Chapter 50

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Ich wusste, dass er Recht hatte. Ich hatte es ja soeben gelesen. Dennoch starrte ich Louis regungslos und völlig ahnungslos, was ich tun sollte, in die wunderschönen blauen Augen, die unablässlich nervös umherhuschten.

„Louis, wer auch immer dieser-“, ich schluckte, „dieser H ist, er … er wird mich nicht von dir wegbringen.“

Louis’ Augen wanderten zu dem Brief in meiner Hand, und auf unerklärliche Art und Weise schnappte er ihn mir weg. „Du solltest ihn nicht lesen“, zischte Louis, und wieder war ich geschockt aber zugleich überrascht von seiner Reaktion.

„Warst nicht du derjenige, der gemeint hat, dass man in einer Beziehung offen über alles reden sollte?“ Meine Stimme schwoll vor Wut an, und Louis sah mich nicht minder wütend an.

„Du verstehst das nicht.“

„Ich verstehe was genau nicht?“ Ungläubig trat ich einen Schritt näher. Sein intensiver Blick schien sich in meinen zu brennen, doch ich sah nicht weg.

„Nichts von alledem!“, donnerte Louis, und zum ersten Mal seit Monaten schoss mir das Adrenalin wieder durch die Adern, als ich ihn ansah.

Er zerriss den Brief zu Fetzen und liess diese zu Boden fallen. Langsam schwebten sie dem Boden entgegen, und ich riss meinen Blick von ihnen los.

„Ist es so falsch, dass ich mir Sorgen um dich mache?“ Meine Stimme brach weg, und ich versuchte, es unter einem Räuspern zu verstecken.

„Du solltest mich nicht einmal mögen, Sky. Das ist falsch. Das alles ist falsch! Wir hätten das alles nie passieren lassen dürfen! Wir haben einen riesigen Fehler begangen.“ Seine Wut und sein Hass klangen so real, dass ich zusammenzuckte. Messerscharf trafen mich seine Worte, der Schmerz, den sie auslösten, fühlten sich wie tausende Schnitte an, über meinen ganzen Körper verteilt.

Mein Kopf pochte, vor Wut sowie vor Schmerz, und alles, was ich herausbrachte, war ein kleiner Satz.

„Für mich war es kein Fehler.“ Mein Flüstern war kaum zu hören, doch ich wusste, dass er es gehört hatte.

„Willst du dich jetzt wirklich so verabschieden? War es das?“ Ich hörte, wie er versuchte, soviel Ironie wie möglich da reinzupacken, als ich mich an ihm vorbeidrängen wollte, doch ich schnitt ihm das Wort ab.

„Vielleicht ist es das Beste, wenn du jetzt gehst. Bring dich in Sicherheit. Kümmere dich nicht um mich“, sagte ich leise, und als ich die Worte sprach, konnte ich wortwörtlich spüren, wie mein Herz in tausende Splitter zerbarst. Ich wandte mich um, und ich wusste nicht, was ich erwartete. Dass er mich packen würde, mich zwingen würde zu bleiben?

Mich ohne ein Wort gehen lassen und dann verschwinden, auf ewig?

Ja, das hätte ich erwarten können. Aber das, was er tatsächlich tat, hatte ich keineswegs vorherfühlen können.

„Ich liebe dich.“

Die Wucht dieser Worte traf mich so fest, dass ich erst einmal wie festgewurzelt stehenblieb. Was? Was hatte er gerade gesagt?

Louis biss sich auf die Unterlippe, als ich ihn prüfend besah.

„Tust du das, ja?“ Ich schüttelte den Kopf, verwirrt, entsetzt und wütend fühlte ich mich. Ich ging ohne ein weiteres Wort zu sagen aus dem Badezimmer, wohl wissend, dass ich es später bereuen würde.

„Später“ stellte sich als ein Uhr morgens die darauffolgende Nacht heraus. Ich schlich mich die Treppen zum Dachboden hinauf, nur um Louis in seinem Bett vorzufinden. Seine Augen waren weit geöffnet, und als ich hereinkam, und rührte er sich kein Stück.

StrangerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt