Chapter 20

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Musik PLAY //  Emily Browning - Sweet dreams

Ich nahm den Bus und setzt mich in das extra abgetrennte Frauenabteil. Glücklicherweise war der Fahrplan auch in Englisch angegeben, sodass ich mich diesmal nicht mit den arabischen Schriftzeichen herumquälen musste. Außer mir war niemand im Bus, was mich etwas beruhigte. Ich versuchte tief durchzuatmen und mich zu beruhigen, während sich der Bus langsam weiter durch den abendlichen Verkehr der Hauptstadt schob. 

Es dauerte ewig bis ich an der Station angekommen war, die der amerikanischen Botschaft am nächsten war und von hier aus war es noch einmal eine halbe Stunde Fußmarsch. Ich hatte mir die Route natürlich vorher auf dem Handy herausgesucht - so etwas wie heute Morgen konnte ich beim besten Willen nicht noch einmal gebrauchen. Ich stieg aus und machte mich auf den Weg. Bei Nacht sah hier alles ganz anders aus. Bedrohlicher. Einmal bog ich falsch ab und stellte dies erst nach zehn Minuten fest, sodass ich fluchend den Weg zurückstampfen musste, doch irgendwann konnte ich die Palme erkennen, die neben dem Haus stand und die ich heute schon erklommen hatte. Es brannte Licht in einem der oberen Zimmer.

Ich setzte mich auf eine Mauer gegenüber des Hauses und wartete darauf, dass Ruhe in der amerikanischen Botschaft einkehrte. Was war ich hier eigentlich im Begriff zu tun? Einen Menschen ermorden? Damit war ich kein Deut besser als der Type der Roxy - 

Ich unterbrach meinen Gedanken abrupt. Daran durfte ich jetzt nicht denken. Ich musste jetzt konzentriert sein und durfte mich nicht ablenken lassen. Dieser Mann war ein Verbrecher, ein Terrorist. Auch wenn ich der Meinung war, dass der Tod niemals eine angemessene Bestrafung war, verdiente er den Tod mehr als Roxy es getan hatte. Doch das würde auch nichts mehr an der Situation ändern. Ich merkte wie in mir bereits das Gefühl der Enge emporstieg und begann meinen Brustkorb einzuengen. Ich schloss die Augen. Roxy war tot. Und daran würde sich auch nichts mehr ändern. Ich musste in die Zukunft sehen, sie hätte das bestimmt so gewollt. Ich musste mich darauf konzentrieren diesen Auftrag zu beenden, im Hier und Jetzt leben.

Nachdem ich mehrere Minuten tief ein - und ausatmend verbracht hatte fühlte ich mich besser und ich seufzte erleichtert. Im Haus brannte noch immer Licht , also würde ich wohl noch einige Zeit hier sitzen. Ich könnte in der Zwischenzeit mal meinen Plan gedanklich durchgehen beschloss ich. Ich würde durch die vordere Haustür eindringen, dann würde ich auf dem Weg zu Mr. Bridges Schlafzimmer irgendetwas mitgehen lassen um einen Raub vorzutäuschen. In seinem Schlafzimmer würde ich dann etwas Lärm machen, sodass er aufwachen würde. Er würde versuchen sich zu verteidigen, ich würde ihn erstechen und das Haus so schnell wie möglich entweder über die Hintertür oder durch den Keller verlassen, je nachdem was gerade günstiger war. Das klang nach einem realistischen Plan. 


Genervt trommelte ich mit den Fingern auf der Mauer herum, da sich im Haus noch immer nichts verändert hatte. Als nächstes drängte Will sich in meine Gedanken. Erst jetzt war mir so wirklich klar geworden, dass ich Will tatsächlich widergesehen hatte. Und was für ein Zufall das war. Nun gut so unwahrscheinlich war es auch wieder nicht. Immerhin war es durchaus plausibel in die Hauptstadt zu ziehen, vor allem wenn man ein Ehepaar mit terroristischen Aktivitäten war. Noch so ein Thema, über das ich lieber nicht länger nachdenken wollte. Ich glaubte natürlich nicht, dass Wills Eltern sich von den Roten getrennt hatten. Das heutige Auftreten seiner Mutter und Wills Schilderungen hatten wirklich nicht den Eindruck eines normalen Familienlebens gemacht. Ich hoffte nur, dass sie nicht allzu viel Mist anstellten, immerhin hatte ich ihnen zur Flucht verholfen, auch wenn es mir dabei nur um Will ging. Rein fachlich gesehen war meine Entscheidung mehr als nur falsch gewesen. Vom Tod einer Familie mit Terroristeneltern zu berichten, nur weil es einem leid tat den Sohn eventuell in Mitleidenschaft gezogen zu haben. 

Another IdentityWo Geschichten leben. Entdecke jetzt