacht passieren?

Stupid things have good outcomes all the timeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt