58. Kapitel: Von Schmerzen, Schützlingen und Schokolade

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„Aaaah!“, stöhnte Jacob neben mir und hielt sich den Eisbeutel wieder an die Stirn.
Wir saßen nebeneinander auf dem Sofa und hatten mörderische Kopfschmerzen.
„Hör auf dich zu beklagen, es ist schließlich deine Schuld!“, sagte ich und verlagerte meinen Eisbeutel auf eine andere schmerzende Stelle.
„Stimmt überhaupt nicht!“, protestierte er.
„Doch. DU bist mir hinterhergejagt, DU hast mich angefallen, DU bist gestolpert, DU hast mich mitgerissen und DU bist mit mir einen Abhang hinunter gegen einen Felsen gerollt. Es ist also sehr wohl deine Schuld!“, erklärte ich.
„Ich sehe das anders!“, motzte er.
Dann herrschte wieder Stille zwischen uns.
„Ich warte übrigens immer noch auf eine Entschuldigung!“, bemerkte ich spitz.
„Tut mir Leid, dass ich dich angegriffen habe.“, sagte er wie ein trotziges kleines Kind.
„Doch nicht bei mir!“, stöhnte ich.
Jake schaute auf und sein Blick traf Leah, die mit Licas uns gegenüber auf einem Sofa saß.
„Tut mir Leid, Leah.“, murmelte er.
„Was tut dir Leid?“, hakte ich scheinheilig nach.
Er warf mir einen bösen Blick zu und ich lachte, was ich sofort bereute.
Stöhnend hielt ich mir wieder den Kopf.
„Tut mir Leid, dass ich dich angeschrien und verurteilt habe, das war falsch. Und natürlich freue ich mich für dich!“, fügte er hinzu.
Leah grummelte irgendwas, was sich sehr stark nach: „Ich weiß ja noch nicht mal selbst ob ich mich freue!“, anhörte.
„Wir sind noch nicht fertig!“, machte ich Jake auf eine fehlende Entschuldigung aufmerksam.
Er rollte mit den Augen und sah mich bittend an.
Ich wusste, dass es ihm gehörig gegen den Strich ging, sich bei einem Vampir zu entschuldigen.
Unnachgiebig starrte ich zurück.
„Na gut.“, knurrte er.
„Es tut mir Leid, dass ich dich ein Monster genannt habe, Blutsauger.“, sagte er an Licas gerichtet.
Dieser grinste nur und machte eine abwinkende Handbewegung: „Kein Problem, Alter!“

„Wo ist eigentlich Yuki abgeblieben?“, erkundigte ich mich nach einer Weile des Schweigens, „Ich habe sie nicht mehr gesehen, seit wir gestern zurückgekommen sind.“
„Der sind wahrscheinlich zu viele Rotaugen hier, verständlich!“, murrte Jake.
„So lang sie mich nicht anknabbern...“, sagte ich schulterzuckend, „Ich glaube ich gehe sie mal suchen, wenn es meinem Kopf besser geht!“

Zwei Stunden, eine köstliche Suppe und eine Packung Aspirin später war mein Kopf wieder so weit hergestellt, dass ich mich bewegen konnte, was ich auch sofort ausnutzte um mich auf die Suche nach Yuki zu begeben.
„Wir sehen uns dann heute Abend?“, fragte ich an Leah gerichtet, als ich schon fast aus der Tür war.
Sie unterbrach ihr Gespräch mit Licas  und nickte mir zustimmend zu: Klar! Das lass ich mir doch nicht entgehen!“, grinste sie und wand sich wieder Licas zu, der mit einem fragenden Blick zwischen uns beiden hin und her schaute.
Ich grinste nur vergnügt und begab mich dann hinaus in den kalten Dezember, um meine kleine Yuki zu finden.

„Das darf doch echt nicht wahr sein!“, knurrte ich frustriert.
Ich irrte bereits seit zwei Stunden hier im Wald herum, aber bis jetzt ohne Erfolg, langsam verließ mich meine gute Laune.
Einen allerletzten Anhaltspunkt hatte ich noch, wenn sie dort auch nicht war müsste ich warten bis sie von selbst wiederkam, oder ich würde Licas um Hilfe bitten...
„Ich schwöre dir, junges Fräulein, wenn du dort nicht bist, dann kannst du was erleben!“, grummelte ich wütend.
Ich stapfte weiter durch den Wald, bis ich zu unserem Lieblings-'mir-geht-alles-auf-den-Keks-ich-muss-hier-unbedingt-mal-raus'-Versteck kam: der Vorsprung, an dem ich Yuki gefunden hatte und an dem ich mich nach Jakes Prägung versteckt hatte.
Natürlich war seit dem Kampf mit der blutwütigen Bella nicht mehr viel von dem Vorsprung übrig, aber seine Bedeutung hatte der Ort für mich trotzdem nicht verloren.
„Yuki?“, rief ich laut nach ihr.
Sie antwortete nicht, aber das Zucken eines weißen Ohrenpaares hinter einem Felsbrocken verriet mit ihre Position trotzdem.
„Yuki, nur weil da so viele Vampire bei den Cullens sind, muss man doch nicht gleich wegrennen! Ich kann die Meisten davon ja auch nicht leiden, aber sie tun dir doch nichts!“ , versuchte ich sie zu überzeugen.
'Von wem sie das nur hat...', hörte ich Leahs ironische Stimme in meinen Gedanken, obwohl sie gerade gar kein Wolf war.
Ich schnaubte, hauptsächlich wegen dem Typen, der auf die Schnapsidee gekommen ist mich mit DIESEM Gehirn zu strafen, aber auch ein bisschen, weil ich wusste, dass meine Gedanken gar nicht so falsch lagen.
Ich trabte um den Felsbrocken herum und schaute auf meinen kleinen Schützling, der...
MOMENT!
„Wow!“, brachte ich staunend  heraus, „Das nenne ich mal einen Wachstumsschub!“
Ich guckte meine 'kleine' Yuki an, die inzwischen etwa die gleiche Größe haben dürfte wie ich.
„Wann bist du denn so gewachsen?“, lächelte ich, wobei ich versuchte meine Nervosität zu verbergen.
'Warum um alles in der Welt war sie so groß?'
'Das war keine normale Größe für einen Jaguar mehr!'
Yuki blickte verunsichert zu mir hoch.
Ich ließ mich neben ihr nieder.
„Andererseits... du dürftest jetzt etwa sieben Monate alt sein, daher solltest du jetzt eigentlich ausgewachsen sein“, sinnierte ich.
'Hoffentlich', fügte ich in Gedanken hinzu.
'Das mit ihrem Wachstum ist ja schon fast so wie bei Nessie!', dachte ich konsterniert.
Ich ließ meinen Blick über Yuki gleiten: „Ich dachte eigentlich, dass sich deine Fellfarbe noch ändern würde, aber anscheinend bleibst du wohl für immer mein kleines Schneeweißchen!“, lächelte ich.
Zumindest das schien ihr Mut zu machen. Ihre Augen verloren den traurigen Glanz und wurden wieder zuversichtlicher.
Ach so.
Darum ging es ihr.
„Keine Angst!“, sagte ich und schleckte ihr über den Kopf, „Egal was mit dir passiert ich hab dich immer lieb! Auch wenn du so groß wirst wie ein Elefant und ich befürchten muss, dass du auf mich drauf trittst, werde ich dich noch lieben, meine Kleine!“
Yuki senkte ihren Kopf und schmiegte sich an mich. Ich legte meinen Kopf auf ihren und wir verharrten für eine Weile so.

Wir saßen auf Leahs Sofa, Yuki zu unseren Füßen, und machten einen Filmeabend.
Zum Glück hatten die Clearwaters eine große Terrassentür, ansonsten hätten wir wirklich Probleme gehabt Yuki hier ins Wohnzimmer zu bekommen.
Prüfend ließ ich meinen Blick über die auf einem Tablett versammelten Leckereien gleiten.
Hm... Chips, Smarties, Schokolade, Kekse, Eiscreme, Cola, Fanta, noch mehr Chips und Schokolade und die Packung Röstzwiebeln, die von den Hot Dogs vom Abendessen noch übrig war.
Ich tippte mit meinem Esslöffel die einzelnen Packungen an und blieb schließlich bei den Röstzwiebeln hängen. Es gab einfach nichts besseres!
Ich schaufelte mir ein paar auf meinen Löffel und steckte diesen in den Mund.
Leah schaute mich skeptisch an: „Ist das dein Ernst?“
Ich schaute auf die Chipstüte in ihrer Hand 'Meat and Honey Flavour' stand darauf.
„Ist das DEIN Ernst?“, fragte ich zurück.
„Ja...“, sagte sie verunsichert, „Die sind super!“
„Ach ja?“, fragte ich nach.
Sie bot mir die Tüte an. Ich schaute von meinem, mit Röstzwiebeln beladenen, Löffel und der Chipstüte hin und her, dann zuckte ich mit den Schultern, lud mir noch ein paar Chips auf den Löffel und steckte die Kreation in den Mund.
„Iiiih, ist ja widerlich!“, sagte Leah und verzog das Gesicht.
„Köstlich!“, verbesserte ich sie und wiederholte die Prozedur.
„Schmeckt das wirklich?“, hakte sie nach.
„Na logo! Super lecker! Genauso wie Nutella und Gürkchen.“, beteuerte ich.
„Na hoffentlich nicht...“, meinte Leah misstrauisch und nahm sich auch einen Löffel, „Deine Essenskreationen hab ich sowieso noch nie nachvollziehen können!“
„Kunstbanause!“, grummelte ich.
„Na?“, fragte ich Leah aufgrund ihres kritisch-kauenden Gesichts.
„Ist tatsächlich lecker...“, stimmte sie zu, „Aber ich glaube ich will nicht wissen wie viele Kalorien ich mir mit diesem Löffel gerade zu eigen gemacht habe.“
Ich schnappte mir die Chipspackung, danach die Röstzwiebeltüte und schaute nach.
„Oh ne, das ist ja übel!“, rief ich entsetzt und legte beide Packungen weg, „Darauf erstmal 'ne Fanta!“
Leah schaute mir zu und schüttelte verständnislos den Kopf: „Du bist echt merkwürdig!“, stellte sie überflüssigerweise fest.
Ich schnappte mir eine Tafel Schokolade und schob mir die erste Rippe komplett in den Mund.
Leah langte auch kräftig zu und innerhalb kürzester Zeit hatte irgendwer unsere Tafel Schokolade geklaut.
Stöhnend hielten wir beide uns unsere Schmerzenden Bäuche.
„Weißt du, was das Sinnloseste überhaupt ist?“, fragte ich nachdem wir uns einige Zeit stillschweigend die Bäuche gerieben und dem Film gelauscht haben.
„Zebrastreifen?“, schlug sie vor.
„Ja.“
„Fußball?“
„Auch.“
„Fruchtfliegen?“
„Natürlich.“
„Windows Vista?“
„Ja, klar.“
„Mikrowellenabdeckhauben?“
„Auf jeden Fall!“
„Hamsterräder für Schnecken?“
„Wer kommt denn auf so eine Idee?!“
„Wasserkraftwerke in der Sahara?“
„Ja, sicher! Aber was ist das Überflüssigste, dass es auf der ganzen Welt gibt?“, unterbrach ich ihre Aufzählung.
„Keine Ahnung, aber du wirst es mir vermutlich gleich erzählen!“, schlussfolgerte sie.
Ich hielt ihr die leere Verpackung der Schokolade vor die Nase:
„Eine Haltbarkeitsdauer für Schokolade!“, erklärte ich fachmännisch, „Wer hebt denn schon Schokolade so lange auf, dass sie ablaufen könnte? Für sowas hat man doch Gemüse zu Hause!“
Sie stimmte mir schweigend zu.
„Sag mal was läuft da jetzt eigentlich mit Licas?“, fragte ich einer spontanen Eingebung folgend.
Sie drehte ihren Kopf und strahlte mich an: „Wir haben beschlossen es miteinander zu versuchen!“
„Glückwunsch!“, sagte ich aufrichtig, „Nicht, dass ihr eine andere Wahl gehabt hättet...“
Leah boxte mich in die Schulter.
„'Tschuldigung! Aber es ist doch wahr!“, sagte ich und musterte Leah, die noch immer strahlte, „Was denn noch?“
„Er hat mich geküsst!“, schwärmte sie und schien vor Glück geradezu zu zerspringen, „Und er kann sooooo gut küssen!“
"Naja, er hatte ja auch lange genug Zeit es zu üben", sagte ich und fügte kaum hörbar hinzu: " Und zahlreiche Gelegenheiten..."

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