Nach ein paar Minuten erlauben es mir meine Sinne zumindest wieder dem Gespräch meiner Nebensitzer zu folgen. So kommt es also, dass Amely, Nicolas und ich nun zu dritt in einem Raum festsitzen, Freundlichkeit heucheln und über irgendwelche neuen Nachbarn fachsimpeln, die wohl erst vor kurzem hier bei ihnen eingezogen sind.
Kein Scherz....
Das ist mein voller Ernst....
Ich schwöre bei meiner Dämonenehre....
Wir diskutieren über beschissene Nachbarn, die ich noch nicht einmal kenne! Warum verdammt nochmal hat mir niemand gesagt, dass Nicolas gerne einfach so aus lauter Langeweile bei Amely vorbeischaut? Das kleine Rumpelstilzchen hätte mich wenigstens vorwarnen können, dass ihr langweiliger, bemitleidenswert hässlicher und vollkommen gestörter Freund in der Nähe wohnt und nur auf den richtigen Moment wartet, uns zu stören.
"Also ich finde diese Familie seltsam. Sie sagen nicht einmal Hallo, wenn wir uns auf dem Gang begegnen", erklärt Nicolas gerade etwas empört.
Da stellt sich mir eher die Frage, wer von denen nun seltsam ist. Ich würde dieses Weichei ja noch nicht einmal grüßen, wenn er mir anbietet, dafür Amely klarzumachen. Ganz sicher nicht. Ich würde ihn um absolut nichts in der Welt freiwillig beachten. Er ist schlicht ein verdammter Idiot.
"Vielleicht sind sie nur etwas zurückhaltend. Gib ihnen noch ein bisschen Zeit, schließlich sind sie gerade erst eingezogen", wirft Amely ein, die sich als die Liebenswürdigkeit in Person gibt, seit Nicolas vor der Tür aufgetaucht ist. Ob sie wohl ein schlechtes Gewissen hat, dass wir beide gerade eben so viel Spaß miteinander gehabt hatten und das ohne ihren "besten Freund"? Die können mir sonst noch was erzählen, da läuft doch etwas zwischen den zwei Versagern. So wie die sich anschmachten, als gäbe es kein Morgen... einfach nur ätzend süß! Da ist eine gewisse Anziehung zwischen den beiden, die man deutlich sehen kann. Wann werden sie den Hochzeitstermin bekanntgeben? Und werde ich ihr Trauzeuge sein dürfen?
"Wohl eher Brautjungfer, du kleines Mädchen!", verhöhnt mich meine innere Stimme.
Klar. Wovon träumt meine innere Stimme nachts? Die hat von dem Ganzen hier wohl auch bleibende Schäden davongetragen. Ihre Kommentare werden immer unlustiger.
"Vielleicht sind es aber auch einfach taiwanesische Terroristen, die gekommen sind, um die Weltherrschaft an sich zu reißen und von den Geheimdiensten nicht entdeckt werden wollen. Deshalb grüßen sie niemanden", gebe ich leicht genervt von mir und lasse mich gegen die Rückenlehne des Sofas sinken. Das hier ist so langweilig, wie Angeln in einer Pfütze. Egal, wie sehr man sich auch anstrengt, es kommt sowieso nichts Sinnvolles dabei heraus.
"Wer von uns ist hier jetzt der Unlustige? Hm? Dein Humor ist wirklich zum Schreien komisch. Wenn ich könnte, würde ich dich mit faulen Eiern bewerfen, bis du blutest. Meinst du, dass du das kleine Rumpelstilzchen so rumbekommst?"
Als ob ich sie rumbekommen will! Lieber sterbe ich. Das vorhin war ein absoluter Ausrutscher. Sowas kommt nie mehr vor, das schwöre ich, so wahr ich Thomas Crowen bin.
"Sag das nicht zu laut, lässt sich nämlich schnell einrichten. Wenn irgendjemand erfährt, dass du einen menschlichen Schützling hast, bist du tot, bevor du..."
"Klappe!", platzt mir schließlich endgültig der Kragen und ich donnere meine Hand mit voller Wucht auf die Lehne der Couch.
Zwei erstaunte Blicke treffen auf meinen und eine drückende Stille breitet sich zwischen uns aus. Ich kratze mich etwas betreten am Hinterkopf. Oh Fuck! Habe ich das gerade wirklich laut gesagt? Ich wollte doch nicht...
"Äh... haben wir irgendetwas falsch gemacht?", hakt Nicolas vorsichtig nach und schenkt mir dabei ein schmales, freundliches Lächeln.
Der soll mal nicht so tun, als würde ihn irgendetwas interessieren, was mit mir zu tun hat. Er ist doch sowieso nur wegen Amely hier. Am liebsten würde er mich doch hochkant rausschmeißen und mir eine Fußfessel anlegen, sodass ich mich seiner Angebeteten nicht auf mehr als 100 Meter nähern kann.
"Nein. Ich wollte euch nur erschrecken. Taiwanesische Terrororganisation und so weiter", zucke ich leichthin mit den Schultern und lächle Amely entschuldigend an, auch wenn ich weiß, wie bescheuert das selbst in meinen Ohren klingt. Nicolas lacht jedoch tatsächlich amüsiert auf, während das kleine Rumpelstilzchen mich nur eines kurzen, skeptischen Blickes würdigt, der mir sagt, dass ich nicht mehr alle Tassen im Schrank habe.
Na toll! Jetzt denkt sie wahrscheinlich auch noch, ich sei verrückt. Wobei ich ihr das nach allem nicht einmal wirklich verübeln kann. Zuerst hocke ich nur apathisch auf meinem Platz und dann laber ich so einen Müll. Ich weiß ja selbst nicht so genau, was eigentlich mit mir los ist.
"Ich muss jetzt dann aber leider auch schon wieder gehen. Die Arbeit ruft und ich sollte morgen fit sein", stoße ich daher etwas zu schnell hervor und erhebe mich umständlich. Das hier führt heute Abend sowieso zu nichts mehr. Ich muss Schadensbegrenzung betreiben, sonst komme ich auf keinen grünen Zweig. Dieser dämliche Wichser Nicolas hat mir voll und ganz die Tour versaut. Ich würde ihm wirklich nur zu gerne das dämliche Dauergrinsen aus dem Gesicht schlagen. So ein widerlicher Heuchler! Der sollte aufpassen, dass er nicht irgendwann auf seiner eigenen Schleimspur ausrutscht und sich das Genick bricht.
"Oh.... jetzt schon?", wendet sich Amely nach langer Zeit des Schweigens das erste Mal wieder direkt an mich. Dabei klingt ihre Stimme tatsächlich beinahe ehrlich bedauernd. Aber eben nur beinahe.
Das kleine Rumpelstilzchen soll hier mal nicht die Trauernde mimen und so tun, als würde es sie stören, wenn ich jetzt verschwinde. Insgeheim ist sie doch froh, dass sie ihren "besten Freund" gleich ganz für sich allein haben wird und tun und lassen kann, was sie will. Diese Annahme bestätigt sich, als ich zustimmend nicke und eine gewisse Erleichterung in ihren grünen Augen erkennen kann.
"Ja, es geht leider nicht anders. Aber vielleicht sieht man sich bald mal wieder. Der Tag war nämlich sehr schön. Und danke nochmal für das leckere Essen", erkläre ich emotionslos, erhebe mich und stapfe in Richtung Tür davon, ohne mir überhaupt die Mühe zu machen, mich von Nicolas zu verabschieden. Als ob ich mich mit dem gut stellen müsste. Der ist doch so hohl, wie eine ausgetrocknete Kokosnuss.
"Tschüss! War nett dich wieder getroffen zu haben", ruft Nicolas mir trotzdem hinterher, was ich mit einem unverständlichen Gegrummel kommentiere. Ich werde zehn Kreuze schlagen, wenn ich den endlich los bin. So ein hässlicher, verweichlichter Bastard ist mir wirklich noch nie untergekommen! Was findet Amely nur an ihm? Das kann ich absolut nicht nachvollziehen. Aber naja, ihr Ding. Vielleicht hat er ja verborgene Qualitäten, die sich mir beim besten Willen nicht offenbaren wollen. Oder aber er ist einfach nur gut im Bett. Wer weiß das schon. Und um ehrlich zu sein, will ich es auch gar nicht so genau wissen. Ihhh! Nein, absolut nicht. Gott bewahre!
"Siehst du, jetzt redest du sogar schon mit Gott. Du verlierst wirklich mehr und mehr den Verstand. Denkst schon beinahe, wie ein Engel. Lass die Schimpfwörter weg und du bekommst garantiert einen Platz dort oben, hinter den goldenen Pforten."
Oh Mann! Das ist doch nur so eine bescheuerte Redewendung gewesen! Nichts kann man mehr tun, ohne gleich irgendwie verurteilt zu werden. Wo sind wir hier? Bei der Stasi? Tatütata, die Sittenpolizei ist da? Pf! Die können mich alle mal!
Ich reiße die Haustür auf und stampfe zähneknirschend nach draußen. Meine Tage werden zunehmend beschissener. Genauso, wie meine Arbeit. Ich habe zurzeit wirklich einen Durchhänger. Und zwar einen Gewaltigen. Wie schwer kann es schon sein, sich das Vertrauen einer kleinen, hässlichen Zicke zu erschleichen, die es mit ihrem besten Freund treibt und nicht einmal den Mumm hat, das zuzugeben? Aaaahhh!
"Bbbbbbbhhhhh, Ccccccchhhh, Dhhhhhh, Eeeeeehhhh, Ffffffhhhhh, Ggggggghhhhh...."
Haha. Wirklich urkomisch. Dass ich nicht lache! Irgendwie scheint gerade einfach jeder durchzudrehen und alles den Bach runterzugehen. Selbst die Stimme in meinem Kopf.
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Faceless - Ewige Verdammnis
FantasyEin Verlangen, das dein Leben beherrscht. Ein Treffen, das dein Leben verändert. Ein Ende, das ein Anfang ist. ~ ~ ~ Thomas ist ein Dämon. Oder zumindest nennt er sich selbst so. Eigentlich gibt es keine genaue Bezeichnung für das, was er ist. Ande...