Gereizt

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"Kann ich dir irgendwie helfen?", kommt es von dem Mann vor mir, was mich daran hindert, weiter über Amely nachzudenken und wahrscheinlich auch besser so ist.

"Ja, ich brauche Stoff. MHD, um genau zu sein", antworte ich nickend und kneife die Augen zusammen, um mein Gegenüber abschätzig zu mustern. Jedoch erkenne ich sofort, dass mein dieser davon wenig begeistert ist. Er gibt ein skeptisches Schnauben von sich und zieht ebenfalls abschätzig eine Augenbraue in die Höhe.

"Ich habe dich hier noch nie zuvor gesehen. Und außerdem bezweifle ich stark, dass du bezahlen kannst. Du scheinst mir noch etwas grün hinter den Ohren zu sein. Geh' nach Hause und rauch' mit deinen Freunden ein bisschen Gras. Das hier ist eine Nummer zu groß für dich", gibt der Mann zu bedenken. Er fährt sich mit der Hand durch sein Haar und juckt sich an einer Stelle, an der bereits keine Haare mehr wachsen. Ich verziehe angeekelt das Gesicht.

Innerlich stöhne ich genervt auf. Bitte nicht schon wieder endlose Diskussionen über mein Alter und Aussehen! Das habe ich schon so oft hinter mir, dass ich einfach keine Lust mehr auf den ganzen Scheiß habe. Ich will doch einfach nur MHD, die neuste synthetische Droge, die auf dem Markt zurzeit erhältlich ist. Das ist schon alles. Ist das denn zu viel verlangt?

"Lass' das mal meine Sorge sein. Ich bin alt genug und ausreichend Geld habe ich auch dabei."

Demonstrativ ziehe ich ein Bündel Scheine aus meiner Tasche hervor und wedle damit vor der Nase des Dealers herum. Dieser macht große Augen, was aussieht, als würden sie gleich aus ihren Höhlen springen wollen, bleibt jedoch weiterhin skeptisch:

"Tut mir leid, Kleiner. Ich mag dich wirklich sehr, aber ich will auch nicht riskieren, dass deine Eltern mir nachher irgendwelche Ermittler auf den Hals hetzen, weil ihr lieber Sohn plötzlich MHD nimmt."

Ich knirsche wütend mit den Zähnen und verfluche in diesem Moment die Tatsache, dass jeder mich so sieht, wie er will. Heute kann ich das absolut nicht gebrauchen.

"Glaub' mir, es gibt niemanden, der Nachforschungen anstellen wird", versuche ich es dennoch ein letztes Mal. Dabei stoße ich jedoch erneut auf Granit:

"Nein, das kenne ich nur zur Genüge. Lassen wir das. Ich kann keinen Ärger gebrauchen."

Demonstrativ hievt sich der Dealer hoch und scheint sich einfach so aus dem Staub machen zu wollen. Wie es aussieht, hat er keine Lust mehr auf lange Diskussionen. Ich aber auch nicht. Nicht heute und nicht in meinem derzeitigen Zustand. Wütend packe ich ihn am Kragen und reiße ihn zu mir zurück.

"Hier geblieben! Ich zeige dir gleich, was es heißt, Ärger am Hals zu haben", zische ich dem Dealer ins Ohr. Verblüfft dreht dieser sich nun zu mir um und seine weit aufgerissenen, grünen Augen starren mich völlig entgeistert an. Ich nehme wahr, dass sich die Härchen in seinem Nacken mit einem Mal aufstellen und ein Schauer seinen Körper erzittern lässt, was mir ein zufriedenes Grinsen ins Gesicht zaubert.

"Lass' den Quatsch, Kleiner! Wenn du nicht aufpasst, kann das wirklich schlecht für dich enden", mahnt er, wobei ich angeekelt das Gesicht verziehe, da sein Atem nach einer Mischung aus Alkohol und Zigarettenqualm stinkt.

"Für mich nicht. Aber für dich schon. Sehr bedauernswert, wirklich. Deine Kunden müssen sich wohl einen neuen Lieferanten suchen", verkünde ich leichthin. Ein kleines, nervöses Zucken seiner Augenbraue verrät mir, dass der Dealer mittlerweile Angst hat. Und zwar ziemlich Große. So ein Loser! Und das soll ein Mann sein? Der hat auch keine Eier in der Hose.

Ich greife in die rechte Tasche meiner Lederjacke und befördere ein kleines Klappmesser ans Tageslicht. Oder besser gesagt ans Abendlicht. Wie auch immer. Heute werde ich das Ganze einmal auf die herkömmliche Art und Weise klären. Meine Magie brauche ich dafür nicht. Ich werde mir den Spaß erlauben und es wie die Menschen regeln. Das erregt weniger Aufmerksamkeit und schließlich geht es mir hier nicht um seine Seele, sondern nur um den Spaßfaktor. Und natürlich um die Drogen.

Erschrocken stolpert der Mann einen Schritt zurück, als er die Waffe erblickt, doch ich setze ihm sofort nach. Selbstverständlich ganz langsam und geschmeidig, wie ein Raubtier auf der Jagd. Ich weiß, dass mein Opfer mir nicht entkommen wird. Körperlich bin ich ihm einfach bei Weitem überlegen. Und ich genieße es, mir alle Zeit der Welt zu lassen. Ein sauberer Schnitt durch die Halsschlagader wäre eindeutig zu langweilig. Ich will ihn nicht ausbluten lassen, wie ein Tier. Ich will ihn quälen, bis sein Körper die Torturen schließlich nicht mehr durchhält und aufgibt. Ich will ihn um Gnade winseln sehen. Ich will ihn vor mir am Boden liegend und flennend, wie ein kleines Baby. Ich will seine Angst schmecken können. Ich will sehen, wie er zugrunde geht und ich will einfach nur, dass er seine verdammte Fresse hält. Jedoch erfüllt er mir diesen letzten Wunsch nicht freiwillig:

"Ich... ich... ich gebe dir die Ware und du verschwindest von hier, okay? Tut mir leid, Kumpel. War nicht so gemeint."

Verächtlich ziehe ich eine Augenbraue in die Höhe und grinse höhnisch:

"Das hättest du dir wohl besser früher überlegen sollen. Jetzt ist es dafür zu spät."

Der Mann wird noch bleicher, wenn das überhaupt möglich ist. Damit gleicht er nun mehr denn je einem dieser Wesen, die angeblich dem Reich der Toten entstiegen sind. Er hätte sicherlich einen guten Edward Cullen abgegeben. Es hätte dem Film zudem auch etwas mehr Dramatik verliehen. Ein obdachloser Vampir, der sich in eine glitzernde Diskokugel verwandeln kann und Partys auf dem Friedhof feiert. Ich schmunzle.

"Die Polizei wird dich finden. Du zerstörst dein ganzes Leben, Junge. Mach' nicht den gleichen Fehler, wie ich damals. Du hast noch dein ganzes Leben vor dir", versucht mein Gegenüber mich noch einmal umzustimmen. Doch natürlich lasse ich mich nicht erweichen.

"Lass' das mal meine Sorge sein. Ich weiß schon, was ich tue", erwidere ich. Blitzschnell stoße ich das Messer nach vorne und ramme es ihm so weit in den Oberarm, dass es einen Knochen trifft und diesen zerschmettert. Dabei achte ich jedoch darauf, dass ich die Hauptschlagader nicht erwische, sondern ihn nur geringfügig verletze. Gerade schwer genug, um ihm die größtmöglichen Schmerzen zuzufügen, aber es darf ihn natürlich nicht umbringen. Vorerst zumindest. Der Tod wird früher oder später auch noch folgen.

Faceless - Ewige Verdammnis Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt