35. Kapitel: Entweder Freundin oder freier Wille.

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„Guten Morgen, Schlafmütze!", rief ich und warf kleine Kieselsteine auf Jake.
„Cacy...was tust du da?", grummelte Jake.
„Ich wecke dich.", erklärte ich ihm.
„Lass das!", verlangte er müde.
„Nein!", sagte ich glücklich und warf weiter mit Kieseln auf ihn.
„Warum wirfst du mit kleinen Steinen auf mich?", wollte er wissen.
„Das sind Kieselsteine. Und ich werfe mit ihnen, weil sie besser in der Luft liegen als Blätter.", erläuterte ich ihm die Aerodynamik von Naturalien.
„Aha.", grummelte er, „Und warum tust du mir das an? Sind diese Kiesel nicht deine Freunde?"
„Was?", fragte ich kopfschüttelnd, „Das wäre doch verrückt. Steine als Freunde zu haben!"
„Und was ist mit Herbert?", beharrte er weiter.
„Wer oder was ist denn bitte ein Herbert?!", erkundigte ich mich skeptisch.
„Herbert? Dein Stein-Freund? Den du mir an den Kopf geschossen hast, weil du ihn los werden wolltest? Der...", er schaute in mein verständnisloses Gesicht, „Ach vergiss es!", sagte er dann abwinkend und rappelte sich auf.
„Sag mal", bemerkte er plötzlich, „riecht es hier nicht komisch?"
„Was meinst du?", fragte ich ihn.
„Es riecht doch komisch. Irgendwie...nach Vampir!", identifizierte er den Geruch und augenblicklich spannten sich alle seine Muskeln an.
„Quatsch Jake. Das bildest du dir nur ein. Woher sollte der Geruch denn kommen? Ich rieche nichts!", versicherte ich ihm und strich ihm beruhigend über den Arm.
Ein paar Sekunden passierte nichts, doch dann entspannte er sich wieder: „Vielleicht hast du Recht. Wahrscheinlich düngt einfach jemand in der Nähe seine Felder", gab er zu.
Ich lachte laut auf: „Hast du gerade den Geruch von Gülle mit dem von Vampiren verglichen?", fragte ich lachend.
„Ja. Stinken doch beide.", grinste er.
Kopfschüttelnd zog ich ihn in Richtung München von unserem Nachtlager weg.
„Wo gehen wir jetzt hin?", erkundigte sich Jake nach einer Weile.
„Wir suchen uns jetzt ein schönes Hotelzimmer in München, gehen dort duschen, dann gehen wir uns neue Klamotten kaufen, ob du es einsiehst oder nicht, die Alten stinken, und dann zeige ich dir ein bisschen meine zweite Heimat.", erklärte ich ihm in Kurzfassung.
„Das ist ja ein schöner Plan, aber wie willst du bitte das Hotelzimmer und neue Kleidung bezahlen?", fragte er skeptisch.
Ich zog die Kreditkarte hervor und wedelte damit vor seiner Nase herum: „Mit diesem Baby hier!", berichtete ich ihm stolz.
„Cacy!", rief er geschockt, „Wo hast du die her?! Bitte sag nicht, dass du die einem armen Wanderer abgeknöpft hast! Das geht doch nicht!"
„Entschuldige bitte?!", echauffierte ich mich, „Warum denkt eigentlich jeder nur das Schlimmste von mir?! Ich habe zufällig auch Freunde? Auch wenn es schwer zu glauben ist, aber die Karte hat mir eine Freundin gegeben."
„Und wann soll sie das bitte gemacht haben?", bohrte er weiter skeptisch.
„Während du geschlafen hast. Da habe ich eine Freundin besucht", fauchte ich beleidigt und drehte ihm den Rücken zu.
„Okay. Tut mir Leid, dass ich dir nicht geglaubt habe.", entschuldigte er sich reumütig und umarmte mich von hinten, dann begann er meinen Nacken zu küssen.
„Lass das!", schmollte ich und wand mich in seinen Armen.
„Wieso?", fragte er und ich spürte sein Lächeln an meinem Nacken, „Magst du das nicht?"
„Doch", seufzte ich, „aber ich kann dir nicht böse sein, wenn du das machst."
Obwohl ich ihm noch immer den Rücken zugewandt hatte, konnte ich das breiter werdende Lächeln auf seinem Gesicht förmlich vor mir sehen: „Gut zu wissen."
Ich drehte mich um und schaute ihn grinsend an: „Klappe, Knappe!", sagte ich und machte Anstalten zu gehen.
Kurz bevor ich mich losreißen konnte, packte mich Jake am Handgelenk und zog mich wieder in seine Arme: „Okay!, flüsterte er und gab mir stattdessen einen Kuss.

„Wer hat diesen Horror eigentlich erfunden?!", stöhnte Jake und ließ sich auf einen Hocker vor den Umkleidekabinen sinken.
„Weniger beschweren, mehr Klamotten holen!", rief ich ihm lachend aus der Kabine zu, „Zum Beispiel das hier in minze!"
Ich reichte ihm ein grünes, fast bodenlanges Kleid und machte eine scheuchende Handbewegung.
„Minze?!", fragte er verzweifelt, „Kann man das nicht essen?"
„In der Tat. Aber wenn es eine Farbe ist kann man es auch anziehen. Also los los!", wies ich ihn lachend an.
„Aber ich weiß doch gar nicht was 'minze' für ein Farbton ist!", jammerte er.
„Eine Art hellblau. Geht leicht ins türkis.", erklärte ich ihm.
„Und warum nennt man es dann nicht einfach hellblau oder türkis?", beklagte er sich weiter.
Ich steckte meinen Kopf aus der Kabine und funkelte ihn gespielt böse an: „Weil es nicht hellblau oder türkis ist, sondern eben minze. Also los jetzt, mein kleiner pelziger Freund!", scheuchte ich ihn weg.
Es dauerte ein paar Minuten, in denen ich weitere Kleider anprobierte, bis Jake mit meinem Auftrag zurück kam.
„Das ist es!", quiekte ich vergnügt, als ich es anprobierte.
„Darf ich es auch sehen?", erklang Jakes Stimme hinter dem Vorhang.
„Natürlich!", sagte ich glücklich und trat in den Gang, um mich auch noch einmal in dem großen Spiegel begutachten konnte.
„Wow!", kommentierte Jacob und stieß einen leisen, aber anerkennenden Pfiff aus, „Und wofür brauchst du das?"
„Für die Beerdigung von meinem Kanarienvogel natürlich!", kommentierte ich sarkastisch.
„Du hast gar keinen Kanarienvogel.", sagte mein Freund beleidigt.
„Ja. Jetzt nicht mehr.",sagte ich augenrollend und verschwand wieder in meiner Kabine.
Bei manchen Menschen sollte man sich das mit der Ironie echt zweimal überlegen.
„Okay!", sagte ich als ich umgezogen aus der Kabine trat, „Jetzt brauche ich noch beige Sandaletten, eine passende Tasche und etwas Schmuck. Danach gehen wir deine Kleidung kaufen."
„Warum gehen wir nicht erst meine Kleidung kaufen?", erkundigte sich Jake neugierig.
„Weil du", fing ich mit der Erklärung an und hakte mich bei ihm unter, „wenn du erstmal dein Zeug hast nur noch meckerst und nach Hause willst. Und dein Gejammer ist jetzt schon schlimm genug, also psst."
Ich bezahlte mein neues Kleid und zerrte Jake in den nächst gelegenen Schuhladen.
„Also gehen wir lieber alle Wege doppelt, anstatt beides parallel zu kaufen?", fragte er weiter.
„Genau.", antwortete ich.
„Das ist aber nicht sehr ökonomisch gedacht!", motzte er weiter.
Ich rollte erneut mit den Augen: „In Ordnung!", sagte ich schließlich, „Dann such dir schon mal schwarze Leder Schuhe."
„Wieso schwarze Leder Schuhe?", stellte er weiter Fragen.
„Weil sie zu dem Outfit passen, das ich für dich geplant habe.", erklärte ich ihm kurzerhand.
„Darf ich das nicht selbst...?", wollte er wissen.
„Jaki.", sagte ich, stellte mich auf Zehenspitzen und legte ihm meine Hände in seinen Nacken, „Es ist kein 'und', es ist ein 'entweder oder'. Entweder Freundin oder freier Willen. Du hast dich für mich entschieden.", rief ich ihm sanft ins Gedächtnis, tätschelte ihm die Wange und schob ihn in die Männerschuh-Abteilung, während ich mich auf die Suche nach passenden Schuhen für mein Kleid machte.


„Und? Schon was gefunden?", fragte ich meinen Freund, der etwas verzweifelt auf einer der Sitzinseln saß.
Ich selbst hatte inzwischen süße beige Sandaletten und eine farblich passende Fransen-Tasche gefunden.
„Naja, ich muss zugeben, es ist nicht ganz leicht Schuhe zu finden, wenn man nicht weiß wofür!", jammerte er.
„Herrgott Jake, du bist ja weiblicher als jedes Mädchen! Schwarze Lederschuhe. Passend zu einem Anzug.", erklärte ich ihm.
„Warum sollte ich denn einen Anzug tragen?", erkundigte er sich ahnungslos.
„Sag mal. Deinen Grips hast du heute morgen auch im Wald liegen lassen, oder?", kommentierte ich leicht genervt, „In Jogginghose gehst du jedenfalls nicht auf Bellas Hochzeit!"
„Warte!", unterbrach er mich, „Wir shoppen hier für Bellas Hochzeit? Aber wir schaffen es doch nie rechtzeitig zur Feier!"
„Mettgesicht. Lass das mal meine Sorge sein, okay?", bat ich ihn und zog ihn zu mir herunter, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben, „Such einfach passende Schuhe."
„In Ordnung, aber muss ich wirklich einen Anzug tragen?", bettelte er.
„Hemd und Hose müssen sein, von mir aus kannst du das Jackett und die Krawatte weg lassen.", gab ich nach.
„Und eine Jeans?", verhandelte er weiter.
„Nein, Jacob! Keine Jeans! Das ist immer noch eine Hochzeit!", bestimmte ich, „Hier probiere die mal an!", sagte ich und hielt ihm ein paar Schuhe hin.

Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis wir meinen Schmuck aber vor allem Jakes Kleidung zusammen hatten und wieder im Hotel waren.
Ich ließ mich aufs Bett fallen und sagte: „Ich verspreche euch hiermit hoch und heilig, dass wir nie wieder eine Shopping Tour mit Jake machen werden! Ehrenwort! Es tut mir sehr Leid. Nicht einmal Leah ist so schlimm!"
„Ähm, Cacy? Mit wem redest du bitte?", erkundigte sich mein Freund.
„Mit meinen Füßen", teilte ich ihm mit und streckte sie, auf dem Rücken liegend, in die Höhe, „sie haben sich diese Entschuldigung wirklich verdient."
Er ließ sich neben mich auf das große Doppelbett sinken und schüttelte belustigt den Kopf.
„Weißt du, das mit deiner Sightseeingtour...", fing er plötzlich an und ließ sich nach hinten in die Kissen sinken, „...vielleicht lieber morgen. Ich habe schon so lange...nicht mehr...in einem richtigen...Bett geschlafen."
Ich hörte ihn gähnen und vernahm keine Sekunde später ein leises Schnarchen von ihm.
Jetzt war es an mir belustigt den Kopf zu schütteln.
Aber er hatte Recht, ich hatte eigentlich auch keine wirkliche Lust mehr auf Sehenswürdigkeiten.
Daher beschloss ich, es einfach Jake gleich zu tun und legte mich zu ihm in das weiche Bett. Sofort schlossen sich seine Arme um mich und zogen mich an seine Brust, dann schlief auch ich ein.

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