Chapter 35

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„Du siehst ganz fantastisch in dem Kleid aus, Schätzchen!“

Ich errötete. „Danke.“

Ich steckte in einem weissen Kleid, welches ich zu der Hochzeit meiner Tante tragen sollte, und meine Mutter sah mich glücklich an.

„Du wirst morgen die schönste Brautjungfer sein, die wir je gesehen haben!“

„Jetzt übertreibst du aber, Mam“, murmelte ich und knetete meine Hände, die Situation war mir unangenehm.

„Dreh dich mal“, flötete meine Mutter und ich seufzte. Mit Schwung machte ich eine Drehung, und meine Augen weiteten sich vor Entsetzen, als ich die Lilien, die hinter mir in einer Vase aufgestellt waren, mit dem Kleid umfegte und die Blumen zu Boden fielen.

„Das tut mir schrecklich leid, Mam“, murmelte ich verzweifelt und rannte in die Küche, um den Besen und eine neue Vase zu holen. Schnell nahm ich die Blumen zusammen, stellte sie notbedürftig in die mit Wasser gefüllte Vase und fegte die Scherben der Vase zu einem Haufen zusammen.

„Das macht nichts, Schätzchen“, sagte Mam sanft und kam zu mir, um mir die Arbeit abzunehmen.

„Oh Gott ich bin so ein Tollpatsch“, grummelte ich und hielt mir beide Hände beschämt vor die Augen.

„Ich weiss, aber dafür lieben wir dich ja.“

Ich liess die Hände sinken und wollte gerade etwas erwidern, als ich den grossen, knallpinken Flecken auf dem weissen Stoff sah.

„Oh nein“, jammerte ich. „Mein Kleid ist ruiniert.“

Mam seufzte. „Du brauchst ein neues Kleid, das lässt sich nicht auswaschen. Zieh dich um, husch husch, die Läden schliessen schon bald.“

Ich runzelte die Stirn und betrachtete den Himmel, der schon dunkel war, und rannte nach oben, um mir eine Jeans und ein Shirt anzuziehen.

„Hier, das sollte reichen“, sagte meine Mam, als ich an ihr vorbeirannte, und streckte mir etwas Geld entgegen. Ich griff dankbar danach und nahm den Schirm, sowie meine Jacke.

„Bis später Mam“, rief ich hektisch, warf mir meine Jacke über und rannte los.

Na super.

X

„Ihr Wunsch?“, fragte eine überschminkte Blondine mit einem aufgesetzten Lächeln, als ich klatschnass in den Kleiderladen hineinstürmte. Ich war mir sicher, dass meine Schuhe eine Matschspur hinterlassen hatten, und die Blonde sah nicht so aus, als würde sie das sehr erfreuen.

Sie rümpfte kaum merklich die Nase, als sie den Fussboden hinter mir betrachtete, und ich seufzte.

„Ich brauche ein Brautjungfern-Kleid.“

„Dort hinten“, sagte die Tussi gelangweilt und deutete in das hintere Abteil des Ladens, und ich nickte. „Danke.“

Als ich in die Abteilung ging, dachte ich darüber nach, was für eine schlechte Bedienung die Blonde doch war, und begann die Ständer zu durchforsten.

„Ich mag das hier.“ Ich zuckte zusammen, als sich ein warmer Körper an mich schmiegte und eine mit Ringen geschmückte Hand nach vorne griff, um nach dem cremefarbenen Stoff eines Kleides zu greifen.

„Woher wusstest du, wo ich bin?“, fragte ich lachend und drehte mich um.

Louis trug seine schwarze Lederjacke, und er hatte die Kapuze des Pullis oben, den er darunter trug. Die nassen Strähnen Haar, die hervorguckten, waren etwas dünkler als das Braun, das ich mir von ihm gewohnt war, doch das freche Grinsen, das auf seinen Lippen lag, war mir nur allzu gut bekannt.

„Hab dich auf der Strasse gesehen, hattest ziemlich mit dem Schirm zu kämpfen“, grinste er und neigte sich zu mir herunter um mich zu küssen.

Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, so dass unsere Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren, und seufzte. „Lach mich nicht aus.“

Unsere Lippen berührten sich nur kurz, und doch durchfuhr mich wie ein Stromstoss, der bis tief in mein Herz eindrang und es schneller pulsieren liess.

Louis Hand griff nach meinem Handgelenk und er hob eine Augenbraue, als er meinen Puls spürte. „Nervös?“

Ich schüttelte den Kopf, und er grinste.

„Ist es nicht riskant für dich, in der Stadt rumzulungern? Die könnten dich sehen“, sagte ich und zog das cremefarbene Kleid hervor.

„Glaub mir, ich bin sicher. Der letzte Ort, wo man einen Dealer vermutet, ist ein Laden für schicke Kleider.“

„Wo du Recht hast, hast du Recht“, murmelte ich und guckte einhändig nach der Grösse des Kleides, da meine andere Hand immer noch von Louis’ umschlungen war.

„Wofür brauchst du das überhaupt?“, fragte Louis heiser.

„Meine Tante heiratet morgen, und ich brauche ein Kleid.“

Hand in Hand gingen wir zur Umkleidekabine, und ich liess die Seine los, als ich den Vorhang beiseite schob und eintrat.

Gerade als ich den Vorhang schliessen wollte, griff Louis dazwischen und huschte zu mir herein. Ich sah ihn an, und er starrte zurück.

„Was“, fragte er.

„Ich… will mich umziehen“, stotterte ich und er setzte sich auf den Stuhl in der Ecke der geräumigen Kabine.

Louis lachte. „Na und?“

„Du…“

„Darf ich nicht gucken?“ Er zwinkerte mir zu und ich wurde rot.

„Ähm… ich…“

„Ich hab dich auch schon in Unterwäsche gesehen, Sky“, seufzte Louis entnervt.

Ich seufzte, drehte ihm den Rücken zu und streifte mir das T-Shirt über den Kopf. Die Musik klang dezent aus den Lautsprechern, und ich nahm das Kleid schnell vom Haken, als ich mich aus meinen Jeans geschält hatte, und öffnete den Reissverschluss um hineinzusteigen.

„Hilfst du mir mal?“, seufzte ich, als ich merkte, dass ich den Reissverschluss nicht alleine zukriegte, und Louis sprang bereitwillig auf.

„Dreh dich mal zu mir um“, befahl er, und ich gehorchte.

Louis legte seine Arme um meine Taille und griff nach dem Reissverschluss an meinem Rücken. Ich war eng an seine Brust geschmiegt, als er langsam den Verschluss meine Wirbelsäule hochführte, und mein Atem beschleunigte sich, als ich sein Lippenpiercing an meiner Stirn spürte, als er seine Lippen kurz diese berührten und sein Atem dagegenschlug, als er sprach. „Wer begleitet dich?“

„Du könntest Mike als meine Begleitung betrachten“, sagte ich leise und Louis löste sich von mir.

„Mike?“, fragte er und sah mich verwirrt an. „Ist er nicht in der Entzugsklinik?“

„Doch, aber er durfte über das Wochenende nach Hause wegen… naja… der Hochzeit. Meine Tante steht ihm sehr nahe“, erklärte ich, bevor ich mich mit einem Schwung um mich selbst drehte.

„Was denkst du?“

„Hübsch“, sagte Louis und hob eine Augenbraue, bevor er unwiderstehlich lächelte und mich wieder an sich heranzog.

StrangerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt