Kapitel 69

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„Was willst du Niall?“

Ich musste erst schlucken bevor ich ein Wort raus brachte. Warum war das plötzlich so schwer? „Wir müssen reden. Mich zu ignorieren hilft doch auch keinem.“

„Ach und was willst du mir sagen? Das du wieder mal so ne scheiß Nummer abgezogen hast wie in der SV als du behauptet hast schwul zu sein wäre falsch? Wirklich jetzt? Was sollte dieser scheiß Satz heute überhaupt bedeuten? Und dann sitzt auch noch Jacob neben dir. Geht in deinem Hirn eigentlich nur Scheiße ab?“

Ich bohrte meine Fingernägel in meine Handinnenfläche um nicht in Tränen auszubrechen. Er hatte ja Recht, meine Aktion war bescheuert gewesen!
„Es... Es tut mir leid aber mir ist kein anderer Satz eingefallen.“

„Wie witzig. Weißt du was sollst du doch sagen was du willst aber mir wird das zu dumm. Für so einen Schwachsinn riskiere ich nicht alles!“

„Nein Zayn.“ Verzweifelt krächzte ich. „Es tut mir wirklich leid. Ich hätte das nicht sagen sollen aber du hast mich dazu gedrängt etwas zu sagen und ich wusste nur noch diesen einen Satz.“

„Und dann musst du ihn auch noch aussprechen. Komm schon verarschen kann ich mich selber. Du bist doch auch nur auf dein Image fixiert aber es stört dich wenn ich mir um meines Gedanken mache. Wie kann man nur so selbstzentriert sein?“
„Ich bin nicht selbstzentriert aber du musst doch verstehen wie schwer das für mich ist!“

„Bitte, du hättest auch einfach sagen können dass dir kein Beispiel einfällt, dann wäre auch alles in Ordnung gewesen. Aber stattdessen haust du diesen sinnlosen Satz raus. Was sollte ich da bitte deiner Meinung nach machen? Jeder weiß dass in dem Kurs ein schwuler Schüler sitzt und dass ich selber schwul bin. Zu diesem Verhalten gibt es keinen besseren Begriff als kindisch!“

Ich kämpfte mit den Tränen als ich nach einer Antwort suchte.

„Bitte versuche doch mich zu verstehen.“
„Was glaubst du mache ich seit ich dich getroffen habe? Ich mache alles um dir zu Seite zu stehen und riskiere alles aber langsam wird mir das Ganze ne Nummer zu groß! Und du bist dir bewusst dass ich mir Sorgen mache und bestätigst die nur durch dein Handeln. Ich meine was soll das werden? Machst du dir keine Gedanken über irgendetwas?“

Ich griff in mein Kissen und drückte so fest zu wie ich konnte.
„Ich... Ich wusste nicht was ich sagen sollte und dieser Satz hat mich verfolgt. Ich habe nicht aus dem Kopf bekommen wie mich dieses eine Wort von der Tafel aus angeschrien hat. Mein Kopf war einfach leer und da war nur noch diese Stimme...“
„Von was redest du? Du gibst nur sinnloses Zeug von dir. Was für ein Wort? Was für eine Stimme?“
„Von meinem alten Lehrer. Wie das Wort homo in weißer Kreide mich anzuschreien schien. Das Gefühl als es dort stand. Wie ich mit den Tränen kämpfen musste und einfach versucht hatte den Schmerz auszublenden. Es tut mir so leid...“

„Dein ehemaliger Englischlehrer hat diesen Satz an die Tafel geschrieben? Aber was soll der überhaupt bedeuten?“

Verzweifelt begann ich lauter zu reden als ich „Ich weiß es doch auch nicht“ antwortete.

„Es tut mir ja Leid was da mit deinem Lehrer gelaufen ist. Aber was soll ich deiner Meinung jetzt machen? Ich kann den Vorfall ja schlecht ignorieren.“ Auch seine Stimme wurde immer lauter, was mich immer mehr zum Beben brachte. Was regte er sich so auf. Was hatte er bitte von mir erwartet? Er hatte doch vorher schon geschlossen dass ich kindisch war. Wieso war er überhaupt bei mir geblieben? Ich schien ja seiner Meinung nach nur Ärger zu bringen! Sollte er doch gehen. Mir sollte es Recht sein!
„Ich weiß es doch auch nicht!“

„Sag mir was. Sag mir eine Lösung. Denn ich kenne keine. Ich brauche Hilfe verdammt. Ich kann das Ganze nicht andauernd alleine lösen. Ich finde langsam keine Lösungen mehr. Keine Ahnung ob es überhaupt noch welche gibt. Ich kann nicht alleine all unseren scheiß Probleme lösen. Ich gebe ja mein Bestes aber siehst du nicht dass mir das alles über den Kopf wächst? Ich verbiege mich um es einigermaßen zu meistern aber es will mir einfach nicht mehr gelingen. Siehst du das nicht? Alles bricht in sich zusammen und was machst du? Du zündest den Schutthaufen auch noch an! Ich versuche ja zu verstehen dass du da auch nicht weiter helfen kannst. Aber alles was du zu machen scheinst ist es zu verschlimmern.“
„Zayn bitte. Hör auf.“ Ich wollte nicht mehr zuhören. Ich wollte nicht hören wie er fortfuhr. Ich wusste worauf das hinaus lief.
„Nein. Sag nichts! Sei einfach mal für einen Moment still! Ich meine was erwartest du? Das du mit dem Ganzen wegkommst weil du es mit dem Lehrer treibst? Ist es das was du willst?“
Wieder unterbrach ich ihn. Wollte ihn zum schweigen bringen aber er schrie mich einfach nur um so lauter an um meine Stimme zu übertönen.
„Nein. Ich habe gesagt sei leise. Verdammt höre doch nur ein Mal auf mich! Ich kann dich da nicht raus boxen. Das hat man davon wenn man sich auf einen Schüler einlässt. Ich muss mich zwischen Beruf und Liebe entscheiden. Das sollte niemand machen! Du solltest mich nicht in so eine Situation bringen. Ich möchte dir ja helfen aber es waren alle aus dem Kurs dabei als du diesen Satz rausgehauen hast. Es würde wohl komisch kommen wenn darauf keine Folgen kommen. Oder nicht? Was erwartest du? Ich kann da nichts machen! Das alles hätte nicht passieren dürfen. Wir hätten nicht passieren dürfen. Alles was wir davon haben sind gebrochene Herzen und verdammt viele Probleme. Zu viele Probleme. Ich liebe dich aber mir wird das echt zu viel! Es tut mir leid.“

„Nein Zayn! Nein. Nicht!“
Die Tränen hatten angefangen zu laufen als ich mein Kissen, das ich bis dahin immer noch in der Hand gehalten hatte, gegen die gegenüberliegende Wand schleuderte.
Ein Schrei, so laut ich konnte, entfloh meiner Kehle in der Hoffnung die Lautstärke wurde den Schmerz übertönen. Das war aber nicht der Fall...

Meine Mutter stürmte in mein Zimmer als ich am Boden zusammensackte. Mein Handy hielt ich immer noch mit aller Kraft an mein Ohr gepresst als das monotone Piepen zu mir drang. Er hatte aufgelegt. Ohne mir auch nur eine Chance zu geben ihm zu Antworten. Ohne auch nur die letzte Chance zu lassen, dass ich das irgendwie wieder gerade bog.
Ich nahm das von vorhin gedachte zurück! Ich wollte nicht dass er ging. Ich wollte dass er bei mir blieb. Wie sollte ich das ohne ihn durchstehen. Wie sollte ich ohne ihn die Welt konfrontieren? Wie sollte ich ohne ihn überleben?

Die Tränen flossen und flossen. Ich nahm meine Mutter kaum war die versuchte mich zu beruhigen. Sie redete auf mich ein aber das einzige Geräusch auf das ich mich konzentrierte was das monotone Piepen meines Handys. Ich belendete ihre Berührungen völlig aus. Ich wollte das nicht. Ich wollte nicht hier sein. Ich konnte nicht hier sein. Er hatte das nicht gesagt. Das war alles nur Einbildung! Ich würde das niemals überstehen. Ich hatte es bis hier hin nur durch ihn geschafft. Ohne ihn? Was war ich da schon? Ein nichts! Er machte mich zu dem was ich war!

SchülerVertretung {Ziall}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt