31. Kapitel: Du hättest mich nicht verlassen dürfen!

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Kapitel 31:

Ich ging auf die jungen Männer zu, die einen Schritt zurückwichen, als ich ihnen zu nahe kam.
Auch wenn sie ihn nicht sehen konnten, nahmen sie meinen Schatten, der wild fauchte und sie zu vertreiben versuchte unbewusst wahr.
Er war eben immer noch ein Einzelgänger und duldete keine Gesellschaft.
„Bringt mich zu ihm! Bringt mich zu Jeremy!", befahl ich noch einmal, als sie keine Anstalten machten sich zu bewegen. Widerwillig setzten sich drei in Bewegung, ich folgte ihnen und zwei liefen hinter mir.
Ich konzentrierte mich nicht auf den Weg sondern darauf meinen Schatten, der sich eingekreist fühlte, zu besänftigen, doch dies gelang mir nur mit dem Gedanken an Yuki.
Sie wurde von meinem Jaguar akzeptiert, beschützt und umsorgt.
Wie ein Findelkind, ein Schützling, ...eine kleine Schwester.
Von traurigen Gefühlen überrollt schluckte ich schwer und schickte mich an, meinen Begleitern in die Katakomben zu folgen.
Ein riesiges Netzwerk aus alten Zeiten, das unter ganz Rom verlief.
Mehrere Minuten liefen wir durch Gänge mit elektrischen Lampen an der Wand, doch dann glitten die Jungs vor mir durch einen dünnen Spalt ins Dunkle.
Ohne zu zögern folgte ich ihnen und stand in einem dunklen, engen Gang.
Mein Schatten streckte seine Fühler aus und ich nahm die eigentliche Größe der Katakomben wahr.
Dieses unterirdische Labyrinth war viel größer, als das was die Menschen bereits erschlossen hatten.
Viel weitläufiger und sogar auf mehreren Ebenen.
'Oh, verdammt!', dachte ich mir, 'Wenn ich hier jemals mit meiner fischigen Orientierung alleine gelassen werde, bin ich erledigt.'
Die Steinmauern wirkten irgendwie drückend und ich war froh, dass ich Jake nicht mitgenommen hatte, die Gänge durch die wir jetzt liefen waren definitiv nicht für ihn gemacht.
Ich überließ meinem Schatten die Führung und folgte den Männern somit mühelos durch die stockfinsteren Gänge, das brachte mir hin und wieder einen misstrauischen Seitenblick ein.
Der ihnen unbekannte Gestaltwandler Geruch musste es ihnen unmöglich machen, mich als Panthera zu identifizieren.
„Wir sind gleich da.", ergriff zum ersten Mal Blondie, einer der Fünf das Wort.
Mit einem Kinnnicken deutete der blonde, drahtige Mann in die Ferne, in der ich bei genauem hinsehen einen Lichtschimmer zu erkennen glaubte.
Ich folgte ihnen und trat von dem kleinen Tunnel in einen großen Gang, der alle 20 Meter von einer Fackel erhellt wurde.
Am Ende des Tunnels hörte ich viele Stimmen, die durcheinander redeten.
Wie viele mochten es sein? 20? 30?
Ich hätte nicht gedacht, dass es so viele gibt und schon gar nicht, dass sie alle zusammen lebten!
Je näher wir dem Ende des Tunnels kamen, desto nervöser wurde ich.
Vielleicht täuschte ich mich ja?
Vielleicht war er gar nicht hier und ich machte mir zu viele Hoffnungen?
Vielleicht brachten sie mich zu irgendeinem Jeremy, es war schließlich kein seltener Name!

Als wir das Ende des Tunnels erreicht hatten betraten wir eine riesige, unterirdische Halle.
Unendlich viele Gerüche strömten auf mich ein, das Stimmengewirr, das bis eben geherrscht hatte verstummte plötzlich und alle Augen waren auf uns gerichtet. Wir standen auf einem Vorsprung etwa 3 Meter über dem Boden. Von den Wänden ragten mehrere solche Vorsprünge hervor, die es wirkten ließen, als wäre diese Höhle wahllos in den Stein geschlagen worden. Trotz allem, sah man die Mühe, die sich jemand gemacht hatte, aus diesem riesigen, unterirdischen 'Erdloch' ein Zuhause zu errichten.
Die einzelnen Vorsprünge an den Wänden waren mit einem Netzwerk aus Holzplattformen und Hängebrücken verbunden, das mich irgendwie an den Kletterpark erinnerte, in dem wir früher als Kinder oft waren.
In der schwach beleuchteten Halle gab es Sofas und Tische auf dem Boden und auf einigen Vorsprüngen, die zu Sitzgruppen zusammengestellt waren, ähnlich einem Gemeinschaftsraum in Jugendherbergen.
Von den meisten Steinplattformen gingen ebenfalls Tunnel weg, jedoch waren diese kleiner als unserer und unbeleuchtet, vermutlich kamen wir durch den Haupttunnel.
Wohin führten die anderen Gänge?
Andere Ausgänge?
Oder zu mehr Räumen?
Wir liefen eine schmale Holzhängebrücke entlang zu einem anderen Vorsprung, der deutlich größer war, als der auf dem wir angekommen waren, und etwa fünf Meter über dem Boden war.
Da er sehr zentral positioniert war, erschien er mir wie der Mittelpunkt des Raumes, wie eine Empore.
Meine Gedanken wurden unterbrochen, als die drei Jungs vor mir und die beiden hinter mir abrupt stehen blieben. Mal wieder ganz in meinem Element lief ich einfach weiter und knallte dann schwungvoll gegen Blondie, der mich böse anfunkelte.
"Sorry.", murmelte ich zerknirscht und trat schnell einen Schritt zurück.
Ich wollte sehen, was los war, doch die Jungs vor mir versperrten mir die Sicht.
„Wir haben Besuch", sagte der Blonde zu jemandem, „Sie kannte deinen Namen und wollte, dass wir sie zu dir bringen."
Sie traten zur Seite und ich hatte freie Sicht auf einen jungen Mann mit dunkelbraunen Rastalocken. Seine braunen Augen mit den leicht ovalen Pupillen musterten mich abschätzig.
So wie ich ihn in Erinnerung hatte, nur um ein paar Jahre gealtert.
Er saß mit einem anderen Mann und drei Mädchen, die vor Lachen schon ganz rote Köpfe hatten in einer Sitzgruppe zusammen.
Langsam erhob er sich und sagte: „Du bist eine von uns. Wer bist du und woher kennst du meinen Namen?"
Ich schluckte.
Er konnte sie also auch sehen, die Schatten der anderen Panthera.
Ich holte tief Luft: „Es sollte mich nicht überraschen, dass du mich nicht erkennst, trotzdem hatte ich es gehofft. Mir gewünscht, dass du mich nicht vergessen hast.", sagte ich mit Enttäuschung und Bitterkeit in der Stimme, die ich nicht unterdrücken konnte, „Ich hatte gehofft, dass du mich so vermisst, wie ich dich, und dass du irgendwann zu mir zurückkommst."
Mühsam unterdrückte ich die Tränen, die sich an die Oberfläche bahnten.
Nie wieder wollte ich wegen etwas weinen, aber galt das auch für den Menschen, für den ich alles tun würde?
Hinter mir hörte ich einen der Jungs tuscheln: „Ob das eine seiner verflossenen Ex ist, die nicht über ihn hinweggekommen ist?", leise kicherten sie und ich verdrehte innerlich die Augen.
Seine Katzenaugen schauten mich prüfend an, versuchten eine Verbindung herzustellen.
„Ich nehme es dir nicht übel, dass du mich nicht erkennst, 12 Jahre sind eine lange Zeit, Jemy.", sagte ich mit belegter Stimme.
Als hätte ich mit seinem Spitznamen einen Schublade geöffnet, die er eine lange Zeit verschlossen gehalten hatte blitzte plötzlich die Erkenntnis in ihnen auf.
„Cas...", hauchte er fassungslos und starrte mich an.
Ich nickte und schluckte schwer. Ich wollte nicht in Tränen ausbrechen.
Ich stand einfach da und suchte die alte Vertrautheit in seinen Augen. Das katzenhafte darin war verschwunden und ich sah, wie sie unruhig zuckten, so war es immer, wenn Erinnerungen auf ihn einströmten. Irgendwie beruhigte es mich, dass sich dieses vertraute Verhalten nicht verändert hatte.
„Das kann nicht sein! Aber wie...? Woher...? Du bist doch nicht...", stammelte er unzusammenhängende Sätze, doch trotzdem wusste ich genau was er mir sagen wollte.
Es viel mir sehr schwer die Tränen zu unterdrücken, da bei dem Anblick des fast 30-jährigen Mannes auch auf mich zahllose Erinnerungen einprasselten.
Die Stunden, die wir zusammen verbracht hatten. Was er mir beigebracht hatte. Das gemeinsame Herumalbern und Streiche spielen. Die Schwüre, dass er immer für mich da sein würde.
„Cas.", hauchte er wieder, dann machte er einen großen Schritt, um den Abstand zwischen uns zu überbrücken und nahm mich in den Arm.
Sofort umfing mich der vertraute Geruch und die Geborgenheit alter Zeiten.
Ich kuschelte mich an ihn und verbarg mein Gesicht an seiner Schulter, so wie ich es früher immer getan hatte, als er mich noch hochheben musste, um mich zu umarmen.
„Du hättest mich nicht verlassen dürfen, Jemy!", schluchzte ich jetzt und schaffte es nicht mehr die Tränen zurück zu halten.
„Ich weiß.", flüsterte er und ich spürte etwas feuchtes auf meine Schulter tropfen, „Es tut mir Leid, Schwesterchen."

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