Epilog

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Langsam bückte ich mich um mir eines der Heftchen zu nehmen. Überhaupt waren nur noch wenige da, jeder hatte es schon gelesen, jeder sprach darüber. Jeder wusste über wen der Artikel verfasst wurde aber niemand schien zu wissen, wer der Autor war. Oder doch die Autorin?
Ständig wurde spekuliert, aber nein, niemand hatte bisher zugegeben, dass er für den Artikel zuständig war. Mit dem Rücken an der Wand rutschte ich auf den Boden und strich über das Titelblatt. Die Schülerzeitung war das einzige Gesprächsthema. Niall war das einzige Gesprächsthema. Doch nichts hatte mich bisher dazu gebracht den heißdiskutierten Artikel zu lesen. Immer war ich weggegangen, sobald das Thema aufkam. Ich hatte nicht wissen wollen, was da drin stand. Ich wollte nichts über Niall wissen. Es tat zu sehr weh seinen Namen zu hören. Alle taten so, als trauerten sie um ihn aber war er ihnen nicht die ganze Zeit völlig egal gewesen?

Unsicher betrachtete ich das Deckblatt. Wollte ich das wirklich tun? Wollte ich mich wirklich damit quälen, den Artikel zu lesen?

Ich wäre nie auf die Idee gekommen, hätte mich nicht Jacob darum gebeten. Ich hatte ihn gestern auf dem Weg nach Hause getroffen und er hatte mich gebeten ihm eine Ausgabe mitzubringen, der Artikel war nicht nur Gespräch der Schule, sondern der gesamten Stadt, so hatte letztendlich auch Jacob davon erfahren. Wie hatte es so weit kommen können, war die allgemein bekannte Frage die nun nur noch öfter gestellt wurde.
Ja... Wie hatte es so weit kommen können? Mit zittrigen Fingern blätterte ich durch die Seiten bis mich Nialls Gesicht anstarrte.

Ihr wünscht euch ein Happy End? Richtig?
Euer Leben soll glücklich, erfüllt und wunderbar verlaufen. Ihr wollt nie krank sein, nie weinen, nie verzweifeln. Das ist euer Traum. So viele Geschichten erzählen von Happy Ends, erzählen davon wie am Ende alles gut wird, davon dass wenn es nicht gut ist, es auch nicht das Ende sein kann. Euer Leben soll wie eine romantische Komödie sein. Das Traurigste ist nur ein Traum und der Traumprinz in der strahlenden Rüstung wird an der nächsten Straßenecke auf euch warten, um euch vor dem Auto zu retten vor das ihr ohne ihn gelaufen wärt. Glück. Das ist euer Ziel und ihr tut alles damit IHR das auch erhaltet.
Dreht ihr euch je um und fragt euch, wie es anderen geht? Seht ihr je wirklich jemanden an und fragt euch, was diese Person opfert bei dem Versuch glücklich zu werden? Woran diese Person gezweifelt hat? Woran sie vielleicht zerbricht?
Seht ihr je Augenringe und überlegt was sie hervorgerufen hat? Welche Albträume die ganzen Nächte zu purer Qual werden lassen? Albträume die möglicherweise nicht mit dem Morgengrauen aufhören, sondern den ganzen Alltag bestimmen.
Wovon könnten solchen schlaflosen Nächte handeln? Liebe, oder eben nicht? Ist das möglich? Sollte Liebe nicht eigentlich etwas sein, das einem den Lebenssinn schenkt? Wer hätte gedacht, dass es einen auch innerlich zerreißen kann?

Liebe oder das Streben nach Liebe kann jemanden erfüllen, ihn vollkommen glücklich machen. Zur selben Zeit kann aber auch das genaue Gegenteil passieren.
Ein Verlust von purer, wahrhaftiger Liebe ist das Schlimmste was einem Menschen passieren kann. Pure, wahrhaftige Liebe ist so erfüllend, schenkt so viel Kraft und Freude, dass man sich nicht vorstellen kann, ohne sie weiter zu leben. Es ist etwas Wunderbares und ich wünsche mir ehrlich, dass ihr das in eurem Leben finden werdet. Jeder Mensch verdient das! Diese Liebe kann euer wahres Glück sein, es kann alles sein, wofür es sich zu leben lohnt, und dafür solltet ihr kämpfen. Aber achtet nicht nur auf euch. Es kann erfüllen anderen zu helfen und es kann zerstören, andere zerbrechen zu sehen. Ihr seid nicht der Mittelpunkt der Welt, andere zu verletzen, um die eigenen Ziele zu verfolgen, sollte nie ein Mittel zum Zweck sein!
Doch eine Person alleine kann nicht immer alles retten. Den Versuch sollte man trotzdem wagen, so hoffnungslos es auch scheint. Es kommt auf das Große und Ganze an. Wenn einer Person immer wieder eingetrichtert wird, nichts wert zu sein und das über mehrere Jahre ist es fast unmöglich irgendetwas zu tun. Sobald diese Person an sich zweifelt, daran zweifelt, ob sie wirklich etwas wert ist, beginnt sie dir aus den Fingern zu gleiten.

SchülerVertretung {Ziall}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt