Das Vibrieren meines Handys lässt mich genervt auf den Bildschirm schielen. Ich habe gerade überhaupt keinen Bock auf irgendjemanden. Und wenn es der Kaiser von China höchst persönlich gewesen wäre, es hätte mich nicht tangiert. Eigentlich habe ich beschlossen den ganzen Sonntag in meiner Wohnung zu hocken, Ego-Shooter zu zocken und Fast Food in mich zu stopfen. Doch irgendjemand scheint diesen Plan durchkreuzen zu wollen. Zumindest vibriert mein Handy nun mindestens das zehnte Mal hintereinander.
Zu Beginn habe ich es noch irgendwie ignorieren können, jetzt reicht es mir jedoch endgültig. Wütend packe ich das nervige Ding, entsperre es und erkenne ungläubig, dass es sich um zwölf verpasste Anrufe handelt. Als ich jedoch sehe, wer es wagt meine wohl verdiente Ruhe zu stören, hätte ich das scheiß Teil am liebsten mit voller Wucht gegen die Wand gedonnert.
"Kleines Rumpelstilzchen" steht dort groß und fett auf dem Display und scheint mich verspotten zu wollen. Verfolgt die mich etwa oder was soll das? Kann sie mich nicht einen Tag lang mit ihrer nervigen Art verschonen? Mittlerweile haben sich die Worte "Kleines Rumpelstilzchen" und "Amely Heiß" zu den schlimmsten Schimpfwörtern in meinem Sprachgebrauch entwickelt. Allein, wenn ich an diese denke, gehört das eigentlich schon zensiert. Ich hasse dieses Wesen einfach. Ich hasse sie so abgrundtief, dass es keine Worte dafür gibt.
Zähneknirschend werfe ich das Handy auf mein riesiges Bett und widme mich erneut dem Computer vor mir. Oder besser gesagt dem Spiel, bei dem ich gerade mitten in einem heißen Gefecht stecke. Mit meiner Waffe ziele ich auf einen Gegner, der sich hinter einem Stapel Paletten versteckt hat und schieße ihm genau zwischen die Augen. Blut spritzt in alle Richtungen, er sackt kraftlos in sich zusammen und fällt wie ein Sack Kartoffeln zu Boden. Geschafft! Ich habe meine Mission erfüllt. Weiter geht's. Schließlich habe ich noch einiges an Arbeit vor mir.
Für heute habe ich mir vorgenommen das ganze Spiel von vorne bis hinten durchzuzocken. An so trostlosen Tagen, wie diesen, hat man einfach keine Lust irgendetwas Sinnvolles zu unternehmen. Vor allem nichts, was mit A anfängt und mit dem Gegenteil von Kalt aufhört. Allein der Gedanke daran ist grauenvoll.
Eine Facebookanfrage erregt in diesem Moment meine Aufmerksamkeit. Irgendjemand, den ich nicht kenne, hat mir gerade zwanzig neue Nachrichten hinterlassen. Zwanzig Stück! Also das ist selbst für sonstige Verhältnisse viel.
Stirnrunzelnd öffne ich den Chat. Der Nutzer hat kein Profilbild hochgeladen und heißt "Die Eifrige". Ich verziehe herablassend das Gesicht. Wer sucht sich denn bitteschön so einen dämlichen Namen aus? Das ist ja komplett bescheuert. Etwas Besseres ist demjenigen auch nicht eingefallen. Ich schüttle verächtlich den Kopf und greife nach einer Chipstüte, die griffbereit direkt neben mir auf dem Schreibtisch liegt. Diese reiße ich auf und mache mich sogleich über den Inhalt her.
Während ich kaue, sinniere ich weiter über die Dummheit mancher Menschen. Die Eifrige. Das ist so lächerlich, dass es schon beinahe weh tut. Diejenige hätte sich auch gleich "Die Hirnlose" nennen können. Vielleicht sollte ich ihr diesen Vorschlag einfach zum Spaß unterbreiten. Das wäre sicherlich ein lustiges Unterfangen.
Gerade will ich mich daran machen mein Vorhaben in die Tat umzusetzen, als sich irgendetwas in meinem Hinterkopf regt. Eine vage Erinnerung, irgendetwas, was ich zuvor übersehen habe. Die Eifrige. Hm. Irgendwoher kommt mir dieser Name bekannt vor. Und mit einem Mal fällt es mir da wie Schuppen von den Augen. Ich schlage mir mit der flachen Hand gegen die Stirn, was ein leises Klatschen erzeugt. Dass ich da nicht früher draufgekommen bin!
Amely ist die englische Form von Amalia, was so viel wie die Eifrige oder die Tüchtige bedeutet. Jetzt stalkt die mich also sogar schon in Facebook! Kann sie mich denn nicht einfach in Ruhe lassen? Heute ist Sonntag! Da hat selbst Gott geruht. Ist es etwa zu viel verlangt, dass man einen einzigen Tag Pause machen will? Morgen darf sie mich von mir aus gerne wieder von morgens bis abends nerven, aber nicht heute. Nicht nach dem, was gestern vorgefallen ist. Na warte, die kann was erleben!
Wütend überfliege ich den Chatverlauf, stocke jedoch bereits nach der ersten Hälfte und lese alles noch einmal langsam durch, um sicher zu stellen, dass ich das gerade auch wirklich richtig verstanden habe:
"Hi! Ich bin's Amely. Du gehst nicht an dein Handy, also versuche ich es hier. Es ist wichtig! [11:23 Uhr]
Batdog geht es nicht gut. Er frisst nicht mehr und liegt nur apathisch in seinem Käfig herum. Trotzdem lässt er keinen Pfleger und erst recht nicht den Tierarzt an sich heran. Deshalb müsste jemand kommen, der ihn kennt. Bei mir geht es absolut nicht. Ich muss arbeiten. Mein Chef kennt da keine Gnade. Kannst du vielleicht nach ihm sehen? [11:25 Uhr]
Ich schreibe dir nur, weil du außer mir der Einzige bist, den er an sich ran lässt [11:25 Uhr]
Sonst würde ich dich nicht am Sonntag stören [11:26 Uhr]
Es ist wohl wirklich ziemlich kritisch [11:26 Uhr]
Batdog ist sonst eher eine Kämpfernatur und hart im Nehmen. Er liegt nicht einfach nur so herum [11:26 Uhr]
Vielleicht klingt das jetzt blöd, aber er erinnert mich irgendwie an dich. Keine Ahnung, warum ich dir das jetzt schreibe [11:27 Uhr]
Womöglich habt ihr euch deshalb auf Anhieb so gut verstanden. Er braucht auf jeden Fall deine Hilfe. Du kannst ihn jetzt nicht hängen lassen! [11:28 Uhr]
Du musst das natürlich auch nicht tun, es wäre nur echt nett von dir [11:28 Uhr]
Mir würde das auch sehr viel bedeuten [11:29 Uhr]
Ich mache mir wirklich große Sorgen um ihn. Ich will nicht schon wieder jemanden verlieren [11:30 Uhr]
Bitte denk darüber nach [11:30 Uhr]
Wir Zwei sind doch jetzt irgendwie Freunde oder? Wenn auch auf eine etwas seltsame Art und Weise. Bitte hilf mir! [11:32 Uhr]
Ich lade dich auch als kleines Dankeschön zu mir ein und koche für dich. So etwas wie bei dir am Donnerstag kann ich mir natürlich nicht leisten, aber ich werde mir Mühe geben. Klingt das nicht verlockend? [11:34 Uhr]
Deal or no Deal? [11:35 Uhr]
Ich mache auch deinen Lieblingsnachtisch. Schokofondue war es, wenn ich mich recht entsinne? [11:37 Uhr]
Aber bitte schreib mir, wenn du dich entschieden hast. Ich muss es wissen, sonst habe ich hier keine Ruhe [11:39 Uhr]
Oh! Siebzehn Nachrichten, tut mir wirklich aufrichtig leid. (Nicht, dass ich die jetzt gezählt hätte, aber wollte dich nicht so zuspamen xD ^^) [11:39 Uhr]
Hoffe du verzeihst mir das [11:40 Uhr]
Will auch nicht nerven oder so [11:43 Uhr]"
Ich kratze mich etwas ratlos am Hinterkopf und starre auf die Nachrichtenflut des kleinen Rumpelstilzchens hinab. Was soll ich denn jetzt bitteschön damit anfangen? Ich habe mir doch vorgenommen, heute endlich einen Tag Auszeit von dem ganzen Scheiß zu nehmen und nun das. Seit ich Amely über den Weg gelaufen bin, kommt wirklich immer alles anders, als erwartet. Aber was soll's. So wird es mir zumindest nicht langweilig. Ändern kann ich es sowieso nicht mehr. Ich habe mein Opfer gewählt und damit muss ich wohl oder übel bis zum bitteren Ende klarkommen. Ob ich nun will oder nicht.
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Faceless - Ewige Verdammnis
FantasyEin Verlangen, das dein Leben beherrscht. Ein Treffen, das dein Leben verändert. Ein Ende, das ein Anfang ist. ~ ~ ~ Thomas ist ein Dämon. Oder zumindest nennt er sich selbst so. Eigentlich gibt es keine genaue Bezeichnung für das, was er ist. Ande...