Chapter 3

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„Er hat dich auf die Wange geküsst?“ Bree liess beinahe die Chipstüte fallen, die sie gerade eben in ihr Zimmer gebracht hatte um den Inhalt in eine grosse Glasschüssel zu schütten.

Stacy sah mich mit weit aufgesperrtem Mund an. Die ganze Aufmerksamkeit war mir peinlich und ich senkte den Blick, bevor ich bestätigend nickte. Wir sassen alle zusammen in Brees Zimmer am Boden, den wir mit Kissen und Decken gepolstert hatten. Allesamt hatten wir bereits unseren Schlafanzug an, ich hatte mein Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden und lehnte mit dem Rücken gegen Brees Bett. Das Licht hatten wir etwas heruntergedreht, so dass wir nicht in einem knallhellen Zimmer sitzen mussten. Aus der Stereoanlage in der Ecke tönte leise Musik.

„Der Typ ist echt unheimlich“, murmelte Stacy, als sie es endlich fertiggebracht hatte, sich wieder zu bewegen.

„Aber voll!“, stimmte ihr Bree zu und riss die Chipstüte mit einem lauten Knistern auf.

„Und ich bin mir jetzt hundertprozentig sicher, dass die Nachrichten von ihm sind“, sagte ich leise und kratzte, um Blickkontakt mit den Mädels zu vermeiden, an meinem hellblauen Nagellack herum.

„Der steht doch total auf dich“, sagte Joy, die vierte in unserer Clique. Sie kam gerade ins Zimmer, und schloss leise die Tür hinter sich. Joy unterschied sich sehr von mir. Sie war gross, hatte langes, schwarzes Haar, das ihr in vollen Wellen den Rücken hinab fiel, und strahlend grüne Augen. Ihre Kleidung war immer perfekt. Viele Mädchen beneideten sie. Meiner Einschätzung nach war sie auch diejenige von uns, die schon am meisten Erfahrung mit Jungs hatte, und auch definitiv am beliebtesten war. Sie war aber keineswegs ein abgehobenes It-Girl, nein, sie war genauso nett wie Stacy oder Bree. Wir alle waren ein Herz und eine Seele.

Joy grinste mich anzüglich an und ich wurde rot.

„Macht er nicht. Er steht einfach darauf, Psycho-Spielchen zu treiben.“

Joy setzte sich neben mir aufs Bett und stützte sich rücklings ab. Dann wandte sie mir grinsend den Kopf zu. „Vielleicht spielt er auch Psycho-Spielchen im Bett.“

Stacy und Bree begannen den Mund zu verziehen und redeten gleichzeitig auf Joy ein, wie wahnsinnig pervers sie doch war.

„Mädels. Reife ist nicht gleich pervers.“ Joy lachte und sah mich an. „Und, was machst du jetzt als nächstes?“

„Ihm aus dem Weg gehen. Louis macht mir verdammt Angst.“

Joy zog eine Schnute, „na komm. No risk, no fun.“

„Dann lieber no fun“, seufzte ich und steckte mir eine lose Haarsträhne hinters Ohr.

„Wie sieht er eigentlich aus?“, fragte Stacy und schnappte sich einen Chip.

„Er ist mittelgross, würde ich sagen... gute Statur, Tattoos. Er hat Piercings, hier“, ich zeigte auf meine linke Augenbraue, „und hier.“ Mein Finger wanderte hinunter zu meinem rechten Mundwinkel.

„Uh“, machte Joy und wackelte mit den Augenbrauen. „Augenfarbe?“

„Blau-Grün.“

Bree runzelte die Stirn. „Ist er blond?“

„Nein, er hat braunes Haar, ungefähr... äh... schokoladenfarben?“

„Klingt so, als wäre er auch so süss wie Schokolade.“ Joy seufzte.

Ich sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Süss? Eher angsteinflössend. Seine ganzen Arme sind mit Tattoos bedeckt, er trägt Eyeliner und raucht.“

„Nichts für unsere brave Sky?“ Als Joy das sagte, versetzte es mir einen kleinen Stich ins Herz. Ich wurde nicht gerne „brav“ genannt. Ja, ich war supergut in der Schule, trank keinen Alkohol und rauchte nicht. Aber deshalb war ich nicht gleich automatisch brav. Vielleicht lag es auch an meinem blonden Haar, dass ich so brav aussah. Für einen Moment spielte ich mit dem Gedanken, mein Haar dunkelrot zu färben, verwarf ihn dann aber. Meine Mutter würde mich umbringen.

StrangerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt