Kapitel 36

624 31 0
                                    

„Alles begann mit meinem Beschluss, nach Amerika zu gehen..."



Ich war gerade 18 geworden und hatte Stress mit meinen Eltern gehabt, so wie immer. Es hatte mir einfach gereicht. Ich packte meinen Laptop, ein paar Klamotten, einen Schlafsack und Geld in meinen Rucksack und nahm den nächstbesten Flieger nach New York. Den Flug hatten mir meine Großeltern finanziert, die dachten, meine Eltern wissen davon. Dabei hatten diese das erst nach zwei Wochen von Marc erfahren. 


Nachdem ich erst einmal bei Freunden untergekommen war, die ich während eines Schüleraustausches kennengelernt hatte, sind wir auf eine Party gegangen. Ich weiß nicht mal mehr, wie wir da rein gekommen sind. Es war echt zu viel Alkohol verfügbar gewesen, als dass ich mich an alles erinnern konnte. Dann war da dieser Typ, der mir eigentlich schon von Anfang an aufgefallen war. Natürlich nicht nur mir. Irgendwie kamen wir uns an dem Abend näher. Doch mehr als rumknutschen war da nicht gelaufen. Aber irgendwie war er mir in Erinnerung geblieben.



Ein paar Tage später haben wir uns wieder getroffen, keine Ahnung, woher er meine Handynummer herbekommen hatte. Er ‚beichtete' mir, dass er ein ziemlich bekannter Rapper ist. Ich wusste in diesem Moment wirklich nicht, was ich davon halten sollte. Als er jedoch damit ankam, dass er auf Tour gehen würde und ich mitkommen konnte, kam ich ernsthaft ins Grübeln. Schließlich brauchte ich vor allem Geld und eine Unterkunft. Ohne das, würde ich nicht mehr lange hier bleiben können. Ich wollte nicht nach Hause. Auf gar keinen Fall. Und Steven hatte Geld und wenn ich die Tour mitmachen würde, würden wir irgendwo übernachten können. Die logische Verknüpfung war, mit ihm mitzukommen. Er war mir zwar absolut sympathisch, doch mir machte Angst, dass er sich von mir offensichtlich mehr von mir erhoffte als eine Freundschaft. Andererseits versprach er mir ein Abenteuer, wie ich es vielleicht nie wieder erleben würde. 


Natürlich entschied ich mich, so dumm wie ich war, für Stevens Angebot und bereits am nächsten Tag ging es los. In New York war seine erste Show und ich musste erfahren, dass er bereits eine breite Fangemeinde hatte. Scheiße nochmal, die hatten ernsthaft viel Geld dafür ausgegeben, ihn hier zu sehen. Und es standen bereits manche Fans vier Stunden vorher in der Schlange.


Ich hatte den Abend Backstage verbracht und hatte mich mit seiner Tour-Managerin, Malala, unterhalten. Irgendwie kam sie mir nett und verständnisvoll vor, also vertraute ich ihr den Grund an, warum ich überhaupt mitgekommen war. Natürlich war sei geschockt, hat mich aber irgendwie verstanden. „Aber eine Sache noch: Wenn du ihm das Herz brichst, bring ich dich um." Ich hätte wissen müssen, dass sie das nicht als Scherz gemeint hatte. 


Nach der Show sind Steven und ich ins Hotel gefahren. Natürlich gab es nur ein Zimmer, da ich ja eigentlich nicht eingeplant worden war. Das dachte ich zumindest, später am Abend stellte sich heraus, dass das Ganze sehr wohl geplant war, jedenfalls von ihm. Und schnell sah ich den Grund dafür: Er wollte mit mir zusammen kommen.


Damals war er noch total der Romantiker gewesen. Bis heute schämte ich mich dafür, ihm das ausgetrieben zu haben. Er war so süß zu mir und ich hatte ihm das Herz ausgerissen, in dem ich nicht ehrlich gewesen war. Denn ich hatte Ja gesagt, obwohl ich nichts für ihn gefühlt hatte. Absolut nichts, außer eventuelle Sympathie. Die musste ich dann auch zeigen, damit nichts auffiel. Wenn ich nur an diese Nacht dachte, wurde mir schlecht. 


Die Tage, die auf diese Nacht folgten, waren fast noch schlimmer. Wie er mich stolz bei jedem als seine Freundin vorgestellt hatte. Wie glücklich er war, mit mir ‚zusammen' zu sein. Es ging mir von Tag zu Tag schlechter. Dazu kamen noch die Anrufe von meinen Eltern, die wollten, dass ich zurück kam. Natürlich hatte ich das Alles ignoriert.  


Ich war kurz davor gewesen, einfach abzuhauen und mich irgendwie anders durchzuschlagen, weil ich so unglücklich war, doch dann kam dieser eine Abend in Denver. Das Konzert war eins seiner besten gewesen. Danach sollten wir eigentlich abgeholt und zurück zum Hotel gebracht werden, doch der Fahrer hatte irgendwie einen Unfall gehabt. Steven versuchte ein Taxi zu organisieren, doch er hatte kein Netz. Die nächste Taxi-Station war ziemlich weit weg, trotzdem beschlossen wir, zu laufen. Es war ziemlich spät abends und ich wollte eigentlich nur noch schlafen, deswegen passte ich nicht richtig auf und fiel hin. Fuß verstaucht, hatte ich, mit meiner jahrelangen Schulsanitäter-Erfahrung, festgestellt. Ich versuchte, ganz normal weiter zu laufen, doch Steven hatte es natürlich bemerkt. Während ich noch versuchte, ihn davon zu überzeugen, dass alles in Ordnung sei, hatte er nur mit dem Kopf geschüttelt und mich schließlich hoch in seine Arme gehoben. Er ging weiter, so als ob nichts wäre und trug mich den ganzen Weg bis zum Taxi. 


Ich hatte ihn die ganze Zeit von unten angestarrt. Der Moment, als unsere Augen endlich aufeinander trafen, hatte mir den Atem geraubt. Von da an wusste ich, dass unsere Beziehung doch keine Lüge war und ich diesen Typen wirklich liebte. Mit dieser Erkenntnis, ging es mir immer besser.


Doch natürlich konnte es nicht so enden. Schließlich war das Leben kein Film, wo es ein Happy-End geben konnte. Am allerletzten Tag der Tour, in Philadelphia, wollte Steven mit mir reden. Er klang unglaublich aufgebracht, als er sagte, dass er mit Malala gesprochen hatte. Sie hatte ihm erzählt, wie ich ihn ausgenutzt hatte. Ich versuchte, alles abzustreiten und ihn davon zu überzeugen, dass ich ihn liebte, doch er glaubte mir nicht, schließlich war er viel zu verletzt für rationales Denken. Der Streit wurde am Ende ziemlich hässlich und meine Versuchung, ihn umzustimmen musste ich schließlich aufgeben.


Das Letzte, was er mir je bezahlte, war ein Flug nach Hause.


Where we land || Ed SheeranWo Geschichten leben. Entdecke jetzt