Ich will weg von hier. Einfach nur verschwinden, an einen Ort, an dem ich nicht mehr daran erinnert werde, was sich gerade vor meinen Augen zugetragen hat. Jedoch kann ich mich keinen Millimeter von der Stelle bewegen. Es ist, als sei ich am Boden festgefroren.
Mein Blick ist starr auf den Eingang des Hauses gerichtet, in dem Nicolas und das kleine Rumpelstilzchen gerade eben verschwunden sind. Zusammen. Das kleine Rumpelstilzchen, das mir so nahe gekommen ist, wie noch nie jemand anderes zuvor. Ich habe mich ihr geöffnet. Ich habe sie geküsst und das nicht nur, weil ich sie damit ins Bett bekommen oder ihre Seele rauben wollte. Das ist die kalte, nackte Wahrheit und ich muss ihr wohl oder übel ins Auge blicken, auch wenn es mir ziemlich schwer fällt. Nun kann ich es wirklich nicht mehr leugnen. Ich mag das kleine Rumpelstilzchen... seltsamerweise... irgendwie. Und wenn ihr mich fragt, das sogar ein bisschen zu sehr. Ein großes Bisschen zu sehr, um ehrlich zu sein.
Genau aus diesem Grund verwirrt mich die ganze Situation, in der ich mich hier gerade blöderweise manövriert habe, auch um so mehr. Es fühlt sich irgendwie seltsam an, dass Amely sich so plötzlich mit diesem Idioten verdrückt, der bei ihr im Haus wohnt und zu alledem auch noch ihr bester Freund ist und das ohne ein Wort der Erklärung. Was soll das? Warum tut sie das? Solche Aktionen sind doch normalerweise meine Spezialität!
Ich bin derjenige, der auf die Gefühle anderer scheißt und ohne Rücksicht auf Verluste handelt. Nun aber stehe ich hier, in der kühlen Abendluft, allein und mit noch immer etwas zu schnell pochendem Herzen. Was verdammt nochmal habe ich mir nur dabei gedacht, sie tatsächlich so zu küssen? So stürmisch und mit viel zu viel Hingabe? Das war falsch! Ich hätte gar nicht erst herkommen sollen. Wusste ich es doch. Vor ein paar Sekunden hat sich das alles zwar noch völlig richtig angefühlt, aber nun? Wie kann etwas auf einmal so falsch sein, das einem kurz zuvor noch so vollkommen perfekt erschienen ist? Das ist doch eigentlich unmöglich.
Mein Handy vibriert und ich ziehe es so schnell ich kann aus der Hosentasche hervor. Dabei rutscht es mir beinahe aus den Händen, so eilig habe ich es, die Nachricht zu lesen. Ich entriegle den Sperrbildschirm und sehe auf das Geschriebene hinab. Es sind nur zwei Wörter. Zwei beschissene Wörter, die ich auch einem komplett Fremden hätte an den Kopf werfen können.
"Gute Nacht"
Wow! Großes Kino, wirklich. Kein "Es tut mir leid" oder "Es war heute sehr schön mit dir". Nicht einmal ein winziger Smiley hat sich hinter die Nachricht verirrt. Zu mehr hat es also nicht gereicht? Das war alles? Aha. Ich verstehe schon. Da scheint wohl jemand wichtiger zu sein, als ich. Wenn Nicolas mit dem Finger schnipst, ist Amely wohl sofort zur Stelle. Aber mir kann sie nicht einmal eine richtige Erklärung liefern. Warum hat sie mich dann überhaupt geküsst? Zum Test, wie ich darauf reagiere? Damit sie ihrer kleinen Schwester beweisen kann, dass ich jede nehme und ein Arsch bin? Aber bin ich das denn nicht eigentlich auch? Hat sie damit nicht im Grunde genommen recht? Zu jedem anderen Punkt in meinem Leben hätte ich inbrünstig mit einem "Ja" geantwortet. Heute will mir das jedoch beim besten Willen nicht gelingen. Warum beschäftigt mich das hier alles so sehr? Ach Fuck! Das ist doch alles scheiße!
Ich löse mich aus meiner Starre und gehe abwesend zu meinem parkenden Auto hinüber. Dabei übersehe ich eine Bordsteinkante und kann mich nur mit Mühe im letzten Moment noch abfangen. Was passiert hier nur mit mir? Das ist doch nicht mehr normal!
Ich steige ins Auto und gebe Gas. Jedoch habe ich wie so oft in letzter Zeit keine Ahnung wohin ich soll. In mein leeres Haus? Wohl eher nicht. In eine Bar, wo ich dann jemanden abschleppen kann? Nein, ganz gewiss nicht. Frauen jeglicher Art können mir heute wirklich gestohlen bleiben. Dann einfach nur trinken? Hm... darauf habe ich eigentlich auch keine Lust. Oder doch jemandem die Seele rauben? Aber irgendwie gefällt mir dieser Gedanke auch nicht wirklich.
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Faceless - Ewige Verdammnis
FantasyEin Verlangen, das dein Leben beherrscht. Ein Treffen, das dein Leben verändert. Ein Ende, das ein Anfang ist. ~ ~ ~ Thomas ist ein Dämon. Oder zumindest nennt er sich selbst so. Eigentlich gibt es keine genaue Bezeichnung für das, was er ist. Ande...