Chapter 9

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Meine Finger verstärkten vor Angst den Griff um den Umschlag, der immer mehr zerknitterte, je mehr ich zugriff. Mit meiner ganzen Willenskraft versuchte ich, meine Beine vom Zittern abzuhalten, als mir einfiel, dass ich ihm eigentlich antworten sollte.

„Hi“, hauchte ich leise und lehnte mich wieder gegen den Brunnen, da ich Angst hatte, das Gleichgewicht zu verlieren.

Louis lächelte und sah zu Boden. Als er wieder emporschaute, sah er mir direkt in die Augen.

„Was für eine Überraschung, dich hier zu sehen“, sagte er mit heiserer Stimme. Seine Hände waren in seinen Hosentaschen versenkt, Louis sah ruhig und entspannt aus, als er mich betrachtete.

Ich versuchte etwas zu sagen, doch meine Stimme wollte mir nicht gehorchen. Schnell räusperte ich mich. „Ja, nicht wahr.“

Seine blauen Augen huschten von meinem Gesicht über meine Oberweite bis zu meinen Händen, in denen ich den Umschlag hielt.

„Wo ist Mike?“, fragte er und kam langsam näher. Mein Herzschlag, der sich mittlerweile ein bisschen beruhigt hatte, beschleunigte sich wieder, als Louis schliesslich so nahe war, dass ich ihn riechen konnte. Der Mix aus Aftershave und Rauch stieg mir in die Nase, als er mich fixierte. Mein Blick fiel auf Keith und den anderen Punk und wandte mich wieder Louis zu.

„Warum gehen wir nicht ein Stück und ich erzähls dir? Alleine“, fügte ich mit einem nervösen Lächeln hinzu und Louis grinste anzüglich.

„Keith, Brian. Ihr habt gehört, was sie gesagt hat... verschwindet“, murmelte Louis, ohne den Blick von mir zu lösen.

Er schlang einen Arm um meine Hüfte und zog mich mit. Unbeholfen stolperte ich neben ihm her, darauf bedacht, den Umschlag nicht fallen zu lassen. Doch, sobald wir ausser Sichtweite waren, verstärkte er seinen sanften Griff um meine Hüfte und wurde grob.

„Also“, flüsterte Louis, als wir in einen dunklen Teil des Parks einbogen, zog mich in den Schatten eines Baumes und presste mich gegen den Baumstamm, „wo ist dein Bruder?“, zischte er. Seine Stimme jagte einen Schauer meinen Rücken hinunter und ich begann zu stottern.

„E... er musste arbeiten.“ Etwas in Louis’ Blick verriet mir, dass er mir nicht glaubte.

Das Blau in seinen Augen verdunkelte sich. „Arbeiten also, hm? Das glaubt er doch selber nicht?“

„Es stimmt aber“, beteuerte ich und sah ihn flehend an.

Louis lachte laut auf. „Und warum schickt er dann ausgerechnet dich? Seine kleine Schwester? Sollte er dich nicht eigentlich vor Typen wie mir beschützen?“, schnaubte er ungläubig und kam noch ein bisschen näher.

„Nicht Mike hat mich geschickt.“

„Wer dann?“

Ich wurde rot. „Meine Mutter.“

Louis blinzelte, dann brach er in gellendes Gelächter aus. Nicht ein freundliches Lachen. Nein, es war ein kaltes, gemeines Lachen. „Und warum?“, fragte Louis, als er sich wieder beruhigt hatte.

„Sie wollte dass ich mich bei dir entschuldige.“

Louis grinste. „Wofür?“

„Dass ich so... ‚fies’ zu dir war.“ Ich versuchte, das Ganze nicht zu ironisch klingen zu lassen, worin ich kläglich versagte.

„Du hättest noch... fieser...“, er grinste anzüglich, „sein können.“

Ich schluckte und versuchte, meine Gefühle zu verbergen. Eine Weile lang starrten wir uns nur stumm an, bis er die Stille durchbrach.

StrangerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt