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Der Wecker riss mich um 7:00 Uhr morgens aus meinen Träumen. Als ich meine Augen öffnete, wusste ich in der ersten Sekunde gar nicht, wo ich mich befand, doch es fiel mir sofort wieder ein. Natürlich, wie konnte ich das auch nur vergessen? "Ist es schon morgen?", hörte ich Thomas neben mir brummen und ich zuckte kurz zusammen, als er schlaftrunken ausholte und auf den Wecker schlug, um ihn zum Schweigen zu bringen.

Ich wuschelte ihm kurz durch sein Haar, doch Thomas öffnete seine Augen nicht, denn er war schon längst wieder eingeschlafen. Da musste ich also härtere Maßnahmen ergreifen. "Thomas, steh auf!", rief ich und zog ihm die Decke weg. "Chloe, bitte, ich bin sooo müde!", jammerte er und patschte unbeholfen mit den Händen um sich, in dem Versuch, seine Decke wieder zu ergattern.

Ich sah ein, dass es sinnlos war. Da ich aber nicht auch noch zu spät zum Frühstück kommen wollte, ging ich duschen. Die ganze Zeit, die ich im Badezimmer verbrachte hörte ich keinen Mucks aus dem Zimmer, was anscheinend bedeutete, dass Thomas immer noch tief und fest schlief. Er würde zu spät zum Frühstück kommen, doch selbst ich hatte keine Lust mehr darauf, wenn ich bedachte, dass ich Candice wiedersehen würde.

Ich fragte mich, was wir alles noch mit ihr erleben durften, bis die Zeit des Drehs vorbei war. Bei so einer kranken Person wie bei ihr musste man mit allem rechnen können. Ich konnte nur hoffen, dass ich nicht in den Genuss ihrer Kreativität kommen würde, darauf konnte ich nämlich ohne Probleme verzichten.

"Thomas, ich würde mich lieber beeilen, sonst kommst du noch zu spät", murmelte ich, als ich fertig kurz vor Beginn des Frühstücks vor der Tür stand. "Oh Shit, geh schonmal vor und sag bitte, dass Wasser aus der Dusche gelaufen ist, das ich aufschrubben musste oder lass dir einfach was einfallen. Bitte tu das für mich, ok?", brabbelte er vor sich hin. Er suchte sich hektisch seine Klamotten zusammen, küsste mich kurz und war dann auch schon im Bad verschwunden.

Ich musste ein Kichern unterdrücken und machte mich auf den Weg zum Frühstücksaal, in dem sich schon alle, außer Thomas, versammelt hatten. Kaya saß strahlend wie noch nie neben Dylan und winkte mir freudig zu. Ich setzte mich neben sie und konnte noch nicht mal die anderen begrüßen, bevor sie sich zu meinem Ohr vorbeugte. "Ich muss dir dringend etwas erzählen, bevor wir nacher arbeiten, Chloe. Kommst du nach dem Frühstück in die Lobby?", flüsterte sie kichernd und total aufgedreht in mein Ohr. Ich stimmte dem Vorschlag zu. Nun war ich aber sehr gespannt, was in der letzen Nacht zwischen ihr und Dylan geschehen war.

Als nächstes entschuldigte ich Thomas bei allen, wobei er genau in dem Moment angestürmt kam. Dafür, dass er soviel zu spät war, hatte er es eigentlich doch ziemlich schnell geschafft. "Was ist mit Kaya und Dylan los?", fragte er mich leise. Ich musste grinsen. "So sehen wir beide auch aus", kicherte ich und küsste ihn kurz.

Candice gab eigentlich das ganze Frühstück kaum einen Mucks von sich, was mich sehr erstaunte. Ich hätte sie schon fast vergessen können, doch genau da musste sie ja unbedingt aufstehen und mich ansprechen. "Chloe, würdest du mir bitte helfen, den Wagen mit den Delikatessen schon einmal mit mir hier nach unten zu schieben?" Sie klimperte mit ihren Wimpern, was bei mir mal wieder einen entsetzlichen Würgereiz hervorrief. Am liebsten würde ich sie fragen, ob sie ihren Kram nicht allein erledigen könnte oder ob ihr sonst ein Fingernagel abbrechen würde, doch ich stand auf und stellte mich neben sie.

Thomas starrte mich voller Mitleid an, was ich nur verstehen konnte. "Na komm", zwitscherte Candice und ich folgte ihr widerwillig aus dem Speisesaal. Sie lief schnell auf den Aufzug zu und ich musste mich anstrengen, mit ihr Schritt zu halten. Warum hatte sie es denn so eilig? Sie waren doch erst in ein paar Stunden mit den ersten Gesprächen an der Reihe, da musst sich keiner stressen.

Als der Aufzug anhielt und vor uns mit seinem geputzen Spiegel und der roten Samttapete erschien, zögerte ich kurz, denn der Gedanke mit Godzilla auf so engen Raum zu stehen, verursachte mir Gänsehaut. Als ich mich allerdings in den Aufzug begab, huschte sie kurz noch einmal in den Flur. Sie meinte, dass sie noch etwas vergessen hätte und nachkommen würde.

Der Aufzug startete seine Fahrt, auf dem kleinen Bildschirm wurde als Ziel der 8. Stock angezeigt. Gähnend lehnte ich mich an die Wand. Ich war müde, da ich letzte Nacht so lange wachgewesen war, doch es war so perfekt gewesen, dass an Schlaf noch nicht einmal zu denken war. Auf einmal stoppte der Aufzug seine Fahrt abrupt und da Licht flimmerte für einige Sekunden nur noch leicht.

Ich hasste es, in Aufzügen festzustecken, zum Glück hatte ich keine Klaustrophobie, doch ich hatte ein Problem damit, mir die Zeit zu vertreiben, bis er wieder anspring. Ich drückte den Knopf mit der Glocke lange und tief, in der Hoffnung, dass sich an der Sprechanlage irgendjemand melden würde. Natürlich fehlgeschlagen, das wäre ja auch zu einfach gewesen. Was sollte ich denn nur machen? Wie lange würde ich hier wohl feststecken? Thomas würde sich Sorgen machen und ich käme zu spät zum Treffen mit Kaya. Schließlich sah ich ein, dass es nichts brachte, sich Panik zu machen, schließlich käme ich so auch nicht weiter.

Nach einigen Minuten, die mir allerdings eher wie Stunden vorkamen, setzte sich der Aufzug endlich wieder in Bewegung. Als sich die Tür im 8. Stock öffnete, stand Candice mit vor Schreck weit geöffnteten Augen vor mir. "Oh mein Gott Chloe, geht es dir gut? Ich habe niemanden erreicht und bin so froh, dass du endlich da bist", sagte sie und ich konnte spüren, wie sie es gekünstelt hervorwürgte. Durch sie wollte ich mir meine Laune allerdings auch nicht verderben lassen. "Also, Candice, in welchen Raum muss ich? Beeil dich bitte, ich habe nicht ewig Zeit!", keifte ich sie wütend an. "Da!", meinte sie nur und deutete auf einen Raum links neben ihr.

Ich begab mich schnell in den Raum, konnte allerdings keinen Essenswagen entdecken. Gerade als ich sie darauf ansprechen wollte, vernahm ich ein Klicken der Tür, die ins Schloss fiel und das anschließende Klacken, als sie abgeschlossen wurde. Blitzschnell sauste ich zur Tür und hämmerte mit den Fäusten dagegen. "Candice, lass mich sofort hier raus, sonst kannst du was erleben!", brüllte ich.

"Ach ja, wirklich?", kicherte sie. "Ich dachte, dass dir wenigstens der Aufzug einen Schrecken einjagen würde, leider fehlgeschlagen, doch das hier tut es bestimmt. Du fragst dich gerade bestimmt, wie du hier rauskommen kannst. Es ist ganz einfach: Du bleibst so lange hier drin, bis du dich dazu bereit erklärst, dich von Thomas zu trennen! Du bist dann frei doch dein Tommy nicht mehr dein!"

London Boy (Thomas Sangster FF) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt