Alzheimergruß

236 44 17
                                    

Der Kellner erscheint mit einem Mal lautlos und dezent an unserer Seite, nimmt die leeren Teller und bringt den Hauptgang. Erst dann bricht er das noch immer andauernde Schweigen, das seit den letzten Worten noch immer im Raum hängt:

"Hier die Brust von der Ente mit Maronen, Rotkraut, Knödel, Trüffelsauce und einem Hauch von Sanddorn. Einen guten Appetit wünsche ich Ihnen."

Dann ist er auch schon wieder lautlos verschwunden. Er macht auf jeden Fall eine gute Arbeit. Wenn das so weiter geht, darf er sich womöglich über ein saftiges Trinkgeld freuen. Ich mag seine unauffällige Art und mit dem Bart und den dunklen Haaren sieht er ziemlich lustig aus.

Amely blickt mich derweilen etwas verunsichert an und rutscht nervös auf ihrem Stuhl hin und her:

"Habe ich etwas Falsches gesagt?"

Dies reißt mich aus meiner Abwesenheit. Ich schüttle heftig den Kopf und versichere schnell:

"Nein, nein, das ist es nicht. Es ist nur so, dass ich noch nie mit diesen Worten beschrieben wurde."

"Das muss wirklich hart für dich sein. Tut mir leid, dass ich dein übergroßes Ego damit beschädigt habe", stichelt Amely und löst damit die Spannung, die zwischen uns in der Luft gelegen hat.

"Ach, das macht nichts. Mein übergroßes Ego lässt sich von niemandem einschüchtern", entgegne ich großspurig und fahre mir mit den Fingern durch die Haare, "und jetzt lass es dir schmecken, bevor es kalt wird. Das wäre eine Schande."

"Da hast du wohl recht. Es duftet wirklich herrlich", nickt das kleine Rumpelstilzchen anerkennend. Schon beginnt sie zu essen und auch ich widme mich dem Teller vor mir. In Gedanken bin ich jedoch noch immer bei Amelys Beschreibung von mir. Diese lässt mir einfach keine Ruhe.

▪ ▪ ▪

Nachdem wir auch noch das Dessert, ein Marzipan-Nougatmousse mit Orangen-Feigen, aufgegessen haben, sitzen wir uns beide entspannt gegenüber und plaudern über alles mögliche. Den kleinen Zwischenfall von vorhin habe ich einfach kurzerhand beiseite geschoben und beschlossen ihm später nachzugehen. Im Moment bin ich gerade mit ganz anderen Dingen beschäftigt.

Ich hätte es nie im Leben für möglich gehalten, dass ich das hier jemals erleben würde. Nie wäre ich davon ausgegangen, dass man sich mit Amely gut unterhalten kann. Doch genau das ist der Fall. Sie ist eine ziemlich interessante Gesprächspartnerin, wie ich mir selbst eingestehen muss. Gerade nippt sie an ihrem Weinglas und runzelt dann etwas fassungslos die Stirn:

"Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass wir Zwei einmal zusammen etwas unternehmen würden. Du kamst mir zu Beginn wie der größte Idiot auf Erden vor. Jetzt weiß ich aber, dass du nur der Zweitgrößte bist. Elias, ein Kommilitone von mir, ist da eindeutig schlimmer. Der ist noch arroganter als du und ziemlich schleimig."

"Ach! So ist das also. Vielen Dank für das Kompliment. Aber bei mir war es am Anfang auch nicht anders. Ich dachte wirklich, du seist die größte Zicke und Langweilerin auf Erden. Aber wie es aussieht, bist du nur eine Zicke, mehr nicht", gluckse ich. Kann die etwa Gedanken lesen oder was? Langsam wird das kleine Rumpelstilzchen mir unheimlich.

"Damit kann ich leben. Lieber eine geile Zicke, als eine doofe Zecke", grinst sie verschmitzt.

"Oh! Ich glaube ich färbe ab", schmunzle ich und trinke ebenfalls einen Schluck Wein.

"Das kann gut sein. Ich muss jetzt aber auch los, habe noch ein paar Sachen für die Uni zu erledigen. Ich hoffe du kommst auch ohne mich zurecht", wirft sie ein und steht auf. Ich blicke auf die Uhr und erkenne, dass es bereits kurz vor zehn ist. Krass, wie schnell die Zeit vergangen ist!

Faceless - Ewige Verdammnis Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt