Fremde und doch geliebte

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Das laute Rufen einer mir bekannten Stimme lässt mich aus meinem Traum erwachen.
Ich stehe auf und blicke aus dem kleinen Fenster, nur um Rafe, Sara und Pope zu sehen.
„Laura? Laura, wo bist du?“ ruft Sara verzweifelt.
„Wir haben fast den ganzen Cut abgesucht. Sie ist bestimmt weg,“ sagt Pope ebenso verzweifelt.

Ich kann nicht anders als lächeln. Sie sind alle hier – wegen mir. Es könnte ihnen egal sein, wo ich bin, aber sie suchen nach mir. Und das mit echter Besorgnis.

Schnell renne ich auf die drei zu und falle Sara um den Hals, die dabei fast das Gleichgewicht verliert.

„Woahh,“ lacht sie und schlingt ihre Arme ebenfalls um mich. „Wir haben uns solche Sorgen gemacht. Tu das nie wieder,“ sagt Pope und schließt mich ebenfalls in seine Arme.

Ich blicke zu Rafe, der nur lächelnd dasteht, erleichtert, dass es mir gut geht. So geborgen wie jetzt gerade habe ich mich schon ewig nicht mehr gefühlt.

Wir lösen uns aus der Umarmung und setzen uns an den Steg. Ich erzähle ihnen alles. Wirklich alles.
Von meinem Streit mit JJ, von dem Geheimnis, das ich erfahren habe, von der Zurückweisung meiner Mom bis zur Konfrontation mit JJs Dad und der Tatsache, dass er mich nicht mehr sehen will.

„Warte, JJ hat jemanden umgebracht?“ fragt Sara schockiert, und ich nicke leicht.
Ich weiß, ich hätte es ihnen nicht sagen sollen, aber ich habe all diese Geheimnisse einfach satt.

„Und sein Dad hat ihn verprügelt?“ fragt Pope ebenso schockiert, und ich nicke erneut. „Warte... ihr habt ihn zu einem Tierarzt gebracht?“

Rafes Frage bringt mich zum Lachen. Für ihn ist das das Bizarrste an der Geschichte.
Ich erzähle ihm von Dr. Wilson und seiner Arbeit, was Rafe wohl etwas beruhigt.

„Ähm... wisst ihr, ob es ihm gut geht?“ frage ich fast schon verlegen. Man sollte meinen, dass ich ihn endgültig aufgegeben habe, aber so einfach ist es nicht.
Ich liebe ihn, leider immer noch so sehr, dass es weh tut.

„Naja... John B und er sind gestern Abend zurückgekehrt. Er sah echt übel aus und war sehr aufgewühlt. Als er mitbekommen hat, dass du nicht da bist und wir dich nicht erreichen konnten, ist er fast durchgedreht,“ erklärt Sara und blickt zu Pope.

„Ja... er wollte unbedingt mitkommen und dich suchen, aber John B und Kiara konnten ihn dazu bewegen, zu Hause zu bleiben.“

„Er wollte mich suchen?“ frage ich und halte mir meinen brummenden Schädel. Alle drei nicken, und ich blicke zu Rafe, der mich besorgt mustert.

Wir beschließen, die anderen nicht länger auf die Folter zu spannen, und fahren zu John B.
Ich brauche dringend eine Dusche und neue Kleidung. Außerdem würde mir etwas zu essen echt gut tun.
Mein Rücken schmerzt fürchterlich, mein Kopf brummt wie verrückt, und auch wenn ich Angst vor der Begegnung mit JJ habe, muss ich wirklich etwas essen.

Bei John B angekommen, gehe ich direkt in die Küche. Ich nehme mir ein Stück Brot und esse es genüsslich.

Dass das Essen mal so in den Hintergrund geraten würde, hätte ich nie gedacht.
Verschwitzt, dreckig und todmüde lehne ich mich an die Küchenzeile und genieße jeden Bissen.

Die anderen unterhalten sich draußen mit John B und Kiara. Von JJ keine Spur.

Nach dem vierten Stück Brot schleppe ich mich ins Badezimmer und stelle mich unter die warme Dusche. Es ist wie immer eine Wohltat.

Frisch geduscht und in neuen Kleidern gehe ich nach draußen zu den anderen. John B schließt mich in die Arme. Ich hätte erwartet, dass ich losweine, aber es fühlt sich so an, als wären keine Tränen mehr übrig.

Ich drehe mich und erblicke JJ. Er steht im Türrahmen. Sein Gesicht sieht schlimmer aus als gestern. Er kann sich nur mit Mühe auf den Beinen halten und stützt sich auf seinen Stock.

Ich bin wie versteinert. Unfähig, Worte zu finden, unfähig, mich zu bewegen.

Und so stehen wir da. Wie Fremde und doch Geliebte.

Stupid things have good outcomes all the timeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt