Verabredungspanik

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Das nächste Wochenende rückt schneller in greifbare Nähe, als gedacht. Eigentlich habe ich die letzten Tage alles so weit von mir weggeschoben, wie ich nur konnte. Es fühlte sich an, als würde nicht ich das kleine Rumpelstilzchen treffen, sondern nur ein Bekannter von mir, den ich eben gut kenne. Doch nun, am Freitag Nachmittag um kurz vor 17 Uhr, kann ich dieses Trugbild beim besten Willen nicht mehr aufrecht erhalten, so sehr ich mich auch darum bemühe. In achtzehn Stunden treffe ich mich mit dieser hässlichen Nervensäge und ich habe um ehrlich zu sein sowas von keinen Bock auf sie.

"Wenn du keinen Bock hast, dann nimm halt die Ziege", mischt sich meine innere Stimme ein, hilfreich wie immer. Haha. Sehr lustig.

Gerade bin ich damit beschäftigt, mich einer unlösbar erscheinenden Herausforderung zu stellen. Ich stehe nämlich im Schlafzimmer vor meinem überdimensional großen Kleiderschrank und durchwühle leicht verzweifelt die Berge an Klamotten, die sich wild verstreut vor mir auftürmen. Na gut, vielleicht wäre es langsam an der Zeit wieder aufzuräumen. Aber nicht heute. Außerdem beherrscht das Genie bekanntlich ja das Chaos. Also, was soll's.

An jedem anderen Tag und zu jeder anderen Verabredung hätte ich mir einfach irgendetwas gegriffen und dann angezogen. Ich habe schließlich genug Auswahl oder wie ich das gerne nenne, einen guten Stoffwechsel.

Heute jedoch stehe ich vor einem ziemlich großen Problem, wo eigentlich keines sein dürfte. Ich habe einfach absolut keine Ahnung, wie ich mich Amely morgen präsentieren soll. Cool? Arrogant? Draufgängerisch? Gentlemanlike? Wie soll ich mich nur verhalten, um ihr Vertrauen zu gewinnen? Auf welchen Typ Mann steht sie? Ich kann sie so schwer einschätzen. Das, was mir sonst leicht von der Hand geht, scheint nun eine unlösbare Aufgabe zu sein.

Hm. Vielleicht sollte ich die ganze Sache analytisch angehen. Laut dem Wetterbericht wird es morgen noch einmal ziemlich warm werden, was für einen Ausflug in einen Freizeitpark natürlich perfekt ist. Das heißt also besser etwas Kurzes. Kurze Hose und T-Shirt? Klingt gut. Aber welche? Die Einfarbigen? Die mit Aufdruck? Die Gestreiften? Da bin ich im Moment irgendwie einfach überfragt. Wie schnell sich doch alles verkomplizieren kann. Unglaublich.

Eigentlich musste ich mir bisher nie groß Gedanken darüber machen, wie ich nun vor die Tür gehe. Man sieht mich schließlich genau so, wie man mich sehen will. Ich habe mich im Endeffekt also eigentlich immer nur für mich selbst schick gemacht. Da das bei Amely nun jedoch etwas völlig anderes ist, wirft mich das Ganze ziemlich aus der Bahn. Sie wird mich genau so sehen, wie ich bin. Jede Kleinigkeit an mir wird ihr auffallen. Ich kann mich bei ihr nicht so einfach verstellen, wie ich das sonst immer getan habe. Der ganze Magiequatsch wirkt dank mir schließlich nicht mehr bei ihr.

Toll gemacht, Thomas! Grandiose Leistung! Du bist ja so ein Genie!

Etwas ratlos lasse ich mich rückwärts auf mein Bett fallen und starre ohne an etwas Bestimmtes zu denken an die Decke. Ich erkenne mich selbst nicht mehr wieder. Was soll dieser ganze Schwachsinn? Es kann mir doch egal sein, wie das kleine Rumpelstilzchen mich sieht. Sie hat mich schließlich schon ganz anders erlebt. Bei unserem letzten Aufeinandertreffen im Hundehimmel bin ich ja auch nicht gerade vorzeigefähig gewesen und es hat sie nicht weiter gestört. Was ist dieses Mal also anders? Warum zermartere ich mir den Kopf über so etwas Unwichtiges? Herrgott nochmal! Ich kann nicht fassen, was ich hier gerade abziehe, nur um an die Seele dieser dämlichen, nervigen, hässlichen, unausstehlichen Bitch zu kommen. Hoffentlich lohnt sich die ganze Mühe auch wirklich und ich verschwende nicht nur meine kostbare Zeit an ihr. Aber das kann ich nunmal erst am Ende mit Gewissheit sagen. Und bis dahin dauert es wohl noch ein bisschen. Leider.

Ich entscheide mich am Ende es doch so wie immer zu halten. Morgen früh werde ich mir einfach das Erstbeste greifen, was mir in die Hände fällt und das war es dann auch schon. Es bringt nichts, sich jetzt wegen etwas verrückt zu machen, das garantiert sowieso komplett anders laufen wird, als vorhergesehen. Mittlerweile kenne ich Amely nämlich zumindest so gut, dass ich mir in einer Sache absolut sicher bin:

Faceless - Ewige Verdammnis Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt