Chapter 6

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Träge schleppte ich mich ins Badezimmer, um duschen zu gehen. Mike hatte soeben rasend vor Wut das Haus verlassen. Anscheinend hatte er es nicht mehr alleine mit mir zu Hause ausgehalten und war feiern gegangen, um alles zu vergessen, was vorgefallen war.

Oder er traf sich mit Freunden.

Bisher hatte ich mich nie groß mit Mikes Freundeskreis beschäftigt, doch jetzt, da ich erfahren hatte, dass er etwas mit Louis und Drogen zu tun hatte, machte ich mir Sorgen um ihn.

Sehr große Sorgen sogar.

Als mein Blick in den Spiegel fiel, sah ich in mein eigenes, besorgtes Gesicht. Ich hatte Angst um meinen Bruder. Und ich war stinkwütend. Einerseits auf Louis, weil er Mike Drogen vertickte und andererseits auf mich selbst, dass ich so dumm gewesen war und nicht von selbst draufgekommen war, dass Louis illegale Sachen machte. Verdammtes Arschloch. Die Stelle an meinem Hals schmerzte wieder und ich verzog das Gesicht.

Okay, Sky, erschreck dich nicht, dachte ich mahnend, als ich meine blonden Locken zurückwarf und meinen Hals im Spiegel betrachtete. Dennoch entfuhr mir ein leises Keuchen, als ich den dunkelroten Flecken auf meiner Haut sah. Vorsichtig strich ich mit dem Zeigefinger über die Stelle, die Louis geküsst hatte und ein leichtes Schaudern durchfuhr mich, als ich an seine weichen Lippen zurückdachte.

Ich getraute mich gar nicht, den Flecken genauer anzusehen und drehte dem Spiegel sofort den Rücken zu, um nicht noch länger daran erinnert zu werden.  

*****

In dieser Nacht schlief ich schlecht.

Sehr schlecht sogar.

Lange Zeit lag ich nur da und lauschte der Musik, die aus meinen Kopfhörern tönte und starrte die Decke an, während ich meinen Gedanken nachhing.

Es war beinahe ein Segen, dass morgen Sonntag war und ich den Schlaf nicht dringend benötigte – hätte ich am nächsten Tag Schule gehabt, wäre ich vor Müdigkeit bestimmt im Unterricht eingeschlafen. 

Am nächsten Tag hatte ich wirklich nichts zu tun. Ich stand erst gegen dreizehn Uhr auf und kuschelte mich danach direkt mit einer Schale Müsli auf die Couch.

Ich hatte mir nicht mal die Mühe gemacht, etwas anderes anzuziehen, sondern saß bloß mit den Shorts und dem Shirt, die ich zum Schlafen getragen hatte, da und starrte desinteressiert auf den Fernsehbildschirm.

Gelangweilt zappte ich mit der Fernbedienung durch die vielen Kanäle, in der Hoffnung, etwas Unterhaltsames für so einen kalten, nassen Sonntagnachmittag zu finden.

„Na, Süße?“ Ich drehte den Kopf und sah, dass mein Vater soeben ins Wohnzimmer gekommen war. Er zog neckisch an meinem Pferdeschwanz und ich seufzte.

„Dad“, maulte ich und wandte meine Aufmerksamkeit wieder dem Bildschirm zu. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er seine Hände in die Lüfte hob und sich entschuldigte. Gegen meinen Willen musste ich grinsen, und Dad setzte sich auf den bequemen Sessel neben meiner Couch. Ich zappte noch weiter durch die Kanäle, bis eine mir vertraute Szene über den Fernseher flackerte.

A Walk To Remember. Einer meiner Lieblingsfilme. Ich unterdrückte einen Grinser und schaufelte Müsli in meinen Mund, während ich es mir bequem machte.

Dieses Mal wirst du NICHT weinen, schärfte ich mir ein.

Wie es bereits zu erwarten war, konnte ich meine Tränen am Schluss jedoch nicht zurückhalten, als Jamie Landon erklärte, dass sie an Leukämie litt und bald sterben würde. Was für ein schreckliches Gefühl das sein musste. Frisch verliebt zu sein, und sich nach so einer kurzen Zeit gleich wieder zu verlieren.

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