Ein Kellner, dessen Kinn ein kleines Ziegenbärtchen ziert, erscheint und kommt mit einer Flasche Rotwein an den Tisch geeilt. Er füllt die Kristallgläser auf, nickt uns kurz zu und verschwindet dann so schnell wieder, wie er gekommen ist.
"Ich hoffe du magst Rotwein. Ich habe mir herausgenommen das Menü für heute selbst zusammenzustellen", erkläre ich und schaue Amely erwartungsvoll an. Diese zieht eine Augenbraue nach oben und erwidert meinen Blick etwas skeptisch.
Nun habe ich einen guten Blick auf ihr Gesicht, das im Vergleich zu der Frau von vorhin, die beinahe wie das magersüchtige Drogenmodel ausgesehen hat, irgendwie nicht ganz symmetrisch wirkt und natürlich auch auf ihre langen Haare, die ein so sattes Rot haben, dass die Farbe mir in Kombination mit dem Kerzenschein beinahe in den Augen weh tut. Das ist wirklich seltsam. Noch nie habe ich solch ein Problem gehabt. Aber wie es scheint, ist bei dem kleinen Rumpelstilzchen einfach alles viel intensiver. Woher das auch immer kommen mag.
"Du bist echt schlimm, weißt du das eigentlich? Immer musst du alle Fäden in der Hand haben und einfach über alles bestimmen. Ist das eine medizinisch anerkannte Krankheit? Bestimmeritis? Gibt es dafür Heilungschancen?"
Na endlich! Und ich habe schon gedacht sie würde nie mehr mit so einem Spruch kommen.
"Mein Arzt sagt ich soll einfach eine attraktive, interessante Frau zum Essen ausführen. Das würde die Symptome etwas lindern. Die Heilungschancen stehen jedoch sehr schlecht", gebe ich zurück.
"Na dann bin ich ja froh, dass ich dir bei deinem Leid helfen kann", lächelt sie und schlägt etwas beschämt die Augen nieder. Habe ich sie tatsächlich gerade in Verlegenheit gebracht? Das ist interessant.
"Dann lass uns darauf anstoßen. Auf meine neue Medizin, Amely Heiß."
Wir erheben unsere Gläser und mustern uns einen Moment taktierend, um den jeweils anderen besser einschätzen zu können. Ich meinerseits komme jedoch zu keinem Ergebnis. Dann treffen unsere Gläser aufeinander und es entsteht ein sanftes Klirren, das zwischen uns in der Luft schwebt und ganz allmählich verklingt. Dabei schauen wir uns weiterhin tief in die Augen, wie es sich eben beim Anstoßen gehört. Das stechende Grün, das dabei deutlich bis zu mir herüber blitzt, flackert durch das Kerzenlicht etwas, als wäre es lebendig geworden. Schatten erscheinen in ihrer Iris und verschwinden wieder. Dank der etwas gedämpften Lichtverhältnisse, wechselt deren Farbe immer wieder von einem hellen Grasgrün zu einem dunklen Tannengrün.
Amely ist die Erste, die den Kopf abwendet und einen großen Schluck der roten Flüssigkeit nimmt. Ihr Gesicht erhellt sich dabei überrascht. Ich brauche etwas länger, um es ihr gleich zu tun und der Wein meine Kehle hinunter rinnt. Kurz darauf erklingt ein begeistertes:
"Oh mein Gott! Der ist ja mega lecker!"
Ich lächle amüsiert in mich hinein. Es ist verwunderlich, wie man sich über so eine Kleinigkeit freuen kann. Wenn das Treffen weiterhin so gut läuft, habe ich vielleicht schneller Amelys Vertrauen, als gedacht.
"Freut mich, dass es dir mundet. Hoffentlich habe ich auch beim Essen deinen Geschmack getroffen."
"Mundet? In welchem Jahrhundert bist du denn stecken geblieben?", lacht Amely auf und nimmt erneut einen Schluck des Weins.
"Nein, ich weiß nur, wie man sich gepflegt ausdrückt. Schließlich bin ich ein Gentleman", halte ich dagegen. Das kleine Rumpelstilzchen seufzt theatralisch auf:
"Du und ein Gentleman? Das kann ich mir nicht vorstellen. Das passt so überhaupt nicht zu dir."
Ich verdrehe nur die Augen. Wie auf ein geheimes Zeichen hin, schwingt in diesem Moment die Tür auf und der Ziegenbartkellner erscheint erneut, dieses Mal mit zwei schön angerichteten Tellern.
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Faceless - Ewige Verdammnis
FantasyEin Verlangen, das dein Leben beherrscht. Ein Treffen, das dein Leben verändert. Ein Ende, das ein Anfang ist. ~ ~ ~ Thomas ist ein Dämon. Oder zumindest nennt er sich selbst so. Eigentlich gibt es keine genaue Bezeichnung für das, was er ist. Ande...