Am nächsten Morgen fahre ich bewaffnet mit Hundekuchen, Sandwiches und einer Thermoskanne voll mit heißem Kaffee gleich nach dem Aufstehen zum Hundehimmel. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um den Fledermaushund von mir zu überzeugen. Amely hat es schließlich auch irgendwie geschafft sein Vertrauen zu gewinnen. Und die ist von Natur aus einfach nur unausstehlich. Da werde ich das ja wohl erst recht hinbekommen.
Als ich dort ankomme, treffe ich auf den Mitarbeiter von gestern, der mich vor dem Fledermaushund gewarnt hat. Er ist gerade dabei die Zwinger auszumisten. Sein dicker Bauch wippt dabei auf und nieder, was echt grässlich aussieht.
"Schon wieder hier?", fragt er mich kopfschüttelnd, doch ich zucke nur mit den Schultern. Ich bin nicht gerade der Fan von Smalltalk.
"Wenn du willst, kannst du Jesse das Futter dort drüben bringen. Wir stellen es ihm normalerweise immer in den Käfig, wenn er noch im Haus ist. Außer Amely lässt er ja niemanden an sich heran", schlägt der Mann vor. Ich zucke erneut mit den Schultern, nehme den Fressnapf mit der Aufschrift "Jesse" jedoch wortlos aus dem Regal, gehe in dessen Käfig und stelle ihn dort ab. Was auch immer das bringen soll, zumindest habe ich etwas getan. Anschließend nehme ich erneut den Posten von gestern ein und krame ein Tomate-Mozarella-Sandwich aus dem Rucksack hervor.
In diesem Moment gehen die Schiebetüren der Zwinger auf und die Hunde kommen aus dem Inneren des Hauses gestürmt. Einige begrüßen sich schwanzwedelnd, andere fallen sofort über das Essen her und wieder andere schauen nur träge nach draußen. Ich beobachte den Eingang von Jesses Käfig, der als Einziger noch immer leer ist.
"Hast du vor hier zu überwintern?", fragt der Mann mich in diesem Moment belustigt, der mit dem Schubkarren voll Mist dasteht und mich herablassend angrinst.
"Nope", erwidere ich knapp und abweisend zugleich. Hoffentlich kapiert er bald, dass ich nicht reden will. Sonst wird er eindeutig mein nächstes Opfer. Wichser!
In diesem Moment ist ein lautes Knurren, gefolgt von wildem Gebell zu hören. Ein dunkler Blitz schießt aus dem Inneren und wirft sich mit voller Kraft gegen das Gitter, vor dem der Pfleger gerade steht, sodass es erzittert. Nur wenige Zentimeter von dessen Händen entfernt schlagen die Zähne des Fledermaushundes aufeinander. Dieser springt erschrocken einen Schritt zurück, verliert den Halt und landet mit dem Hintern in der Schubkarre. Ich muss mich zusammenreißen, um nicht laut loszuprusten und grinse bis über beide Ohren. Hätte ich zwar nicht gedacht, dass ich das jemals sagen würde, aber ich muss zugeben, dass die Behauptung von gestern doch nicht ganz stimmt. Wie es aussieht, hat der Fledermaushund durchaus Stil. Zumindest mehr, als manch anderer hier. Das war eine wirklich geniale Aktion.
Der Pfleger rappelt sich wütend auf, klopft sich den Dreck von der Hose, tritt mit dem Fuß heftig gegen das Gitter, was Jesse nur noch lauter kleffen lässt und starrt mich anschließend finster an, als sei ich der Verursacher des ganzen Übels. Dabei habe ich diesesmal gar nichts getan. Irgendwie scheinen mich die Menschen wohl immer dann zu hassen, wenn ich unschuldig bin. Diese Wesen muss man wirklich nicht verstehen.
"Na dann weiterhin viel Spaß mit dieser Missgeburt. Dieses Viech ist ein unausstehliches Biest und ein wirklich aggressiver Bursche. Wirst schon noch sehen. Weiß zwar immer noch nicht, was du an ihm findest, aber gut. Vielleicht habe ich seine wahren Werte ja verkannt", lacht er schallend auf und verschwindet tatsächlich. Endlich! So kann man doch nicht in Ruhe essen. Vor allem sollte sich dieser Typ mal schön selbst an die eigene Nase fassen. Er ist vielleicht unausstehlich, nicht der Fledermaushund. Vielleicht nervig und ein Krüppel noch dazu, aber auf keinen Fall unausstehlich. Und außerdem um einiges klüger, als dieser Volldepp von Pfleger. So ein hirnamputiertes Arschloch!
"Was wird das verdammt nochmal? Nimmst du diesen Köter gerade wirklich in Schutz?", fauche ich mich innerlich selbst an. Ich übergehe diesen Gedanken jedoch geflissentlich und beiße genüsslich in mein Sandwich. Ich mag den Köter zwar nicht, aber er hat zumindest Eier. Das gefällt mir durchaus. Wenigstens hat das kleine Rumpelstilzchen mir keinen schwanzwedelnden Waschlappen zugeteilt.
▪ ▪ ▪
Nach dem Frühstück gehe ich meiner gestrigen Tätigkeit nach. Ich studiere den Fledermaushund genaustens. Dieser geht unruhug in seinem Käfig auf und ab, hält die Nase immer wieder witternd in den Wind, als würde er der ganzen Sache nicht so wirklich trauen und rührt das Fressen nicht ein einziges Mal an. Seine Haltung ist dabei wachsam und angespannt. Immer wieder legt er die Ohren an und fletscht die Zähne. Aber zumindest bellt und knurrt er nicht mehr. Das ist doch zumindest eine kleine Verbesserung gegenüber unserem ersten Treffen.
Ich beginne leise mit dem Fledermaushund zu reden. Irgendwo habe ich gelesen, dass man Köter dadurch beruhigen könne. Keine Ahnung, ob es tatsächlich hilft, aber ich sitze so wenigstens nicht nur tatenlos herum.
Als Jesse meine Stimme hört, spitzt er aufmerksam die Ohren und kommt tatsächlich näher ans Gitter heran. Ich beobachte fasziniert, wie er mit der Zeit etwas ruhiger wird, sich sogar auf die Hinterpfoten setzt und mich einfach nur mustert. Sein Hecheln wird gleichmäßiger und er gähnt ab und zu sogar.
Ich schüttle den Kopf. Eigentlich rede ich ja bloß irgendwelches belangloses Zeug, das überhaupt keine Bedeutung hat, aber trotzdem scheint es zu funktionieren. Ab und zu werfe ich Jesse auch noch einen von den Hundekuchen in den Käfig, die er zuerst skeptisch beschnüffelt, dann jedoch tatsächlich frisst. Wow! Ich mache Fortschritte!
Mittlerweile akzeptiert die mutierte Fledermaus sogar mein Essen. Wie es scheint, bin ich in seiner Beliebtheitsskala gerade eine Stufe höher gestiegen. Das muss etwas heißen. Ich bin mit meinem kleinen Erfolg zufrieden. Es ist ein Anfang. Wie oft ich das in letzter Zeit schon gesagt habe, weiß ich auch nicht mehr so genau. Aber zumindest geht es voran. Wenn auch nur in kleinen Schritten.
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Faceless - Ewige Verdammnis
FantasyEin Verlangen, das dein Leben beherrscht. Ein Treffen, das dein Leben verändert. Ein Ende, das ein Anfang ist. ~ ~ ~ Thomas ist ein Dämon. Oder zumindest nennt er sich selbst so. Eigentlich gibt es keine genaue Bezeichnung für das, was er ist. Ande...