Alte und neue Wunden

31 2 0
                                    

Das laute Klingeln von Rafes Handy holt mich aus meinem Traum und wirft mich zurück in die Realität.

Ich brauche ein paar Sekunden, um mich wieder an alles zu erinnern. Meine Mom hat mich endgültig verstoßen, JJ hat mich belogen, und ich bin hier. Bei Rafe.

Mit müder Stimme geht er ans Handy. „Sara? Ist alles okay?“

Ich blicke zu ihm, versuche in seinem Gesicht irgendetwas zu erahnen.

„Ähm, nein, Laura ist hier bei mir. Ich weiß nicht, wo JJ ist,“ sagt er unsicher und blickt besorgt zu mir.

Mit einer Geste gebe ich Rafe zu verstehen, dass er mir sein Handy reichen soll. Zögerlich gibt er es mir.

„Hey... Sara, ich bin’s.“

„Hey... geht es dir gut? Du warst gestern so plötzlich weg,“ fragt sie besorgt.

„Ja... ich und JJ, wir hatten einen schlimmen Streit, und meine Mom... na ja, meine Mom hat mich endgültig aufgegeben, also bin ich zu Rafe,“ erkläre ich hastig. Ich will unbedingt, dass sie weiß, dass Rafe meine letzte Wahl war.

„Oh... das tut mir leid. Ähm... also, das heißt, du weißt auch nicht, wo er ist?“

Ich beiße mir auf die Unterlippe. „Nein, ich weiß es nicht,“ gebe ich zu, und sofort plagen mich Schuldgefühle. Was, wenn ihm etwas passiert ist? Was, wenn er sich etwas antut?

Wir verabschieden uns, und ich gebe Rafe das Telefon mit zitternden Händen zurück.

Schnell stehe ich auf und suche meine Sachen zusammen. „Warte, wo willst du hin?“ fragt Rafe alarmiert und greift nach meiner Hand.

„Ich muss ihn finden,“ sage ich und reiße mich los. Ich bin Rafe wirklich dankbar, aber ich muss wissen, ob es JJ gut geht.

Auch er zieht sich schnell an und greift nach seinen Autoschlüsseln.

Ich schüttle den Kopf und versuche, ihn aufzuhalten, doch er lässt sich nicht beirren. „Ich will dich nur fahren, ich mische mich nicht ein, ich schwöre es.“

Widerwillig stimme ich zu und steige mit Rafe in sein Auto. Vor ein paar Minuten lag ich noch träumend in seinen Armen, und jetzt ist alles wieder fort.

„Wohin soll ich dich bringen?“ fragt er mich, und ich gebe ihm die Adresse seines Vaters. Irgendetwas sagt mir, dass JJ nach Hause ist – um sich die Bestätigung zu holen, was für ein schlechter Mensch er ist.

Bei dem Gedanken wird mir übel.

Rafe fährt zum kleinen Anwesen mitten im Wald und blickt kritisch zu mir. „Hier wohnt er?“ fragt er hörbar überrascht und leicht spöttisch.

„Ja... leider. Ab hier komme ich alleine zurecht,“ sage ich und steige aus. Wenn Rafe wüsste, was sein Vater für ein Mensch ist, hätte er mich wohl nicht alleine gelassen, aber seine Anwesenheit wäre wie Öl ins Feuer.

Die Situation, hier vor diesem Haus, fühlt sich seltsam vertraut an. Nur bin ich diesmal allein und habe keine Ahnung, was mich erwartet.

„Mr. Maybank? JJ?“ rufe ich und gehe mit leisen Schritten zur Veranda. Meine Schritte werden schneller, als ich laute Geräusche von drinnen höre. Mein Herz droht mir aus der Brust zu springen, und als ich die Tür öffne, weiß ich auch, wieso.

JJ's Vater drückt JJ mit seinen Beinen zu Boden und schlägt immer wieder auf ihn ein. ,,ist das alles was du drauf hast” ruft JJ  provozieren. Es ist als wolle er das das passiert. Als hätte er nichts anderes verdient. Seinen blutigen Händen nach zu urteilen, hat JJ sich gewehrt, aber sein Vater hat die Oberhand.

Ich renne auf die beiden zu und versuche, seinen Vater von JJ wegzuziehen. „Stopp, Sie bringen ihn noch um!“ schreie ich und zerre an seiner Schulter. Mit einer Wucht schubst er mich zur Seite, ich verliere das Gleichgewicht und knalle gegen den Tisch.

Mir wird schwarz vor Augen, und ich fasse mir an die schmerzende Stelle am Hinterkopf.

Ich rapple mich erneut auf und gehe schwankend auf die beiden zu. Er wird ihn umbringen; er ist nicht bei Sinnen und wird nicht aufhören.

Ich greife nach einer leeren Bierflasche und schlage sie auf den Kopf seines Vaters. Augenblicklich kippt er zur Seite und hält sich schreiend seinen nun blutenden Hinterkopf.

Ich knie mich zu JJ und versuche, ihn vorsichtig auf die Beine zu ziehen. „Komm schon, wir müssen hier weg,“ flehe ich und kriege ihn gerade noch so auf die Beine.

Stolpernd und mit immer noch leicht verschwommener Sicht erreiche ich mit JJ die Veranda. Seine Wunde an der Hüfte blutet stark, und sein Gesicht ist voller Schrammen und Schnitte.

Ich helfe ihm die Treppe nach unten, als er mir in den Armen zusammensackt. Schnell greife ich nach meinem Handy und rufe John B an. Ohne zu zögern, versichert er mir, dass er so schnell wie möglich da ist.

„Laura,“ keucht JJ unter Schmerzen, und ich nehme seine Hand in meine. „Du blutest,“ sagt er, und ich fasse an die schmerzende Stelle an meinem Kopf.

Er hat recht, ich blute, doch das ist mir egal.

Stupid things have good outcomes all the timeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt