Unruhig laufe ich in meinem Wohnzimmer auf und ab und grüble über meinen neuen Plan nach. Gestern Abend, nach dem Gespräch mit dem kleinen Rumpelstilzchen, ist mir eine Idee gekommen, die mich seitdem nicht mehr loslässt. Ein kleines Detail hat mich bei unserem kurzen Telefonat stutzig gemacht. Meinem scharfen Gehör entgeht eben nichts. Das Hundegebell im Hintergrund habe ich zuerst für völlig unwichtig erachtet, bis mir wieder eingefallen ist, dass ich in einem Facebookeintrag von Hannah gelesen habe, dass diese einmal mit ihrer Schwester zusammen in einem Tierheim gewesen ist. Was also, wenn das kleine Rumpelstilzchen dort arbeitet?
Da Hannah sich auch noch nicht bei mir gemeldet hat, ist das die einzige Möglichkeit, die mir noch bleibt, um mit meinem Vorhaben weiter voran zu kommen. Ja, ich denke das könnte ein guter Ansatzpunkt sein. Zu verlieren habe ich schließlich nichts. Und wenn es eine Sackgasse ist, habe ich es zumindest versucht.
Kurz entschlossen google ich das Telefonbuch und durchstöbere dieses nach Tierheimen, die sich in der unmittelbaren Umgebung von Maradan befinden. Tatsächlich gibt es drei davon. Ich schreibe mir die Telefonnummern heraus und beginne meine Detektivarbeit. Wäre ich ein Mensch gewesen, ich hätte als Berufswunsch sicherlich Ermittler oder Profiler gehabt. Da kann ich das kleine Rumpelstilzchen durchaus verstehen. Das Böse und deren Verbrechen haben eine dunkle, faszinierende Anziehungskraft, der man sich nur schwer entziehen kann.
Beim ersten Tierheim kennt niemand eine Amely Heiß. Wäre ja auch zu schön gewesen, beim ersten Versuch gleich einen Treffer zu landen. Jedoch bin ich etwas enttäuscht, als auch bei den anderen beiden Nummern nichts Brauchbares herauskommt. In einem der Tierheime arbeitet zwar eine Amely, aber die heißt mit Nachnamen Fitz und ist laut Angaben fünfzig Jahre alt, weshalb es eher unwahrscheinlich ist, dass es die Person ist, die ich suche.
Genervt werfe ich mich auf die Couch und lasse meine Beine über die Lehne baumeln. Was soll ich jetzt tun? Ich habe gedacht, dass ich dank meiner genialen Idee endlich einen Schritt vorankommen würde und nicht nur wie davor auf der Stelle trete. Aber da habe ich mich wohl getäuscht. Meine neuste Aufgabe scheint eindeutig anspruchsvoller zu sein, als noch zu Beginn angenommen.
Plötzlich kommt mir da ein neuer Gedanke. Was, wenn Amely gar nicht im Tierheim, sondern in einer Station für misshandelte Hunde arbeitet? Ja! Das könnte es sein. So etwas Ähnliches habe ich gestern nämlich zufällig gesehen, als ich zu Hannah nach Hause gefahren bin. Zumindest ist da irgendwo ein Schild mit "Hunderettung" gestanden.
Mit neu gewonnenem Eifer mache ich mich daran die Spur zu verfolgen. Tatsächlich finde ich das gesuchte Heim gleich unter den Schlagworten: Misshandlung, Hunde und Maradan. Die Station heißt "Hundehimmel". Lächerlicher Name. Diese kleffenden und sabbernden Köter können von mir aus auch in der Hölle schmoren. Aber egal. Darum geht es hier jetzt nicht. Ich muss diese Flohschleudern schließlich nicht adoptieren. Ich will nur herausfinden, ob Amely dort arbeitet oder nicht.
Mit wenig Interesse überfliege ich die Seite. Der Hundehimmel ist eine Station, in der Hunde aufgenommen werden, die misshandelt und über Jahre gequält wurden und anschließend an neue Familien vermittelt werden. Sie wird ausschließlich von Spenden und dem Verkauf der Hunde finanziert, wobei ich mich frage, warum die Menschen für so einen Scheiß Geld ausgeben, während einige Kinder hier nicht einmal eine richtige Schulbildung bekommen. Die Menschen muss man wirklich nicht verstehen.
Da erweckt auf einmal ein Bild meine Aufmerksamkeit. Ein triumphierendes Grinsen schleicht sich in mein Gesicht und ich hätte mir am liebsten selbst auf die Schulter geklopft. Auf dem Foto ist ein Mädchen mit roten Locken zu erkennen, das mit einem großen, braunen Köter tobt, dem das rechte Auge fehlt. Ha! Endlich! Das hier ist eindeutig die Amely, die ich suche. Auch wenn sie auf dem Bild noch um einiges jünger ist. Höchstens sechzehn.
Ich inspiziere das Bild genauer. Amely lacht ausgelassen in die Kamera und zum ersten Mal erkenne ich so etwas wie aufrichtige Freunde in ihrem Blick. Ihre grünen Augen strahlen, ihre Sommersprossen, die wie ein fremdländisches Tatoo aussehen, verleihen ihr ein ganz eigenes Aussehen und ihre Haare wehen wie ein Feuerkranz um ihr Gesicht herum. Wow! Die Kleine kann ja lachen. Hätte ich nicht von ihr gedacht. Krasse Sache. Trotzdem ist sie immer noch einfach nur hässlich. Ok, vielleicht nicht unbedingt hässlich im herkömmlichen Sinne, aber auf jeden Fall langweiliger Durchschnitt. Na gut, das trifft es auch nicht ganz, da ich noch nie jemanden wie sie getroffen habe, aber was soll's. Man kann das kleine Rumpelstilzchen einfach nicht beschreiben. Sie ist ein Fall für sich. Und das ein ziemlich Hoffnungsloser, wenn ihr mich fragt. Aber was juckt mich das schon. Ist mir doch scheiß egal, wie sie rumläuft. Was zerbreche ich mir überhaupt den Kopf über diese Zicke. Sie ist nur ein Opfer, das es zu überwältigen gilt. Und genau dieser Aufgabe werde ich mich nun weiter widmen.
Einen Anruf später kenne ich die Arbeitszeiten von Amely. Nachdem ich mich als interessierter Kunde ausgegeben habe, der unbedingt eine misshandelte Tölle kaufen will und auch klar gestellt habe, dass ich gerne von Amely Heiß beraten werden möchte, da sie eine gute Freundin von mir ist, haben sie mir sofort bereitwillig alles erzählt, was ich wissen wollte. Das ist wirklich das reinste Kinderspiel gewesen. Zu einfach, wenn ihr mich fragt.
Zumindest weiß ich nun, dass Amely jeden Mittwoch und Freitag in der Station "Hundehimmel" aushilft. Mein weiteres Vorgehen wird daher auf dieser Information aufbauen. Ich habe vor ihr den Hundeliebhaber vorzuspielen und dadurch mehr über sie erfahren zu können. Mal sehen, ob das funktioniert. Der Plan hat auf jeden Fall Potential. Ich bin wirklich gespannt, was sich daraus machen lässt. Bei meinem Job muss man schließlich auf alles vorbereitet sein. Oft kommt es ganz anders, als angenommen. Zumindest bei den hartnäckigen Seelen. Die anderen sind einfach nur langweilig vorhersehbar. Doch wenn ich mittlerweile eines weiß, dann ist das, dass das kleine Rumpelstilzchen keine gewöhnliche Seele ist. Irgendetwas ist anders an ihr. Ich kann nur noch nicht so genau sagen, was das sein soll. Aber das beunruhigt mich kein Bisschen. Ich bin mir sicher, dass ich sie bald zerstört haben werde. Dann bin ich sie endlich los. Diesen Tag werde ich auf jeden Fall gebührend feiern.
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Meine freie Zeit, bis zum nächsten Mittwoch, nutze ich, um mehr über Köter herauszufinden. Kein allzu spannendes Unterfangen, aber es hilf ja nichts. Solche Recherchen gehören schließlich zu meiner Arbeit dazu. Ich muss bestmöglich auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Und wenn das heißt, Hunderassen, Vorlieben, so wie Training- und Erziehungstechnicken der Viecher auswendig zu lernen, dann mache ich das eben.
Den Rest der verbleibenden Zeit bringe ich damit zu, die Stadt zu erkunden, die mittlerweile auch nicht mehr ganz das ist, was sie einmal war. Sie hat sich verändert, Neues ist hinzugekommen und Altes verschwunden, auch wenn ich vieles von meinem letzten Besuch wiedererkenne. Dennoch ist Santaville auch heute noch immer das schönste Fleckchen Erde, das ich jemals gesehen habe. Daran hat sich nichts geändert.
Ich liebe es einfach durch die kleinen Straßen zu schlendern, noch einmal alte Zeiten zu durchleben und in Erinnerungen zu schwelgen. Hach! Wie viele, leckere Seelen ich hier bereits bezwungen habe. Allein bei dem Gedanken daran wird mir ganz warm ums Herz und ich verspüre einen Anflug von Stolz. Ja, ich bin gut. So richtig gut. Und das werde ich nun auch erneut unter Beweis stellen.
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Faceless - Ewige Verdammnis
FantasyEin Verlangen, das dein Leben beherrscht. Ein Treffen, das dein Leben verändert. Ein Ende, das ein Anfang ist. ~ ~ ~ Thomas ist ein Dämon. Oder zumindest nennt er sich selbst so. Eigentlich gibt es keine genaue Bezeichnung für das, was er ist. Ande...