Hiobsbotschaft 2.0

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"Ah! Da sind Sie ja endlich", erklingt die etwas ungeduldige Stimme eines Mannes, der freundlich lächelnd auf mich zugeeilt kommt und vor dem Zwinger stehen bleibt. Misstrauisch mustere ich den Typen. Er hat blonde, raspelkurze Haare, blaue Augen und trägt eine weiße Arbeitskluft, an der ein kleines Namensschild steckt. "Dr. Manuel Bretz, Tierarzt" steht darauf in geschwungenen Buchstaben geschrieben. Na endlich jemand, der Batdog helfen kann. Denn, dass er dringend Hilfe braucht, steht außer Frage.

"Kann ich hereinkommen? Ich habe vorhin schon versucht den Käfig zu betreten, aber Jesse hat es nicht zugelassen. Ich hoffe, dass wir es dank Ihrer Anwesenheit nun hinbekommen. Wenn nicht, kann ich ihm wohl oder übel auch nicht wirklich weiterhelfen. Wir haben es schon mit Antibiotika im Fressen versucht, aber es schlägt nicht an. Ich muss wissen, was er hat", klärt mich der Tierarzt auf. Ich zucke etwas zusammen. Das ist alles, was er tun kann? Ich dachte er ist Tierarzt und kein verdammter Ferndiagnostiker! Unfähiger Wichser!

"Kann man ihn nicht einfach betäuben? Macht man das nicht normalerweise bei gefährlichen Tieren?", will ich wütend von ihm wissen. Er ist doch der Spezialist, da sollte nicht ich ihm so etwas erklären müssen, sondern er mir.

Der Tierarzt setzt eine mitleidige Miene auf und ich kann schon jetzt erkennen, dass mir das, was ich gleich erfahren werde, sicherlich nicht gefallen wird:

"Dieser Hund hier reagiert allergisch auf Betäubungsmittel jeglicher Art. Er würde streben, wenn ich ihm dieses spritze. Das kommt zwar nicht sehr häufig vor, gibt es aber leider tatsächlich. Ich werde ihn nicht betäuben können. Das bedeutet wiederum auch, dass man ihn nicht operieren kann. Wenn er etwas Ernstes hat, wird uns daher wohl oder übel nichts anderes übrig bleiben, als ihn einzuschläfern."

Na wenn das mal keine Hiobsbotschaft 2.0 ist, weiß ich auch nicht weiter. Ich habe den Typen damals schon nicht leiden können. Hiob, dieser Miesepeter. Er hatte einen unguten Hang zu schlechten Nachrichten. Das Überbringen dieser ist sozusagen sein liebstes Hobby gewesen. Und irgendwie erinnert mich der Tierarzt hier sehr an ihn.

Fassungslos öffne ich den Mund, klappe ihn anschließend jedoch kraftlos wieder zu. Nein! Nein, das kann einfach nicht wahr sein. Der Tierarzt ist ein Stümper! Er kennt sich nicht aus. Das ist die logischste Erklärung. Dennoch bleibt mir im Moment nichts anderes übrig, als seinem Urteil zu vertrauen.

Ich schlucke schwer. Hoffentlich macht Batdog mit und lässt sich das hier gefallen. Und vor allem, hoffentlich ist kein großer Eingriff nötig. Jedoch bin ich mir da leider nicht ganz so sicher. Er sieht so verdammt fertig aus.

Der Tierarzt öffnet die Tür und kommt ebenfalls in den Zwinger. Sofort ist Batdog in vollster Alarmbereitschaft. Jeder Muskel in seinem Körper ist bis zum Zerbersten angespannt. Er versucht mühsam auf die Beine zu kommen, fällt jedoch immer wieder kraftlos zurück. Dabei knurrt mein neu gewonnener Kumpel so heftig, dass sein ganzer Körper vibriert und schnappt nach dem ungebetenen Eindringling, der sich in sein Revier wagt.

"Hey! Alles ist gut, Großer", rede ich beruhigend auf ihn ein, was leider nicht den gewünschten Erfolg erzielt. Batdog spitzt zwar die Ohren und lauscht aufmerksam meiner Stimme, sonst ist seine Haltung jedoch noch immer feindselig.

"So wird das nichts. Legen sie ihm erst einmal einen Maulkorb an. Wenn wir es jetzt nicht bald schaffen den Hund unter Kontrolle zu bringen und herauszufinden, was er hat, kann ich nicht mehr viel für ihn tun. Er braucht dringend Hilfe. Er hat seit gestern Abend nichts gefressen, sich mehrmals erbrochen und auch nichts getrunken. Wenn wir nichts unternehmen, dehydriert er noch. Er benötigt dringend eine Infusion. Und wenn wirklich gar nichts wirkt, muss ich ihn wie gesagt wohl oder übel einschläfern, so leid es mir auch tut", kommen die vernichtenden Worte des Arztes. Ich hätte ihm dafür am liebsten die Fresse poliert. Mein Mund fühlt sich mit einem Mal ganz trocken an, als hätte sich die Sahara höchst Persönlich dort drinnen breit gemacht. Meine Zunge ist ein viel zu raues Schmirgelpapier, das meinen Mundraum aufscheuert. Und selbst mein Körper gehorcht mir nicht mehr, wie gehabt. Meine Finger zittern kaum merklich, aber dennoch sichtbar. Was wird hier gespielt?

"Wir dürfen nicht aufgeben. Er schafft das, ich weiß es!", gebe ich bestimmt von mir, auch wenn ich mir da überhaupt nicht sicher bin. Um ehrlich zu sein, bin ich mir bei dieser Sache hier so unsicher, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Den Tod bei Mensch und Tier kann niemand stoppen. Er kommt, wann er will. Er hat seinen eigenen Willen. Und nichts und niemand kann ihn daran hindern, auch kein Faceless.

Ich stehe auf und nehme dem Tierarzt den Maulkorb aus der Hand, den er mir mit einem mitleidigen Funkeln in seinen babyblauen Augen entgegenstreckt. Ich presse meine Kiefer fest zusammen. Wie ich es hasse, mit so einem Blick bedacht zu werden! Das konnte ich noch nie ab. Mitleid ist eine erbärmliche Empfindung. So etwas braucht man nicht.

Ich muss mich wirklich zusammenreißen, um den Tierarzt nicht hier und jetzt mit bloßen Händen zu erwürgen. Wenn ich ihn nicht noch brauchen würde, ich hätte keine Sekunde lang gezögert.

Vorsichtig nähere ich mich Batdog und zeige ihm den Gegenstand:

"Hier, mein Guter. Es wird dir nichts passieren. Wir kümmern uns um dich. Ich bleibe bei dir, versprochen."

Ganz langsam führe ich den Maulkorb zu seinem Gesicht, sodass er ihn in Ruhe beschnüffeln kann. Dann, als er alles genaustens unter die Lupe genommen und festgestellt hat, dass keine Gefah von ihm ausgeht, ziehe ich ihm diesen behutsam und in Zeitlupe über seine Schnauze, um ihn dann schnell hinter seinem Kopf zu verschließen. Zuerst scheint Batdog verwirrt. Es ist, als habe er keine Ahnung, wie ihm geschieht. Es tut weh ihn so zu sehen. Er ist nur noch ein Schatten seiner Selbst.

"Ich komme jetzt zu ihm und werde schauen, was sich machen lässt", erklärt der Tierarzt mir und tritt näher zu uns heran. Batdog versucht dies mit letzter Kraft zu verhindern. Er schiebt sich mit den Hinterbeinen an den Tierarzt heran, kommt jedoch nicht weit. Er ist einfach viel zu schwach. Trotzdem bemüht er sich weiterhin nach dem Eindringling zu schnappen, was der Maulkorb jedoch nicht zulässt. Also beschränkt er sich schließlich darauf zu knurren, als würde es dabei um sein Leben gehen. Wobei, gerade geht es wohl tatsächlich um sein Leben.

"Du hältst ihn an den Schultern fest und ich schaue ihn mir genauer an", bestimmt der Tierarzt und lässt sich auf der anderen Seite von Batdog nieder, was diesem ganz und gar nicht gefällt.

"Keine Angst, es ist alles gut", rede ich einfach drauf los, nur um irgendetwas zu tun und keinen Moment der Stille aufkommen zu lassen, "ich soll dir übrigens Grüße von Amely ausrichten. Die wäre auch gerne hier, muss aber leider arbeiten. Später schaut sie dann aber bestimmt bei dir vorbei. Und dann wird es dir garantiert auch schon wieder besser gehen, versprochen. Du wirst wieder gesund. Ich weiß es. Schließlich bist du ein zäher Bursche. Du hast schon ganz anderes überstanden. Da schaffst du das hier auch mit links."

Ich bemerke selbst, wie verlogen das alles klingt. Schließlich kann ich überhaupt nichts versprechen. Ich weiß nicht, wie der heutige Tag enden wird. Das steht noch in den Sternen. Aber eines ist sicher. Ich werde Batdog nicht aufgeben. Niemals.

▪ ▪ ▪

Hi, meine Lieben!
Mich würde an dieser Stelle kurz interessieren:

Wie findet ihr die Idee und die Umsetzung bis hierhin?

Wie gefallen euch die Protagonisten?

Mir bedeutet eure Meinung immer sehr viel, daher würde ich mich über zahlreiche Kommentare freuen. Das würde mir echt weiterhelfen. Danke ❤

- Besserwisserin -

Faceless - Ewige Verdammnis Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt