38

2.6K 160 16
                                    

Nach einigen Stunden, in denen ich mich ausgeheult hatte, ging es mir schon etwas besser, wenn man in meiner Situation überhaupt schon von 'besser' sprechen konnte. Ich war gelangweilt, was ich mal als gutes Zeichen deutete. Nun müsste ich nurnoch irgendetwas finden, das mich ablenken würde, bevor ich wieder in ein tiefes Loch fallen würde.

Ich musste die Zeit überbrücken, bis Dylan von seinem Gespräch mit Kaya wieder zurückkam und er mir erzählen konnte, was er herausgefunden hatte. Was konnte ich also machen? Denk nach, Chloe, auf was hast du momentan Lust? Die Frage brauchte ich mir eigentlich gar nicht zu stellen, da mein Wunsch, bedauerlicherweise, nicht erfüllt werden konnte.

Doch auf einmal fiel es mir ein, Dylan hatte ja vorgeschlagen, zur Entspannung Yoga zu machen. Das würde ich jetzt auch machen, da Entspannung etwas war, was ich eindeutig mal wieder brauchte.

Ich huschte aus dem Zimmer, darauf bedacht, dass ich niemandem auf dem Flur traf. Ich sah nämlich wie ein Zombie aus und das wollte ich wirklich niemandem zumuten. Stille erstreckte sich über den Flur und ich nutzte die Gelegenheit, um mich ins Treppenhaus zu begeben. Ich hatte dazugelernt. Der Aufzug würde mich so bald nicht wiedersehen.

"Guten Tag, ich wollte fragen, ob noch ein Platz im Yogakurs frei ist?", fragte ich freundlich und lächelte die Frau an der Rezeption an. "Einen Moment bitte." Sie tippte einiges auf dem Computer ein und währenddessen linste ich vor die Tür auf die Straße. Fröhliche Passanten liefen, für diese Jahreszeit ziemlich leicht bekleidet, mit prall gefüllten Einkaufstaschen.

Wenn ich daran dachte, dass ich so gerne mit Thomas da draußen stehen würde, krampfte mein Herz sich wieder schmerzhaft zusammen und ich musste die Tränen unterdrücken. Was hatte ich falsch getan?

"Der Kurs fängt in fünf Minuten in Raum 112 statt. Viel Spaß!", lächelte die Frau mich an und ich bedankte mich bei ihr. Hoffentlich hatte Dylan Recht und ich könnte das erste mal seit zwei Wochen mal wieder etwas entspannen und mich wieder wie ein Mensch fühlen.

Ich hasste es so, dass ich wie eine Klette an Thomas hing und mein Leben nicht einfach weiterleben konnte, doch ohne ihn war es nicht mehr mein Leben. Ich könnte unmöglich in dem Wissen, dass er möglicherweise gerade ein Haus neben mir eine andere küsste, weiter neben ihm in London wohnen. Das würde dann mal wieder neue Heimat bedeuten und keine Freunde haben, ein neues Leben, obwohl doch diesmal alles so perfekt schien.

Ich öffnete die Tür zu Raum 112 und betrat den Raum. Es lagen schon viele Isomatten auf dem Boden und der Lehrer hatte sich vor dem Spiegel vor die Gruppe gestellt. Ich ließ meinen Blick über die Gruppe schweifen und übergab mich fast, denn die einzige freie, graue Matte musste sich natürlich neben Candice befinden.

Widerwillig stellte ich mich auf sie und richtete meinen Blick starr nach vorne auf die lächelnde Leiterin, eine etwa 40-jährige kleine Frau mit kurzen, schwarzen Haaren. Der Kurs fing ja schon gut.

"Na, Chloe auch hier, ohne deinen Tommy!", sagte Candice voller gespieltem Mitleid, für das ich ihr mit ganzer Kraft hätte ins Gesicht treten könnte. Doch ich war hier beim Yoga, ich musste mich entspannen und nicht noch meine Aggressionen verstärken. Candice war unter meinem Niveau und mit solchen Leuten gab ich mich nicht ab.

Dylan hatte nicht zu viel versprochen, denn nach einigen Übungen ging es mir schon besser und ich konnte das erste mal seit Wochen auch mal an etwas anderes als Thomas' Verrat denken. Vielleicht könnte ich mich in ein paar Jahren neu verlieben, aber auch nur, wenn ich genug Yoga machen würde. Ich war echt verrückt. Als die Stunde zu Ende war, fühlte ich mich wie neugeboren und lächelte auch mal wieder von selbst.

"Nächste Woche ist der nächste Kurs. Ich würde mich sehr freuen, wieder auf euch zu treffen. Eine schöne Woche!", verabschiedete sie sich von uns, packte ihr Tasche zusammen und verließ den Raum. Ich blickte mich zu den anderen Teilnehmern um und konnte es nicht fassen. Candice stand da und küsste einen Jungen, der niemand anderes war als der Junge, der vor einigen Stunden in meiner Suite an meinem Handy saß und irgendetwas Merkwürdiges darauf rumtippte.

Dass er Candice kannte, bestätigte mein Gefühl, dass irgendetwas faul an der Sache war und ich beschloss, an der Sache dran zu bleiben und Dylan davon zu erzählen.

Da ich mittlerweile einer der letzten war, beschloss ich mich mal wieder in die depressive Phase meines Lebens zu begeben. Vielleicht lief ja ein guter Liebesfilm im Fernsehen und ich könnte mal wieder weinen, was ich ja schon so lange nicht mehr getan hatte. Oh, oh! Ich wurde sarkastisch, das war eindeutig kein gutes Zeichen. Ich brauche Thomas! Du wirst ihn aber nicht bekommen! Das war meine innere Stimme. Und ich wusste, dass sie Recht hatte.

Vor der Tür warteten Dylan und Kaya auf mich. Verwirrt blickte ich Dylan an, da Kaya sich ja schließlich in den letzten zwei Wochen von mir abgewandt hatte, also was wollte sie hier? "Komm mit!", forderte Dylan und packte mein Handgelenk. Verwirrt folgte ich den beiden in die Suite, in der wir auf einen fremden Mann trafen. Was wollte der denn hier?

"Na los, sag ihr, was du herausgefunden hast!", forderte Dylan den Mann auf und ich ließ mich verwirrt auf der Couch nieder. Der Mann holte einen Laptop aus der Tasche und tippte erst einmal schweigend minutenlang vor sich irgendetwas hin. Nun richtete er seinen Blick vom Bildschirm auf mich und räusperte sich.

"Es geht um die anonymen SMS. Ich habe nun die Nummer herausgefunden und morgen werden wir testen, ob meine Vermutung stimmt", sagte er und widmete sich wieder seinem Laptop. Ich war unendlich erleichtert, dass die Nummer ausfindig gemacht wurde, doch meine Verwirrung war immer noch zu groß.

"Chloe, das ist Mister McDean, ein Privatdetektiv. Kaya und ich hatten nämlich eine Vermutung, was die anonymen SMS angeht, die sich morgen hoffentlich bestätigt. Die Nachrichten hätten dann ein Ende und du könntest wieder in Ruhe leben!", verkündete Dylan strahlend.

Das waren zwar großartige Neuigkeiten und ich war sehr gespannt, was wir morgen herausfinden werden würde, doch mein eigentliches Problem wurde dadurch nicht gelöst.

Als würde sie meine Gedanken lesen können, ergriff Kaya nun das Wort. "Falls unsere Vermutung zutrifft, müssen sich Thomas und du unbedingt aussprechen, dafür werden wir sorgen! Also, Chloe, morgen wird ein wichtiger Tag für dich!"

London Boy (Thomas Sangster FF) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt