der Sturm

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Ich setze mich auf den Rand der Badewanne und versuche angestrengt, den Worten zu lauschen, die ich von draußen höre.

„John B, schön, dich zu sehen," höre ich Rafes Stimme, und mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken. Etwas an der Art und Weise, wie er das sagt, klingt bedrohlich.

Ich schleiche mich zum kleinen Fenster und wage einen Blick hinaus. John B und Rafe stehen sich gegenüber, während JJ und Pope hinter ihnen stehen. Von Sara ist keine Spur.

„Was willst du hier, Rafe?" Gute Frage.

Rafe setzt sein charmantes Lächeln auf. „Ich will euch helfen. Wir haben ein gemeinsames Ziel."

Pope, den ich eher als zurückhaltend und überlegt wahrgenommen habe, meldet sich wütend zu Wort. „Gemeinsames Ziel? Du willst das Relikt verkaufen! Ich will es ehren!"

Verteidigend hebt Rafe die Hände, und JJ legt eine Hand auf Popes Schulter, um ihn vor einer unüberlegten Reaktion zu bewahren. JJ wirkt seltsam ruhig und kontrolliert, ganz anders als sonst.

„Und was, wenn ich euch das Relikt überlasse? Ich weiß, dass ihr etwas gefunden habt - etwas, das ohne Tagebuch wahrscheinlich nutzlos ist," fährt Rafe fort. Er genießt es richtig, die Rolle des guten Kerls zu spielen.

Aber am Ende ist es eben nur eine Rolle. Es ist unmöglich, dass er das Relikt ihnen überlassen würde, ohne dass er selbst davon profitiert. Offensichtlich sehen das auch die anderen so.

„Woher weißt du, dass wir etwas gefunden haben?" will Pope misstrauisch wissen, immer noch mit JJs Hand auf der Schulter.

„Was spielt das für eine Rolle? Wichtig ist doch nur, dass wir ohne Zusammenarbeit nicht an das Relikt kommen." Ich kann die Arroganz in seiner Stimme hören, aber ich frage mich, ob es auch eine Spur von Verzweiflung gibt. Was hat er wirklich vor?

„Und warum solltest du uns das Relikt einfach überlassen? Was hast du von der ganzen Sache?" fragt John B und versucht, die Kontrolle über das Gespräch zu erlangen.

Amüsiert und arrogant setzt sich Rafe an den großen Tisch. Er greift in seine Tasche und holt ein altes Buch hervor - das muss Danmark Tannys Tagebuch sein.

Er blättert suchend darin und zeigt den Jungs dann eine aufgeschlagene Seite. „Ihr wollt das hier," sagt er und deutet mit dem Finger auf das Buch. Ich wünschte, ich wäre näher am Geschehen, aber Rafe wäre wohl kaum erfreut, mich zu sehen.

„Und ich," fährt er fort, „will das hier."

JJ nimmt sich das Buch und liest behutsam, was auf der Seite steht, dann gibt er es kopfschüttelnd an Pope weiter. „Ich nehme an, ihr wisst, was das ist?" Seine Arroganz ist kaum auszuhalten.

„Deswegen war also das Grabtuch nicht im Kreuz von Santo Domingo - Danmark Tanny hat es an demselben Ort versteckt wie das Relikt," erläutert Pope. „Und du willst das Tuch? Wofür?"

„Erinnert ihr euch an Miss Limbrey? Ich habe noch eine Rechnung mit ihr offen, und ich brauche das Tuch, um sie zu begleichen."

Ich schrecke hoch, als die Tür hinter mir aufgeht und Sara und Kiara sich in das kleine Badezimmer quetschen. Wortlos mache ich den beiden Platz, damit auch sie aus dem Fenster sehen können.

„Wir denken darüber nach, aber wir brauchen bis morgen Zeit," sagt Pope, und JJ und John B nicken zustimmend.

Rafe erhebt sich vom Stuhl und nimmt das Tagebuch an sich. „Ich erwarte spätestens morgen Abend eine Antwort. Und grüßt meine Schwester von mir."

Mit diesen Worten verlässt Rafe unser Blickfeld, und wir hören nur noch das Aufheulen des Motors.

Fast gleichzeitig atmen wir drei erleichtert auf. „Wir können ihm nicht trauen, oder?" fragt Kiara und blickt mich und Sara hilfesuchend an. „Ich meine, es ist Rafe, irgendwas an der Geschichte ist doch faul." Ihre Stimme zittert. Die Situation scheint ihr sichtlich unangenehm zu sein.

„Ich weiß es nicht, so etwas hätte ich nie von Rafe erwartet," sagt Sara und klingt irgendwie schuldbewusst, als ob sie verantwortlich für das Benehmen ihres Bruders ist.

Wir verlassen das Badezimmer, um nach den Jungs zu sehen, die betrübt und nachdenklich am Tisch sitzen.

Niemand sagt ein Wort. Die gerade noch so ausgelassene Stimmung ist wie weggeblasen. Sara schlingt die Arme von hinten um John B und küsst seine Wange, und Kiara setzt sich neben Pope und streicht ihm über den Rücken. „Was für ein Mistkerl," sagt sie leise.

Automatisch trifft mein Blick auf JJ. Er steht alleine da, ohne jemanden, der ihm Trost spendet. Er schenkt mir ein kleines Lächeln, um mir zu signalisieren, dass es ihm gut geht. Doch innerhalb einer Stunde sind all die Pläne, die wir hatten, zerstört.

Ich nehme meinen Mut zusammen und gehe zu ihm hinüber. Ich schlinge die Arme um seinen Oberkörper und flüstere ein leises „Es tut mir leid."

Er zögert, schließt mich dann aber doch in die Arme. Es ist eine innige, wohltuende Umarmung, die mir genauso viel Trost spendet wie ihm.

Und für eine Sekunde vergesse ich all die Sorgen um mich herum.

Stupid things have good outcomes all the timeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt