Moderne Friedenspfeife

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Ich muss nach meinem ausgiebigen Mahl, das am Ende vier Döner und drei Portionen Pommes umfasst hat, wohl eingenickt sein. Denn als ich nun die Augen aufschlage, dämmert es bereits. Ein Gewicht auf meinem Bein macht mich kurz stutzig. Ich kratze mich hinter dem Ohr und beäuge Batdog misstrauisch, dessen Kopf in meinem Schoß ruht. Was? Wie ist es denn dazu gekommen? Ich kann mich an rein gar nichts mehr erinnern. Eigentlich bin ich doch sonst nicht so unachtsam. Was ist nur passiert?

Ein leises Klatschen ertönt von irgendwo schräg hinter mir. Dieses Geräusch hat mich aufgeweckt. Was also ist das? Und wo kommt es her? Mein Gehirn arbeitet nur langsam, weshalb der Befehl mich in besagte Richtung zu drehen erst recht spät kommt. Ich drehe mich in Zeitlupe um und sehe... was auch sonst. Langsam wundert mich gar nichts mehr. Diese Tusse taucht immer dann auf, wenn es mir am wenigsten passt. Hässliche Bitch!

Das kleine Rumpelstilzchen steht mit dem Rücken an einen Baum gelehnt da, klatscht abschätzig in die Hände und betrachtet mich mit unverhohlener Neugier. Es ist, als sähe sie mich gerade das erste Mal. Und vielleicht ist das ja auch tatsächlich der Fall. Bis jetzt hat sie mir mich nämlich nie mehr Beachtung geschenkt, als einer Zecke an ihrem Arm. Sie hat nur den gemeingefährlichen Aufreißer in mir gesehen, der ihre Schwester abschleppen will - was ich natürlich auch irgendwie bin, aber das kann sie ja nicht mit Gewissheit sagen.

Dafür holt sie das Starren nun um so länger nach. Es fühlt sich komisch an so genau gemustert zu werden. Es kommt nicht oft vor, dass man das tut. Klar werde ich häufig mit gierigen Blicken abgecheckt, aber das ist etwas ganz anderes. Viel oberflächlicher. Das, was das kleine Rumpelstilzchen hier tut, ist da um einiges intensiver. Es fühlt sich an, als würde ich bis auf die Knochen durchleuchtet werden. Ein ziemlich unangenehmes Gefühl, wie ich finde. Es gefällt mir ganz und gar nicht. Daher beschließe ich schnell abzulenken.

"Genug gestarrt? Gefällt dir, was du siehst?", gebe ich selbstgefällig von mir und zwinkere ihr verschwörerisch zu. Das zieht meistens. Zumindest bei den Normalos. Aber was ist bei dem kleinen Rumpelstilzchen schon normal.

"Ja, ich habe genug gestarrt. Aber nein, gefallen würde ich das jetzt nicht unbedingt nennen. Eher fasziniert, wie man so selbstverliebt und arrogant sein kann. Und du? Warum starrst du mich so an?", verneint Amely mit vor der Brust verschränkten Armen. Wusste ich es doch, dass ihre Reaktion anders ausfallen würde, als erwartet. Aber um ehrlich zu sein, gefällt mir das. Ich kann nie genau vorhersagen, was sie als nächstes tun wird. Das gestaltet die ganze Angelegenheit um einiges interessanter.

"Mich fasziniert, wie man durchgehend so liebreizend und nett sein kann", erwidere ich amüsiert über ihre Antwort.

"Höre ich da etwa eine Spur von Sarkasmus?", lächelt das kleine Rumpelstilzchen. Sie lächelt! Steht die etwa auf Streit oder warum hat sie auf einmal so gute Laune in meiner Gegenwart? Das sind ja ganz neue Töne.

"Niemals. Was denkst du von mir? Ich bin immer ernst", gebe ich ironisch von mir.

"Klar. So ein toller Hecht, wie du einer bist, hat Sarkasmus natürlich nicht nötig", schießt sie belustigt zurück. Ich beginne allmählich Gefallen an dem Gespräch zu finden.

"Da ist was dran. Du hast mich durchschaut", gestehe ich gespielt ertappt und grinse breit.

"Das ist nicht schwer. Du bist wie ein offenes Buch für mich", zuckt sie leichthin mit den Schultern. Ach! So ist das also. Wusste gar nicht, dass ich so leicht zu durchschauen bin. Das ist ja etwas ganz Neues.

"Da wäre ich mir nicht so sicher, Schätzchen", entgegne ich daher etwas überheblich. Sie ahnt ja gar nicht, wie falsch ihre Aussage ist. Eigentlich hat sie überhaupt keine Ahnung, wen sie hier vor sich hat.

Faceless - Ewige Verdammnis Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt