Faceless - Ewige Verdammnis

Entscheidungsprobleme

Mit schnellen Schritten renne ich hinter dem Schäferhundmischling her, der mich hechelnd durch den Wald zerrt. Mein Kopf läuft dabei ununterbrochen auf Hochtouren, wie auch schon die Tage zuvor. Ich weiß um ehrlich zu sein nicht mehr, was ich noch tun soll, dass es endlich aufhört. Es nervt so ungemein! Ich habe es bereits mit Alkohol, Schlafen, Filmen, Büchern, Sport und sogar Yoga probiert. Ich meine, hallo, Yoga? So weit ist es also schon gekommen. Fuck! Das ist sowas von gestört!

Alles ist auf einmal irgendwie nur noch surreal. Ganz seltsam. Beinahe so, als wäre das hier nicht mehr mein Leben, sondern das eines Fremden. Als würde ich nur zusehen und wäre nicht selbst davon betroffen. Irgendwie ein beängstigendes Gefühl. Ich habe nicht mehr die volle Kontrolle über mich. Da ist ganz plötzlich diese hässliche Nervensäge in mein Leben geplatzt und hat alles auf den Kopf gestellt, was es auf den Kopf zu stellen gibt. Nun weiß ich nicht mehr, was ich noch glauben soll und was nicht. Wenn es sogar schon so weit gekommen ist, dass ich - ohne es überhaupt zu bemerken - einen menschlichen Schützling bekommen habe, was passiert dann als nächstes? Helfe ich alten Omas über die Straße und rette hilflose Katzen von Bäumen? Weit scheine ich davon auf jeden Fall nicht mehr entfernt zu sein.

Erschöpft fahre ich mir mit der Hand durch meine nassen Haare und wische mir das Wasser des Regens an meinem T-Shirt ab, wobei es mich kurz fröstelt. Mein Körper scheint auch nicht mehr das zu sein, was er einmal war.

Ich kann es einfach noch immer nicht fassen, dass ich das kleine Rumpelstilzchen als Schützling gewählt haben soll. Das ergibt doch alles absolut keinen Sinn! Warum sollte ich so etwas tun? Was hat mich zu diesem Schritt bewegt? Und vor allem, warum ausgerechnet sie? Es gibt doch noch knapp achteinhalb Milliarden andere Menschen auf diesem kack Planeten. Warum sie verdammt nochmal!

Ich stöhne leidend auf und verlangsame meine Schritte. Dann lasse ich mich zu Boden sinken und vergrabe meinen Kopf zwischen den Beinen. Ich verspüre das Bedürfnis mir mit irgendetwas weh zu tun, was in den letzten Tagen öfter der Fall ist. Da ich jedoch nicht weiß, was es bringen soll und ich auch kein Emo bin, der sich ritzt, gebe ich dem Ganzen nicht nach. Auch wenn mich der Gedanke an Rory und die Schuld, die mich dabei plagt, halb um den Verstand bringt und allein die Vorstellung, nun das kleine Rumpelstilzchen an der Backe zu haben, mich noch immer zu den grausamsten Gewaltfantasien verleitet.

Zu meinem großen Bedauern können selbst wir Faceless Schuld empfinden. Wir sind schließlich keine Maschinen. Dämonen können ebenso fühlen, wie Menschen. Mit einer kleinen Ausnahme eben. Der Liebe. Die müssen wir uns rauben.

Hätten wir kein Empathievermögen, wären wir höchst wahrscheinlich auch schon längst alle ausgestorben. Denn dann hätten wir uns gegenseitig abgeschlachtet, ohne mit der Wimper zu zucken. Wobei das vielleicht auch nicht allzu schlimm gewesen wäre. Denn dann hätte es mich nie gegeben und ich müsste mich nicht mit diesem Mist hier herumplagen.

"Reiß dich gefälligst zusammen, du Heulsuse! Noch ein bisschen mehr Gejammer und ich melde dich bei Germanys next Topmodel an. Bei deinem Rumgezicke in letzter Zeit würdest du da gut reinpassen", fährt meine innere Stimme dazwischen. Die kann mich mal kreuzweise!

Eigentlich habe ich absolut keine Ahnung, was ich mit diesen neu gewonnenen Information über Amely anfangen soll. Was bedeutet es denn, einen menschlichen Schützling zu haben? Was kommt dabei auf einen zu? Wie verhält man sich am besten? Soll ich umziehen und Santaville den Rücken kehren, das kleine Rumpelstilzchen beseitigen oder einfach meinen Plan weiter verfolgen wie bisher? Das ist so verdammt verwirrend! Alles. Mein Leben hat sich in ein einziges Chaos verwandelt.

Etwas Feuchtes berührt meine Wange und reißt mich so aus meinem Selbstmitleid. Ich schaue auf und erkenne Batdog, der sich neben mir niedergelassen hat und mich nun mit herausgestreckter Zunge und ebenfalls ziemlich außer Atem zweifelnd beäugt.