alte Wunden

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Mit einem kleinen Lächeln gehen wir nach draußen. Pope hat ein Feuer entfacht, und John B und Sarah sitzen auf einem der Baumstämme, ohne einander anzusehen.

„Hey“, sagt Kiara fröhlich und schlingt ihre Arme um JJ. „Ich habe gehört, dass du jetzt eine Weile bei John B bleibst“, sagt sie und lässt ihre Hand etwas zu lange für meinen Geschmack auf seinem Arm.

„Ja, na ja, du weißt schon... mein Dad ist sowieso nie da, also bin ich hier besser aufgehoben“, antwortet er lächelnd, obwohl er damit die Wahrheit verschweigt.

„Ich bin einfach froh, dass es dir gut geht“, säuselt sie und geht dann zu Pope, ohne mich auch nur anzusehen.

Ich schlucke das aufkommende Gefühl von Eifersucht herunter und setze mich auf eine Decke am Feuer.

Obwohl wir erst heute Morgen das Relikt begraben haben, fühlt es sich wie eine Ewigkeit her an. Heute Morgen schien alles so... hoffnungsvoll. Alle schienen auf eine Art versöhnlich miteinander umzugehen.

Doch jetzt, mit dem Streit zwischen John B und Sarah und Kiaras Ignoranz mir gegenüber, fühle ich mich wieder wie am ersten Abend, als ich die Pogues beim alten Bootshaus traf.

Kein schönes Gefühl, muss ich zugeben. Nach diesem Abend ging ich nach Hause, zu Topper. Zu meiner Mutter, die damals noch mit mir redete.

Jetzt habe ich keinen Ort, an den ich zurückkehren kann... und niemanden auf der Kook-Seite der Insel, der mir Halt gibt. Ich vermisse meinen Bruder, und die bevorstehende Trauerfeier lässt das Gefühl des Verlusts nur schwerer wiegen. Ich habe noch immer nicht begriffen, dass ich ihn nie wiedersehen werde.

JJ setzt sich neben mich und reicht mir ein Bier. Dankbar lehne ich mich an ihn. Er ist mein Lichtblick in dieser Zeit voller Unsicherheit.

„Also, Sarah und ich hatten eine Meinungsverschiedenheit“, sagt John B in die Runde, und wir alle horchen auf.

„Rafe wurde von zu Hause rausgeschmissen und hat momentan keinen Ort, an den er gehen kann. Ich finde, er könnte hier bleiben“, beginnt Sarah und blickt zu Kiara, die energisch den Kopf schüttelt.

„Aber... da das uns alle betrifft, meinte John B, dass ich euch alle fragen sollte, bevor ich es ihm anbiete“, fährt sie fort und senkt traurig den Blick.

„Ich weiß, dass er dein Bruder ist, Sarah, aber nein... ein klares Nein von mir“, sagt Kiara und klingt dabei alles andere als bedauernd.

„Ich gebe Kiara recht“, sagt JJ entschlossen und rückt ein Stück von mir ab. Dass er nicht begeistert wäre, hatte ich erwartet, aber dass er Kiara so zustimmt, irritiert mich.

„Hast du dich nicht erst heute Morgen mit ihm versöhnt?“, frage ich direkt, ohne meine Verwunderung zu verbergen.

„Ich habe ihm meine Dankbarkeit ausgesprochen, aber nicht vergeben. Er ist immer noch ein Kook“, sagt JJ, und seine Worte treffen mich tief. Hatten wir die alte Kluft zwischen Pogues und Kooks nicht längst überwunden?

Ich bin sprachlos und nicke nur.

„Ich enthalte mich“, sagt Pope zögernd und geht, um noch mehr Holz fürs Feuer zu holen.

Sarahs Blick trifft meinen, und ich schenke ihr ein sanftes Lächeln. „Ich bin dafür! Er sollte hierbleiben dürfen.“

„Dann sind es wohl drei gegen zwei. Tut mir leid, Sarah“, sagt Kiara, aber ihre Worte klingen alles andere als aufrichtig.

Die Stimmung ist angespannt, und ich weiß, dass mein nächster Schritt die Situation vielleicht verschärfen könnte, aber ich will, dass sie wissen, dass ich Rafe helfen werde. Ich will, dass er es weiß.

„Mein Angebot mit dem Gästehaus meiner Eltern steht“, sage ich, und Sarah antwortet nur mit einem leisen „Danke“.

„Welches Angebot?“ fragt JJ sofort.

„Ich habe Sarah angeboten, dass Rafe im Gästehaus meiner Eltern bleiben kann.“ Ich versuche, es beiläufig klingen zu lassen, als hätten seine Worte mich nicht getroffen, aber ich scheitere.

„W... warte, du wolltest doch selbst dort bleiben, bis sich deine Mom beruhigt hat“, sagt er und sieht mich forschend an.

„Na ja... das Haus ist groß genug für uns beide.“ Mein Herz wird schwer. Ich will ihm nicht wehtun, aber die Vorstellung, dass er mich immer noch nur als Kook sieht, die er beim kleinsten Fehler fallen lassen könnte, schmerzt.

Ich stehe schnell auf und gehe ins Haus. Ich will nicht weinen. Nicht vor den anderen.

Stupid things have good outcomes all the timeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt