Kapitel 37

555 36 3
                                    

Als ich zu Ende erzählt hatte, starrte ich in Eds ausdrucksloses Gesicht. Obwohl sein Mund leicht offen stand, konnte ich nicht sagen, was er fühlte. Sollte ich Angst haben? Nein, garantiert nicht, schließlich war das meine Vergangenheit. Er hatte nicht das Recht, mich dafür zu verurteilen. Außerdem hatte ich zum Ausdruck gebracht, wie sehr es mir leid tut.  


„Willst du irgendwas dazu sagen, oder kann ich jetzt schlafen gehen?", sagte ich, mit einem Blick auf die Uhr. Der Tag war ziemlich anstrengend gewesen und ich hatte keinen Bock darauf, hier still rumzusitzen. Als keine Antwort kam und Ed weiter die Wand anstarrte, stand ich resigniert auf, um ins Bad zu gehen. 


Ich hätte lügen sollen, dachte ich, während ich meine Haare entwirrte. Jeder Typ wäre geschockt, wenn ich ihm das erzählt hätte. Aber er vor allem, weil er auch berühmt ist und jetzt auf den Gedanken kommen könnte, ich würde ihn auch nur benutzen. Dass unsere Beziehung eine Lüge sei. Aber, das konnte Ed doch nicht denken, oder? Verdammte Scheiße, natürlich, was sonst?


Ich stürmte aus dem Bad und sah geschockt, dass Ed gehetzt Sachen in seinen Koffer schmiss. Scheiße. „Du kannst nicht einfach abhauen.", sagte ich verzweifelt. Er sah mich nicht an, als er sagte: „Nachdem, was du mir erzählt hast, muss ich über das hier ernsthaft nachdenken. Ich brauche eine Pause von uns." Ich riss geschockt meine Augen auf. Das konnte nicht sein Ernst sein. „Ich benutze dich nicht! Die ganze Sache ist lange her, ich hab mich verändert. Sowas würde ich dir niemals antun." Er reagierte nicht, sondern schloss nur den Reissverschluss und nahm die Tasche in die Hand. Er ging tatsächlich in Richtung Tür. Ich wollte ihm eigentlich sagen, dass ich ihn liebte, aber soweit würde ich nicht sinken. Zu betteln, dass er blieb, war schon zu viel gewesen. Also blieb ich stumm stehen und hörte die Tür mit einem endgültigen Geräusch zu fallen. Scheiße.


„Was machst du jetzt?" „So bald, wie möglich, nach Hause fliegen." Ich hatte Pia am Telefon schon alles über mein Ed-Dilemma erzählt. „Aber du weißt schon, dass ihr zusammen wohnt, oder?" „Ich dachte, ich könnte vielleicht für ein paar Tage bei euch unterkommen?", fragte ich unsicher. Natürlich wollte ich niemanden auf die Nerven gehen, aber schließlich war es nicht lange her, dass ich da auch gewohnt habe. James war mir das eigentlich schuldig, oder? „Klar kannst du das, warum hast du nicht gleich gefragt?" Ich atmete erleichtert auf. Dann war das auch geklärt. Jetzt musste ich nur noch irgendwie einen Flug bekommen. Doch auch das war nicht schwierig. Ich buchte einfach den billigsten, den ich auf die Schnelle fand. Morgen früh würde erst mal Schluss mit USA für mich sein.


Auch wenn die Hotelangestellte ach zu gerne gefragt hätte, warum ich alleine abreiste, mein Blick ließ das absolut nicht zu. Ich winkte mir, draußen, schnell ein Taxi herbei und wuchtete meinen Koffer in das Auto. „Wo gehts hin?" „John F. Kennedy Flughafen, bitte." Er nickte und schaltete das Radio an. „...verließ gestern alleine das Hotel. Haben sich die beiden wohlmöglich bereits getrennt? Obwohl das Baby, laut eigenen Aussagen, Ende September kommt, könnte es sein, dass..." „Können Sie das bitte ausstellen?", fragte ich laut, damit ich den Rest nicht hören musste. Murrend wechselte der Typ den Sender. Natürlich lief dort ‚Sing'. Immer noch besser, als irgendwelche Gerüchte über uns, aber allein seine Stimme zu hören, schmerzte mich ungemein. 


Zum Glück kamen wir, wegen der frühen Stunde, ziemlich schnell an. Ich bezahlte den Fahrer ohne ein weiteres Wort. Schwerfällig versuchte ich, meinen Koffer heraus zu bekommen, als plötzlich jemand auf Deutsch sagte: „Warte, ich helfe dir." Verwirrt drehte ich mich nach meinem Retter um. Der braunhaarige Typ gab mir lächelnd die Hand, nachdem er den Koffer auf den Boden gestellt hatte. „Dankeschön.", sagte ich überrascht. „Woher wusstest du, dass ich Deutsch bin?", fragte ich, wurde jedoch von einem lauten Rufen übertönt, dass wir doch bitte aus dem Weg gehen würden. Lachend betraten wir das Gebäude. 


„Ich bin übrigens Tim." „Ich heiße Jojo." „Ich weiß." Was zum...? „Ich hab dich im Fernsehen gesehen. Deswegen wusste ich auch, dass du aus Deutschland kommst.", sagte er grinsend. Na toll. Ich hatte jetzt garantiert keinen Bock darauf, auf Ed angesprochen zu werden. Das sah man mir wohl an, deswegen safte er schnell: „Ich will dich auch nicht weiter nerven. Aber, fliegst du auch nach London?" „Klar." „Cool, da wir beide offensichtlich alleine sind, könnten wir ja vielleicht einen Kaffee zusammen trinken? Ich lade dich auch ein." Okay, der Typ war extrem merkwürdig. Aber mein Gehirn schrie nach Koffein, mal wieder. Außerdem hatte er mir geholfen. Innerlich die Augen verdrehend, nickte ich, mehr oder weniger überzeugend. 


So nervig war Tim dann doch gar nicht. Er sprach mich nicht ein einziges mal auf Ed an und wir unterhielten uns super über mein Studium und über seinen Job als Programmierer. Wir gingen danach auch zusammen zum Gate, mussten uns später aber trennen, weil ich in einem anderen Teil des Flugzeuges meinen Platz hatte. Es war auf jeden Fall besser gewesen, als alleine warten zu müssen und er hatte mich auf andere Gedanken gebracht, so dass ich Ed fast vergessen hatte. Aber nur fast, schließlich trug ich sein Kind in meinem Körper. Plötzlich überkam mich ein schreckliches Gefühl. Was, wenn er mit ‚Zeit zum Nachdenken' eine Trennung meinte? Das konnte er nicht machen, oder? Ich wollte nicht alleinerziehend sein und vor allem, wollte ich ihn nicht verlieren. Nicht schon wieder.



Where we land || Ed SheeranWo Geschichten leben. Entdecke jetzt