Chapter 2

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Ein lautes Donnergrollen ließ mich in dieser Nacht aus dem Schlaf hochschrecken und mit einem Schlag lag ich mit schnell pochendem Herzen hellwach. Automatisch begann ich zu fluchen als ich realisierte, was mein jähes Aufwachen bewirkt hatte, rieb mir die Augen und streckte die Hand nach meinem Wecker aus. 4 Uhr morgens. Na super.

Ich ließ mich in die Kissen zurücksinken und starrte ohne ein bisschen Müdigkeit an die weiß gestrichene Holzdecke, beobachtete, wie gespensterhafte Schatten darüber tanzten nur um kurz danach wieder zu verschwinden. Ein Blitz erleuchtete das Zimmer und ließ mich zusammenzucken. Energisch presste ich die Lippen zusammen, da ich wusste, dass ich nun bestimmt nicht mehr einschlafen konnte. Mein flauschiger Teddybär, den ich schon hatte, seit ich klein war, klemmte unter meinem Arm und ich streichelte ihm sanft über den Kopf, während ich dem Prasseln des Regens draußen lauschte.

Ein weiterer Donnerschlag ertönte und ich wimmerte. Ich hatte schon immer Angst vor Gewittern gehabt, und das hatte sich auch nicht verbessert, als ich älter geworden war. Vorsichtig tastete ich nach meinem Handy, stöpselte die Kopfhörer ein und setzte sie auf. Dann drehte ich die Musik auf, gerade so laut, dass ich den Donner nicht mehr hören konnte, zog die Decke bis zum Kinn hoch, schloss die Augen und versuchte mich voll und ganz auf die Musik zu konzentrieren. Ich verstrickte mich soweit in die Rhythmen, die auf mich einprasselten, dass ich voller Konzentration irgendwann in einen Dämmerschlaf fiel.

*****

„Willst du einen Jogurt?“ Ich drehte mich fragend zu meinem Bruder um, der noch ganz verschlafen am Küchentisch saß. Sein blondes Haar war verwuschelt und seine Augen, die dasselbe Blau wie meine hatten, stierten ins Leere. Mike schüttelte nur den Kopf und schaufelte sich wortlos Cornflakes in den Mund.

Ich zuckte mit den Schultern, griff mir einen Kirsch-Jogurt, schloss den Kühlschrank und gesellte mich zu meinem Bruder, nicht ohne im Vorbeigehen noch einen Löffel vom Abtropfbrett zu schnappen. Meine hellbraunen Locken federten leicht auf und ab, als ich an den Tisch heranrückte und ich rieb mir verschlafen die Augen. Gott sei Dank war heute Freitag.

Ich zog den Deckel meines Jogurts weg, schabte ihn ab und steckte meinen Löffel dann in den Becher.

„Du siehst müde aus“, stellte Mike fest und beäugte mich.

Ich räusperte mich leicht. „Bin ich auch.“

Mir fiel wieder Louis ein, und es schüttelte mich leicht. Gedankenverloren rührte ich meinen Jogurt um, nach einem Weg suchend, wie ich Mike wohl am besten fragen würde.

Ich nahm einen Löffel voll und starrte fasziniert auf die lila Pampe.

„Hm... Mike?“, murmelte ich schüchtern.

Mike wandte den Kopf und sah mich an. „Was?“

Sein barscher Ton allein schüchterte mich bereits ein, doch jetzt gab es kein Zurück mehr. „Ich... hab da eine Frage“, sagte ich langsam und sah meinen Bruder vorsichtig an.

„Schiess los.“

Ich betrachtete sein Gesicht aufmerksam, als ich endlich mit der Frage herausrückte.

„Kennst du jemanden, der Louis heißt? Sieht aus wie ein Punk.“

Seine Augen verdunkelten sich, seine Gesichtszüge gefroren und ich bereute es schlagartig, dass ich ihn gefragt hatte. „Ja. Warum?“

Ich ignorierte seine Frage. „Woher kennst du ihn?“

„Geht dich nichts an“, antwortete Mike grob und rückte vom Tisch weg. Mit einem lauten Klappern stellte er seine Schüssel ins Waschbecken, zog die Kapuze seines schwarzen Blink-182 Pullovers hoch, vergrub seine Hände in den Taschen und ging mit finsterem Blick aus der Küche.

StrangerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt